Städte, die viele Kirchen haben, könnten künftig an Attraktivität gewinnen. Draußen 40 Grad im Schatten, drinnen wohltuende Kühle, lobt neuerdings die Evangelische Akademie Bad Boll die Klimawirkung von Kirchenbauten. Einige würden längst von Bürgerinnen und Bürgern als Anlaufstelle während der alljährlichen Hitzeperioden aufgesucht und fänden sich in digitalen Karten der "Kühlen Orte" wieder.

Die Zahl der Kirchen pro Stadt berücksichtigt der am Donnerstag veröffentlichte zweite Hitzecheck der Deutschen Umwelthilfe (noch) nicht. Gegenüber dem ersten Check aus dem letzten Jahr hat die DUH aber den Kriterienkatalog erweitert. Wurden 2024 bei der Bewertung der Städte nur das Maß an Bodenversiegelung und das Grünflächenvolumen berücksichtigt, kamen nun die Oberflächentemperatur und die Bevölkerungsdichte hinzu.

 

Daraus ergibt sich ein sogenannter Hitzebetroffenheitsindex (HBI). Um diesen zu bestimmen, wurden die bewohnten Flächen der Städte in 100 Quadratmeter große Raster unterteilt und anhand der vier Indikatoren bewertet. Wie stark ein urbanes Gebiet betroffen ist, ergibt sich dann daraus, wie sehr der HBI vom bundesweiten Mittel abweicht.

Zuletzt hatte der Deutsche Wetterdienst den Temperaturanstieg in Deutschland gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 2,5 Grad Celsius beziffert. In den urbanen Räumen kommt dabei in der Regel noch mindestens ein weiteres Grad hinzu. Von Stadt zu Stadt sind der Temperaturanstieg und seine Wirkung auf die Menschen – je nach Lage und örtlichen Verhältnissen – aber unterschiedlich. Das spiegelt der HBI letztlich wider.

Städte im Süden Deutschlands besonders stark betroffen

Erfasst vom DUH-Hitzecheck sind alle 190 Städte in Deutschland mit über 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Für den Fall "extremer Belastung" vergibt die DUH dabei symbolhaft eine "rote Karte", für durchschnittlich betroffene Gebiete eine "gelbe" und für weniger betroffene eine "grüne Karte".

In schlecht gedämmten Gebäuden kann eine Hitzewelle schnell zur akuten Gesundheitsgefahr werden. (Bild: Supmanaw Sibsi/​Shutterstock)

Von den 190 Städten erhalten dabei 31 Städte "Rot", 131 "Gelb" und nur 28 "Grün". Besonders betroffen sind, wie zu erwarten, Städte im Süden Deutschlands: Auf den ersten drei Plätzen liegen nacheinander Mannheim, Ludwigshafen und Worms. Dort leben um die 90 Prozent der Bevölkerung in stark belasteten Gebieten, ergab die Analyse.

In der Reihe folgen Rüsselsheim, Frankfurt am Main und Offenbach. Städte mit "grüner Karte" liegen vor allem im Norden, wie Kiel, Wilhelmshaven oder Flensburg. Sie profitierten von vergleichsweise moderaten Sommertemperaturen, schreibt die Umwelthilfe.

In Einwohnerzahlen gerechnet stellt sich die Hitze-Betroffenheit etwas anders dar. Da rechnete die Umwelthilfe in den 190 Städten alle "roten", "gelben" und "grünen" Gebiete jeweils zusammen. Danach leben von den insgesamt vom HBI erfassten 34 Millionen städtischen Einwohnern mehr als zwölf Millionen in mit "Rot" gekennzeichneten Gebieten.

"Städte müssen grüner werden"

Diese Leute seien an ihrem direkten Wohnort extremer Hitzebelastung ausgesetzt, denn es träfen hohe Temperaturen, dichte Versiegelung und zu wenig Grün zusammen, ergab die Untersuchung. Werden die mit "Rot" und "Gelb" gekennzeichneten städtischen Gebiete zusammengefasst, dann leben dort nach den Angaben 32 Millionen Menschen.

