Ein Kind schaukelt.
Weniger arbeiten und sich mehr um die Kinder kümmern? Für viele Männer laut Studien bisher nicht attraktiv. (Foto: J. R. Whip/Pixabay)

In der Klimaschutzdebatte wird das Thema Arbeitszeit mehr oder weniger ignoriert. Aber kürzere Lohnarbeitszeiten sind von entscheidender Bedeutung, um den exzessiven Naturverbrauch zu bremsen.

Meistens scheitern Klimaschutzkonzepte, wenn sie die Arbeitslosigkeit eventuell erhöhen könnten. Selbst für den klimapolitisch unvertretbaren Braunkohletagebau sind sich Politiker nicht zu schade, auf die extrem wichtigen Arbeitsplätze hinzuweisen. Tatsächlich sind durch erneuerbare, dezentrale Energien und Energieeinspar-Investitionen wesentlich mehr Jobs entstanden.

Viele ökologisch schädliche Projekte werden mit dem Arbeitsplatzargument durchgesetzt, wie der Neu- und Ausbau von Gewerbeparks, Straßen, See- und Flughäfen, aber auch Flussvertiefungen.

Damit besonders klimaschädliche Produktionen schrumpfen können, sollten wir kürze Arbeitszeiten etablieren, um Jobverluste – etwa in der Autoindustrie – aufzufangen und den Konflikt "Umweltschutz versus Arbeitsplätze" zu entschärfen.

Und selbstverständlich gilt es zu vermeiden, dass weitere Arbeitsplätze in Wirtschaftszweigen "geschaffen" werden, die den Raubbau am Planeten beschleunigen. Stattdessen dürften nicht nur, sondern müssen in zukunftsfähigen, CO2-armen Branchen Jobs entstehen.

Weniger arbeiten, weniger verschwenden

Der arbeitsweltliche Wandel ist allerdings nicht nur für die Transformation der Industrie von Bedeutung. Es wäre ökologisch gesehen günstig, wenn ein nennenswerter Teil der Gesellschaft seine wöchentliche Lohnarbeit zugunsten pflichtenfreier Zeit verringert, beispielsweise auf durchschnittlich 32 Stunden – je nach Lebensphase mal mehr oder auch mal nur 20 Stunden.

Wenn die Menschen weniger Zeit mit der Erwerbsarbeit verbringen und damit auch weniger verdienen, kaufen sie auch weniger entbehrliche Produkte. Das verringert zugleich den Energie- und Ressourcenverbrauch. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Arbeitszeitverkürzungen das Konsumverhalten verändern und der Ressourcenverbrauch zurückgehen kann.

Balkendiagramm: Der Konsum nimmt mit dem Einkommen fast linear zu, und zwar in allen bereichen von Ernährung über Wohnen bis Freizeit.
Mehr Wohlstand heißt in der Regel mehr Umweltverbrauch: Konsumausgaben privater Haushalte nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen 2018. (Grafik: Umweltbundesamt; Quelle: Statistisches Bundesamt, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe)

So etwa eine Studie der US-amerikanischen Ökonomin Juliet Schor in verschiedenen OECD-Staaten. Ihr zufolge ist der ökologische Fußabdruck um so kleiner, je weniger Arbeitsstunden ein Erwerbstätiger leistet.

Auch David Rosnick und Mark Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research in Washington stellten fest: Mehr Arbeitsstunden schrauben in der Regel auch den Energieverbrauch in die Höhe. Entscheidend ist dabei das Einkommen.

Den Zusammenhang von Einkommen und Naturverbrauch untermauern zudem die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (siehe Grafik).

Mit dem Wohlstand wachsen klimaschädliche Emissionen. Fast alles wird größer und klimaschädlicher: Wohnungen, Häuser, Autos, Reiseentfernungen und damit auch der persönliche Fußabdruck.

Topverdiener haben beispielsweise nicht nur besonders große Wohnungen, sie können sich auch eine Zweitwohnung leisten oder darauf verzichten, eine Einliegerwohnung zu vermieten.

Worauf es im Leben ankommt

Wenn ich Studierende im Seminar bitte, einmal aufzuschreiben, was das Leben lebenswert macht, dann kommen innerhalb von zehn Minuten alle Gruppen zum gleichen Ergebnis: Freundschaften, Begegnung, Sport, Kultur, Gesundheit und Sicherheit. Geld und Besitz sind wichtig, aber nur als Basis.

