Am 3. Mai erreichte der Waldbrand die Stadt. (Bild: Aboluay/​Wikimedia Commons)

Im vergangenen Jahr erlebten die Einwohner Kanadas eine besonders schlimme Waldbrandsaison, wenn nicht die schlimmste. Eine Fläche von annähernd 15 Millionen Hektar brannte ab, was etwa der doppelten Fläche Bayerns entspricht. Solch ein Ausmaß war seit Beginn der landesweiten Erhebungen im Jahr 1972 niemals erreicht worden.

Mehr als 200 Siedlungen mit insgesamt rund 232.000 Menschen mussten evakuiert werden. Der Rauch von den brennenden Wäldern belastete Millionen Menschen und hinderte selbst noch an der Ostküste der USA in über tausend Kilometern Entfernung die Menschen am Atmen.

Für eine aktuelle Studie im Fachjournal Nature Communications hat ein Team um Piyush Jain von der kanadischen Waldbehörde in Edmonton die Bedingungen untersucht, die zu solch extremen Waldbränden führen konnten. Dazu zählten die Forscherinnen und Forscher eine besonders frühe Schneeschmelze, eine früh einsetzende Dürre in Teilen Kanadas und die ungewöhnlich starke Hitze.

Zwischen Mai und Oktober 2023 sei es in dem Land durchschnittlich 2,2 Grad wärmer gewesen als im Schnitt der Jahre 1991 bis 2020. All das habe zu "Feuerwetter" beigetragen, idealen Bedingungen für Waldbrände. Für diese brauchte es dann nur einen kleinen Auslöser, einen Blitzeinschlag etwa oder eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe.

All die Zahlen geben allerdings nur ein Gefühl dafür wieder, was sich gerade in den borealen Wäldern auf fundamentale Weise verändert. Wer wirklich nachvollziehen will, wie der Klimawandel die Feuer in Kanada (wie auch in Alaska und Sibirien) intensiviert, dem sei John Vaillants Buch "Die Bestie" (englische Ausgabe: "Fire Weather") ans Herz gelegt, mit dem er kürzlich für den Pulitzer-Preis nominiert wurde. Darin beschreibt der Autor und Journalist den Waldbrand um Fort McMurray in der Provinz Alberta im Mai 2016.

Menschen und Feuer

Da stellt sich gleich die Frage: Warum sollte man sich mit einem Feuer in der kanadischen Einöde befassen, das inzwischen Jahre zurückliegt? John Vaillant gibt gleich auf den ersten Seiten die Antwort: "Im Frühjahr 2016, auf halbem Weg durch das heißeste Jahr der heißesten Dekade seit Beginn der Messungen, stellte sich eine neue Art von Feuer der Welt vor."

Vaillant beschreibt auf ungeheuer spannende Weise, wie die für die Brandbekämpfung zuständigen Behörden in der Stadt die Feuer lange Zeit auf groteske Weise unterschätzten und kleinredeten, bis es zu spät war. Und wie die Leute noch ihrem gewohnten Alltag nachgingen, als die Flammen schon auf die ersten Häuser übergriffen und sich dann von Haus zu Haus fraßen.

Annähernd 100.000 Menschen mussten praktisch über Nacht evakuiert werden. So etwas hatte es bis dahin aufgrund eines Waldbrandes nicht gegeben.

Das Buch

John Vaillant: Die Bestie. Wie das Feuer von unserem Planeten Besitz ergreift. Ludwig Verlag, München 2023, 528 Seiten, 24 Euro.

Doch nicht nur das rechtfertigt eine detaillierte Rückschau auf den Brand. Sondern auch die Stadt, um die es geht. Fort McMurray verdankt seine Existenz und seinen Wohlstand einzig dem Umstand, dass in der Umgebung mit großem Aufwand Teersande abgebaut werden, aus denen dann Öl extrahiert wird.

Dies ist mit die klimaschädlichste Energieerzeugungsform, die es überhaupt gibt. Und die Teersand-Gewinnung ist so ineffizient, dass sie sich eigentlich gar nicht lohnen würde, wäre da nicht die Regierung, die sie mit Steuergeld fördert.

Gerade diese Stadt wurde von den Bränden, die der Klimawandel so intensiv gemacht hat, wie es lange nicht für möglich gehalten wurde, überrollt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes – in Vaillants Buch lernt man nicht nur die Wälder Kanadas und ihre natürliche Beziehung zum Feuer kennen, man erfährt auch, wie sich Feuer ausbreitet.

Gespickt sind die Erzählungen aus Fort McMurray mit Betrachtungen über die Beziehung der Menschen zum Feuer sowie ihre Abhängigkeit von den fossilen Energien. Dabei kommt Vaillant zum Schluss, dass Menschen und Feuer mehr gemein haben, als man denken mag.

"Betrachtet man, wie Menschen ... ihre Ressourcen nutzen, dann lässt sich feststellen, dass sie dazu tendieren, alles zu konsumieren, was zur Verfügung steht, bis nichts mehr übrig ist. Natürlich macht genau das auch Feuer."