"Die Städte müssen grüner werden", fordert DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz angesichts der Ergebnisse. Das sei die Maßnahme, die tatsächlich für Verschattung, Abkühlung und saubere Luft sorgen könne.

Dabei gehe es der Umwelthilfe nicht um ein "Abwatschen" der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sondern um einen Weckruf an die Städte, dass gehandelt werden muss, so Metz weiter. Dass dabei Orte im Süden mit viel Industrie und versiegelten Böden schwierige Bedingungen haben, ist für Metz keine Entschuldigung, nichts zu tun.

Die Hitzebelastungs-Analyse der Umwelthilfe zeigt wie ähnliche Untersuchungen zuvor, dass sozial Benachteiligte stärker betroffen sind. Häufig sei das in Wohngebieten der Fall, in denen sehr viele Menschen auf engem Raum lebten. Das seien dann auch Quartiere, die nicht besonders begrünt sind, heißt es. Hitzebelastete Gebiete mit wenig Grün gibt es laut DUH aber auch in Städten, die noch über ihre historischen Stadtkerne verfügen.

Umwelthilfe fordert gesetzliche Vorgabe für Grünanteil

Aufgaben der Klimaanpassung gehören immer noch zu den freiwilligen Aufgaben der Kommunen. Hitzeschutz sei aber kein Nice-to-have mehr, betonte Barbara Metz. Die entsprechenden Maßnahmen bräuchten "mindestens die gleiche Priorisierung wie Wohnungsbau oder die Infrastruktur", sagte die DUH-Bundesgeschäftsführerin. Auch benötigten die Kommunen die notwendige finanzielle Unterstützung, um die Städte zur Verbesserung der Gesundheit ihrer Bevölkerung zu begrünen.

Bagger planieren ein Gelände, offenbar soll dort was gebaut werden. Im Hintergrund ein paar Bäume.
Wenn Städte neue Wohngebiete planen, wird häufig erst mal Grün zerstört. (Bild: Siggy Nowak/​Pixabay)

Die DUH plädiert hier inzwischen für gesetzlich verbindliche Vorgaben für Grünanteile für jedes Gebäude und Grundstück sowie für den öffentlichen Raum. Nötig sei ein Grünflächenfaktor im Bundesbaugesetz sowie in den Bauvorschriften der Länder, sagte Bundesgeschäftsführerin Metz.

Die Ergebnisse des Hitzechecks könnten auch die Kommunen für eine effektivere und sozial gerechtere Klimaanpassungspolitik nutzen, betonte Sascha Gey von der Luftbild Umwelt Planung GmbH, die die Untersuchungen mit durchführte. Damit liege Städten und Kommunen ein konkretes Planungswerkzeug vor, um sich gegen zunehmende Hitzeereignisse zu wappnen – und Maßnahmen dort umzusetzen, wo Bürgerinnen und Bürger sie am dringendsten brauchen, sagte Gey am Donnerstag.

Technischen Maßnahmen – etwa Klimaanlagen in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, wie sie verschiedentlich gefordert werden – steht die Umwelthilfe eher skeptisch gegenüber. Schon eine Begrünung des Schulhofs oder der Fassade könne für Verschattung und Abkühlung sorgen, sagt Barbara Metz. So ein Hitzeschutz von außen könne sogar wirksamer sein als Rollos an den Fenstern.

 

Metz hält es generell für problematisch, in Deutschland nun massenweise Klimaanlagen einzubauen, die dann auch Energie benötigen. Werde es trotz aller Maßnahmen immer noch zu heiß im Gebäude und sei eine Klimatisierung notwendig, sind für sie Wärmepumpen das Mittel der Wahl. Diese könnten nicht nur im Winter die Gebäude heizen, sondern auch im Sommer für deren Kühlung sorgen. Das sollte gerade im Neubau berücksichtigt werden und, wo es geht, auch im Bestand.

Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, ruft die Umwelthilfe Bürgerinnen und Bürger dazu auf, von ihrer Stadt direkt mehr Hitzeschutz einzufordern. Die Organisation hat dazu auf ihrer Website ein Online-Formular eingerichtet.

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