Zig Untersuchungen zeigen: Unsere Lebensziele und Lebensträume sind in weiten Teilen immateriell. Der wichtigste Glücksfaktor: Sinnhaftigkeit. Menschen sind glücklich, wenn sie das Gefühl haben, etwas zu einem sinnvollen Projekt beitragen zu können. Dutzende repräsentative Befragungen erbringen dasselbe Resultat.

Michael Kopatz

ist Projektleiter im Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und hat das Konzept der Ökoroutine entwickelt. Sein jüngstes Buch "Wirtschaft ist mehr!" behandelt neue, umfassende Konzepte nachhaltiger regionaler Wirtschafts­förderung.

Menschen, die ihre Priorität auf Freundschaften, gesellschaftliches Engagement oder ähnliches gelegt hatten, sind überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Leben. Wer vor allem Geld und Karriere optimieren wollte, wurde mit den Jahren unzufriedener.

Hinzu kommt: Glück und Wohlbefinden sind nicht beliebig steigerungsfähig. In Deutschland wird die Frage "Wie glücklich bist du auf einer Skala von eins bis zehn?" seit den 1970er Jahren auf ungefähr gleichem Niveau beantwortet.

Der materielle Wohlstand hat sich seitdem verdreifacht, wir können uns dreimal so viele Dinge leisten, dreimal so viel verreisen. Was hat's gebracht? Die Reichen wurden noch reicher, so viel darf man festhalten. Inzwischen gibt es eine unfassbare Vermögensanhäufung. Doch selbst die Superreichen sind nicht glücklicher geworden.

Es scheint verrückt, die Menschen schuften, um zu shoppen. Warum tun wir uns das an? Warum muss alles immer mehr werden, immer größer, komfortabler, luxuriöser, schneller? Dieses Immer-mehr verbraucht extrem viele Ressourcen, wie etwa in der Zementindustrie.

Wir müssen Wege finden, diesen Trend zu stoppen. Die Ökonomen sind gefragt. Sie werden zeigen, unter welchen Bedingungen ein wirtschaftliches System tragfähig ist, welches das Wachstum von ökologisch und klimatisch schädlichen Branchen deckelt.

Auch nach der Krise: Kürzere Arbeitszeiten fördern

Um Unternehmen und Beschäftigte in der Krise zu unterstützen, hat der Bund mindestens zwölf Milliarden Euro in das Kurzarbeitergeld gepumpt. Statt massenhaft Kündigungen auszusprechen, konnten Betriebe wertvolle Arbeitskräfte halten, auch wenn es durch die Covid-Krise wenig zu tun gibt. Für die Zeit der Kurzarbeit erstattet die Arbeitsagentur einen Teil der Kosten des Entgelts für die Beschäftigten.

Zugleich hat die Covid-Krise das Homeoffice quasi über Nacht zur Normalität gemacht. Besonders Männer hatten bislang ein Problem damit. Die Technik steht bereits seit Jahrzehnten auch Laien zur Verfügung, man denke nur an Skype. Aber erst die Pandemie hat digitalen Meetings zum Durchbruch verholfen.

Nun zeigt sich, dass es geht. In vielen Berufen muss Mann nicht mehr von Montag bis Freitag ins Büro. Er kann auch mal zwei, drei Tage von zuhause arbeiten und nachmittags die Kids abholen. Weniger pendeln spart Zeit und ist gut fürs Klima.

Und wer jede Woche Tausende Kilometer beruflich unterwegs war, schätzt es vermutlich sehr, wenn Meetings jetzt häufiger per Video stattfinden. Weniger Reisezeit, weniger Stress, mehr Zeit für Freunde und Familie.

Zumindest kurzfristig hat sich die Arbeitskultur geändert. Nun sind Strategien gefragt, einen Rückfall zur Ausgangslage abzufangen. Etwa durch die Förderung von Coworking-Spaces, die Abschaffung der Pendlerpauschale und eine kluge Kombination von steuerlichen Anreizen, Arbeitszeitgesetzen und Kampagnen, damit kürzere Arbeitszeiten und Homeoffice allmählich zur Routine werden.

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