Kurz vor der Tagesschau präsentiert die ARD wochentags "Wirtschaft vor acht". Ereignisse aus der Wirtschaftswelt und Aktuelles von der Frankfurter Börse werden da in ein paar Minuten abgehandelt, so umschreibt die öffentlich-rechtliche Anstalt das Anliegen.
Zehn Jahre lang bis März 2022 hieß die Sendung "Börse vor acht" – ein Anachronismus sondergleichen angesichts der Tatsache, dass selbst heute nur etwa jeder sechste Bundesbürger Geld in Aktien, Aktienfonds und börsengehandelte Investmentfonds steckt. Die Zwangsbeglückung der Börse mit einer Aktienrente scheiterte gerade ausgerechnet an der FDP, nebenbei bemerkt.
Mit dem Wechsel von "Börse vor acht" zu "Wirtschaft vor acht" verband sich jedenfalls auch eine Zusage der ARD-Verantwortlichen, zu den künftigen Schwerpunkten solle das Themengebiet "Ökonomie/Ökologie" gehören.
Dass in die Lobbysendung für Börsenfans nun auch Grünes gemischt werden sollte, hatte einen besonderen Grund. 2019 war eine bundesweite Bewegung entstanden, die auf dem Sendeplatz vor der Tagesschau eine Klima-Sendung namens "Klima vor acht" forderte. Aus der Bewegung ging dann auch der Verein "Klima vor acht" hervor.
Die Forderung, Klimafragen prominent zu platzieren, lehnt die ARD bis heute ab. Mit der versprochenen Behandlung von "Ökonomie/Ökologie" ist es auch nicht weit her. Jedenfalls kommen in den jüngsten fünf Sendungen von "Wirtschaft vor acht", die in der ARD-Mediathek verfügbar sind, grüne Themen so gut wie nicht vor. Dafür gibt es öffentlich-rechtliche Klagen über die gefährdete Wettbewerbsfähigkeit der Fluggesellschaften.
Klima bei Öffentlich-Rechtlichen weiter ein Nischenthema
Auch Ende 2024 sei die Berichterstattung im Fernsehen zum Klima immer noch auf "sehr, sehr niedrigem Niveau", konstatiert Friederike Mayer. Für die Vorsitzende des Vereins "Klima vor acht" hat sich inzwischen klar herausgeschält, wer für das stete Ablehnen der Klima-Sendung verantwortlich ist.
"Das Nicht-Handeln der Öffentlich-Rechtlichen in der Klimakrise ist das direkte Versagen des oberen Managements und der Programm-Entscheider:innen", erklärt Mayer. Dabei wisse man von vielen Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass sie gern mehr und anders über die Klimakrise berichten würden.
Tatsächlich ist Klima bei den Öffentlich-Rechtlichen weiter nur ein Nischenthema. Im gesamten Programm von ARD und ZDF werde gegenwärtig nur in etwa zwei Prozent der Sendeminuten das Wort Klima erwähnt, fasst Medienwissenschaftlicher Michael Brüggemann von der Universität Hamburg einschlägige Untersuchungen zusammen.
Schaue man sich allein die politisch geprägte Tagesschau an, sei dort 2024 im Schnitt in 4,5 Prozent der Sendeminuten das Wort Klima gefallen, bilanziert Brüggemann. Die bloße Erwähnung sage dabei noch nichts über die Qualität der Klimaberichterstattung aus und worum es genau gehe, räumt der Wissenschaftler ein.
Weil sich beim Klima offenbar nichts bewegt, will der Verein jetzt einen neuen Weg einschlagen und sich quasi den Primetime-Werbeplatz vor der Tagesschau kaufen. Dort soll dann ein noch zu produzierender "Klima vor acht"-Film ausgespielt werden.
Idee, Konzept und Kosten für diese Aktion stellte der Verein letzte Woche den Medien vor. Um den begehrten Werbeplatz kaufen zu können, kalkuliert "Klima vor acht" mit einer Summe von 250.000 Euro. Das Geld soll durch Sponsoring von Unternehmen aufgebracht werden, die hinter der Idee einer Klimasendung zur Primetime in den Öffentlich-Rechtlichen stehen, erläutert Friederike Mayer die Finanzierungsidee.
