Angesichts weltweiter Krisen gerät – besonders in einigen westlichen Staaten – auch die Wissenschaft unter Druck. Missliebige Forschung soll abgeschafft und die Lehre eingeschränkt werden.
In dieser Lage müssen sich Wissenschaftler:innen ihrer Verantwortung für gesellschaftliche Diskurse stärker bewusst werden und sich gegen Versuche der Einmischung positionieren.
Der vielfach eingeschlagene Weg von Konfrontation, Ignoranz und Aufrüstung gefährdet nicht nur den Weltfrieden – er ist auch ein Angriff auf das Völkerrecht, die Demokratie offener Gesellschaften und auf das Verhältnis von Mensch und Natur.
Globale Probleme können nur gemeinsam gelöst werden, indem wir miteinander sprechen, einander zuhören und im Dialog ernsthaft nach Lösungen suchen. Erforderlich sind dabei ein verstärkter gesellschaftlicher und innerwissenschaftlicher Diskurs wie auch mehr internationaler Dialog im Rahmen der Wissenschaftsdiplomatie.
Der steigende Druck auf die Wissenschaft hat in einigen Ländern unterschiedliche Facetten: Wichtige Behörden werden abgeschafft, Personal wird entlassen, missliebige Forschungsprogramme werden unterbrochen, Forschungsdaten gelöscht sowie Forschungs- und Hochschulbudgets gekürzt.
Ein Ziel ist dabei, das Analysepotenzial der Wissenschaft zu beschädigen und Lösungen zu blockieren. Globale Risiken sollen durch die Beendigung der gesellschaftlichen Wächterfunktion der Wissenschaft "verschwinden". Aber ein Handeln gegen Naturgesetze kann dauerhaft nicht funktionieren.
Drängende globale Probleme werden zunehmend geleugnet
Dass dieser Trend international und auch in Deutschland Fuß fasst, steht zu befürchten. Angesichts geopolitischer Konflikte werden hierzulande vermehrt Stimmen laut, die fordern, Universitäten und große Forschungsinstitutionen sollten verstärkt militärische Forschung betreiben. Rüstungsforschung ist legitim, sollte aber außerhalb öffentlicher Forschung betrieben werden.
Zunehmend geleugnet werden auch existenzielle globale Probleme. Die rasante globale Erwärmung zerstört bereits heute die Lebensgrundlagen hunderter Millionen Menschen, vor allem auf der Südhalbkugel. Das betrifft gerade die Menschen, die kaum zur Erderwärmung beigetragen haben.
Wegen der zögerlichen Umsetzung geltender völkerrechtliche Verträge zur Begrenzung der globalen Erwärmung sind immer mehr Menschen in tropischen und subtropischen Regionen zur Migration gezwungen. Auch sind viele Arten und Ökosysteme gefährdet.
Eine vor allem von den Hauptemittenten geforderte "Pause" beim Klimaschutz stellt das Leben vieler Millionen Menschen infrage.
Der Verlust an Biodiversität ist eine nicht minder große Gefährdung der Menschheit. Das Verschwinden von mehr als einer Million Tier- und Pflanzenarten ist irreversibel. Weil damit unsere Lebensgrundlagen wie Nahrung, Wasser und Luft in Gefahr geraten, sind wir als Menschen existenziell betroffen. Auch der bisher nicht gebremste Verlust an Böden durch Überbauung oder durch Degradation verstärkt die Krise.
Ideologiefreie Dialoge können Konflikte lösen helfen
Gleichzeitig erleben wir neue Aufrüstungsrunden und ein Wiederaufleben nuklearen Wettrüstens zwischen den führenden Mächten. Es gibt ein erheblich gesteigertes Risiko, dass Atomwaffen entweder versehentlich oder vorsätzlich eingesetzt werden. Ein nuklearer Krieg kann in wenigen Stunden die Auslöschung der modernen Zivilisation herbeiführen.
