Feuer
Mehr Waldbrände – eine Folge der Erderwärmung. (Foto: Daniel Stark/​Flickr)

Letzten Montag früh um 10 Uhr endete die Sperrfrist für den neuen Bericht des Weltklimarats IPCC, die Medien konnten nun über den aktuellen Wissensstand der Klimaforschung berichten. Zeitgleich trat in Genf der IPCC vor die Öffentlichkeit.

Journalist:innen, die sich akkreditiert hatten, erhielten schon im Vorfeld, jedoch "unter Embargo", Zugang zu den Informationen, um ihre Artikel und Sendungen vorzubereiten. Auch Pressebriefings gab es, in denen die Expert:innen die wichtigsten Aussagen des Berichts beschrieben und einordneten.

Dass die Forschenden sich keine Mühe gegeben hätten, damit ihre Botschaft gehört wird, kann man wirklich nicht sagen.

Alle Medien berichteten. Wenn ich mich richtig erinnere, waren Aufmerksamkeit und Interesse 2013 noch geringer, als der vorherige Sachstandsbericht erschien.

Die Kernaussagen diesmal: dass die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen beispiellos sind und sich stark beschleunigen; dass die Erwärmung schon 2030 die kritische Schwelle von 1,5 Grad erreichen oder überschreiten könnte, zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert; dass immer mehr Extreme wie Hitzewellen und Fluten auftreten und heftiger ausfallen; dass viele Veränderungen, etwa der Anstieg des Meeresspiegels, auf Jahrhunderte bis Jahrtausende unumkehrbar sind.

Vielfach waren die Medienberichte sehr ausführlich. Oft fielen Formulierungen wie "dramatisch" und "erschreckend". Bei der Bedeutung und Tragweite des Berichts wäre aber auch eine Sondersendung nach der Tagesschau nicht verkehrt gewesen.

Die gab es nicht, und am nächsten Tag dominierten schon wieder andere Themen die Schlagzeilen. Die Lokführer wollen streiken, Coronatests sollen ab Mitte Oktober kostenpflichtig werden, Messi wechselt zu Paris Saint-Germain und so weiter. Normale Nachrichtenroutine. Die Welt macht weiter, es gibt keinen Pause-Schalter.

Wie nah ist das 1,5-Grad-Limit?

Überraschend meldeten sich dann aber zwei IPCC-Autoren zu Wort. Sie widersprachen den Medienberichten, wonach die 1,5-Grad-Schwelle schon 2030 überschritten werde und dass dies zehn Jahre früher sei als zuvor angenommen.

Wörtlich steht das tatsächlich nicht im Bericht, indirekt schon. 2018, im IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel, hieß es, die Marke von 1,5 Grad werde zwischen 2030 und 2052 gerissen, nun wird von den nächsten 20 Jahren gesprochen; die Frist rückt also näher.

Verena Kern ist stellvertretende Chefredakteurin von Klimareporter°.

Die Diskrepanz, erläutert Fußnote 27 in der "Zusammenfassung für Entscheidungsträger" des neuen Berichts, komme zustande, weil nun mit anderen Szenarien gerechnet wurde als zuvor.

Die bisher verwendeten RCP-Szenarien (Representative Concentration Pathways), die sich auf die Treibhausgaskonzentration fokussierten, wurden durch SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways) ersetzt, die mögliche unterschiedliche Entwicklungen unserer Gesellschaften beschreiben. Berücksichtige man dies, so die Erläuterung, stimme die neue Prognose mit der von vor drei Jahren gut überein.

An den dramatischen Aussagen des Berichts ändert diese Detailfrage nichts.

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