Unternehmen als Sponsoren für Klima-Kurzfilm gesucht
25.000 Euro, ein Zehntel der Summe, sind dabei bereits auf dem Spendenkonto eingegangen, zusammen aufgebracht vom Ökoenergieversorger EWS Schönau und dem Lebensmittelhersteller Oatly. Weitere Sponsoren sucht der Verein dringend. Als Gegenleistung sollen die Spenderunternehmen Werbeplatz auf der Website von "Klima vor acht" bekommen oder sich in dem geplanten Klima-Werbespot präsentieren können.
Der Klimafilm soll drei bis fünf Minuten lang sein und kann für die Viertelmillion ein einziges Mal auf dem Primetime-Platz gezeigt werden, wie der Verein auf Nachfrage bestätigt.
Bei einem solchen Verhältnis von Aufwand und eher symbolischem Ergebnis fragt sich schon, ob eine solche Summe nicht effektiver für guten Klimajournalismus einsetzbar wäre. Von einer gesponserten Viertelmillion wagen die in der Regel weit unterfinanzierten Initiativen und Netzwerke, die sich seit Jahren für einen qualitativ hochwertigen Klimajournalismus engagieren, nicht einmal zu träumen.
250.000 Euro seien viel Geld, räumt auch Friederike Mayer auf Nachfrage ein. Deswegen wolle man dieses Mal Unternehmen als Sponsoren gewinnen und habe kein breites Crowdfunding gestartet. Man wolle der ARD auch zeigen, dass es viele Unternehmen gebe, die sich so ein Format wünschen und den Acht-Uhr-Platz als einen attraktiven Werbeplatz sehen, so Mayer.
"Eisbären-Problem" bleibt kommunikativ ungelöst
Bei der Projektpräsentation von "Klima vor acht" äußern sich auch Medienwissenschaftler zu der Frage, warum das Thema in der medialen Nische feststeckt. Die Folgen des Klimawandels würden immer sichtbarer, trotzdem nehme die Aufmerksamkeit ab, resümiert Michael Brüggemann von der Uni Hamburg.
2023 sei bei der Tagesschau das Wort Klima noch in 7,5 Prozent der Sendeminuten erwähnt worden – die 4,5 Prozent in diesem Jahr waren also ein Einbruch. Noch geringer sei der Anteil des Klimas nur vor den Jahren vor 2018 gewesen, so der Forscher.
Geringe Anteile von Klima-Themen an den publizierten Inhalten stellt Brüggemann nicht nur bei der Tagesschau, sondern auch bei anderen Medien wie Tageszeitungen oder Onlinemedien fest. Das Klima sei in der Summe immer noch eine "Angelegenheit für Eisbären", sagt Brüggemann.
Das Problem sei für die Allermeisten räumlich und zeitlich noch weit entfernt und betreffe vor allem die Natur und nicht uns selbst. Die Berichterstattung sei weit weg vom Menschen und meist negativ.
Zur Abhilfe setzen Brüggemann wie auch der Medienpsychologe Markus Huff von der Uni Tübingen weiter auf die alte Erzählung, die Klimakatastrophe könne vor allem durch "kollektive Verhaltensänderungen" bewältigt werden. Dazu benötigten die Menschen "Informationen" und "Wissen", sagt Huff.
Für ihn kann eine überzeugende Berichterstattung Menschen dazu bewegen, ihr Verhalten anzupassen und gemeinsam Lösungen zu finden. Wenn Medien "positive Beispiele" und "gemeinschaftliches Handeln" hervorheben, könne dies Einzelne motivieren, ihr Verhalten zu ändern, meint der Psychologe.
Solche Narrative, die die Lösung des Klimaproblems am Ende den Journalistinnen und Journalisten zuschieben, gefallen den oberen Entscheidern bei den Öffentlich-Rechtlichen sicher gut. Nicht wenige Beobachter der Szene meinen deswegen, die Krise der Klimaberichterstattung habe sich längst auch schon zu einer Krise der Medienwissenschaft ausgewachsen. Sie steht dem "Eisbären-Problem" genauso ratlos gegenüber.