Götz Neuneck
ist Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) der Universität Hamburg, wo er bis 2019 als Professor lehrte. Er war stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des IFSH und leitete den Masterstudiengang "Peace and Security Studies". Er ist Vorsitzender des Rates der Pugwash-Konferenzen, Pugwash-Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und Sprecher des Arbeitskreises Physik und Abrüstung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Seine aktuellen Schwerpunkte sind Rüstungskontrolle und Abrüstung, Nuklearwaffen und Nonproliferation, Raketenabwehr und Weltraumrüstung.
Zudem besteht die Gefahr, dass auch ein konventioneller Krieg in einer nuklearen Katastrophe unter der Beteiligung der Atommächte endet. Der Rüstungstrend kostet viele Ressourcen, die bereits jetzt an anderer Stelle fehlen.
An diesem kostspieligen und gefährlichen Konfrontationskurs darf sich die Wissenschaft nicht beteiligen, sondern sie muss ihre völkerverständigende Rolle beibehalten, stärken und Lösungswege aufzeigen.
Die Freiheit und Unabhängigkeit wissenschaftlichen Denkens sowie die Fortsetzung ideologiefreier Dialoge, vor allem über Grenzen der Nationalstaaten hinweg, sind essenziell, um zur Lösung komplexer Konflikte und der Zukunftsprobleme beizutragen.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft und auch die Wissenschaftler:innen selbst müssen schädliche Entwicklungen und Risiken frühzeitig erkennen, ihre Auswirkungen auf das Leben, die Gesundheit und die Menschenwürde sichtbar machen. Es gilt, dafür internationale Aufmerksamkeit zu schaffen und Wege aufzuzeigen, Gefahren zu minimieren oder abzuwenden.
Die Forscher:innen sind auch gefordert, sich mit der Bedeutung ihrer Arbeiten für Sicherheit und Frieden auseinanderzusetzen. Das gilt besonders für neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Cyber-, Bio- oder Quantentechnologien.
Nicht ideologisch instrumentalisieren lassen
Darüber hinaus müssen wir selbstkritisch anerkennen, dass auch innerhalb der Wissenschaft Fehlentwicklungen wie Lobbyismus und einseitige Auftragsforschung auftreten. Solche Tendenzen schwächen die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und untergraben das Potenzial, zur Lösung globaler Krisen beizutragen.
Angesichts neuer geopolitischer Rivalitäten sollten sich wissenschaftliche Institutionen und Wissenschaftler:innen nicht durch neue Feindbilder und ideologisch gefärbte Diskurse instrumentalisieren lassen.
Stattdessen gilt es, weiterhin im Rahmen von Wissenschaftsdiplomatie und persönlichem Austausch den Dialog mit allen Ländern und Fachkolleg:innen zu suchen und Lösungen für die globalen Herausforderungen zu erarbeiten.
Um globalen Asymmetrien entgegenzuwirken, müssen die wissenschaftlichen Kapazitäten im globalen Süden verbessert werden. Institutionen wie UN oder Unesco haben dazu einen verbindlichen Rechtsrahmen gesetzt und müssen auch durch wissenschaftliche Expertise gestärkt werden.
"Wissenschaft für Frieden, Verantwortung und globale Kooperation"
Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) hat am 16. Oktober das "Hamburger Manifest" veröffentlicht. Darin setzen sich führende Wissenschaftler:innen eindringlich für die Freiheit der Forschung, den Schutz der Lebensgrundlagen und eine verantwortungsvolle Wissenschaft im Dienste des Friedens ein. In einer Zeit globaler Krisen mahnt das Manifest einen Kurswechsel an: weg von Konfrontation und Aufrüstung, hin zu Dialog, Kooperation und wissenschaftlich fundierten Lösungen. 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben das Manifest bis Anfang Oktober unterzeichnet, darunter Edelgard Bulmahn, Ottmar Edenhofer, Hartmut Graßl, Peter Hennicke, Daniela Jacob, Mojib Latif, Götz Neuneck, Julian Nida-Rümelin, Elke Pahl-Weber und Ernst Ulrich von Weizsäcker.
Es geht weiterhin darum, die Freiheit der Wissenschaft verantwortungsvoll zu sichern, Klimaresilienz und Klimagerechtigkeit zu stärken und mithilfe der Diplomatie dazu beizutragen, internationale Konflikte zu lösen und Frieden, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie Vertrauensbildung möglich zu machen.
Daran muss sich auch die Wissenschaft verstärkt beteiligen, indem sie neue Brücken baut und internationale Kooperationen stärkt.
Besondere Verantwortung
In Deutschland ist die Freiheit der Wissenschaft verfassungsrechtlich verankert. Ihre Zukunft hängt aber davon ab, dass Forschende aufgrund ihres Wissens, ihrer Methoden und ihrer Unabhängigkeit ihre besondere Verantwortung über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus wahrnehmen. Wissenschaftler:innen sind besonders gefordert, ihren Einfluss zu nutzen, um auf Risiken aufmerksam zu machen.
Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) fordert eine verstärkte und offene Diskussion der Wissenschaft mit der Gesellschaft sowie die Sicherung einer unabhängigen und freien Wissenschaft und Lehre. Internationale Kooperationen müssen fortgeführt werden. Globale Probleme und mögliche Lösungen müssen innerhalb der Wissenschaft selbstkritisch diskutiert und die gesellschaftlichen Folgen berücksichtigt werden, gerade in Lehre und Forschung.
Weiter ist ein verstärkter Dialog mit den politischen Entscheider:innen auf Bundes- und Landesebene über sicherheits- und friedensrelevante Forschung erforderlich, ebenso eine klare Abgrenzung gegenüber wissenschaftlichem Lobbyismus und eine Stärkung von Transparenz und Integrität.
Die globalen Herausforderungen wie die menschenverursachte Klimaerwärmung, der Biodiversitätsverlust und die nuklearen Gefahren müssen systematischer Bestandteil von Lehre und Forschung sein.
Umweltkrise und Demokratie
Hartmut Graßl ist einer der bedeutendsten Klimaforscher unserer Zeit. Zu seinem 85. Geburtstag veranstaltet die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) am 25. September 2025 in Hamburg das interdisziplinäre und intergenerationelle Symposium "Von den Alpen bis zum Watt". Es geht um Themen, die Hartmut Graßl besonders bewegen: Ursachen und Folgen der Klimakrise, Verlust von Biodiversität – und wie eine gerechte sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Klimareporter°, zu dessen Herausgeberrat Graßl gehört, ist Medienpartner und begleitet das Symposium mit einer Beitragsserie.

Hier zitiert, für diejenigen, dies überlesen haben. Dann nachdenken, ob man weiterhin die Vorbereitungen dazu unterstützen will.
Es ist genau diese manichäische Denken, das uns in Teufels Küche bringt. Ausgelöscht werden bei einem Atomkrieg nicht nur die vermeintlich Bösen, sondern auch die vermeintlich Guten, also man selber.
Putin wird - formal zurecht, allerdings dekontextualisierend - ein völkerrechtlich verbotener Angriffskrieg vorgeworfen. Nun scheint Tronald drauf und dran, Venezuela anzugreifen. Falls ers tut würde es sich ebenfalls um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handeln, Venezuela hat die usa nicht angegriffen, auch sonst niemanden - ebensowenig wie damals Serbien, Vietnam... es gibt weitere Beispiele. Werden die westlichen Medien im Angriffsfall also entsprechend reagieren? Die Vergangenheit spricht dagegen.
Wer hat denn kürzlich mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht?
Aber was Ihre Frage anbelangt - die Russen sagen, dass sie bereit sind Atombomben einzusetzen, im Fall eines westlichen Angriffs auf Russland selbst. Heute hat der russische Geheimdienst behauptet - ich kann natürlich nicht einschätzen, obs stimmt, hoffentlich nicht - Frankreich habe die Absicht, 2'000 Soldaten in die Ukraine zu schicken, die gegenwärtig in Polen stationiert sind. Das wäre ein fataler Schritt in die Eskalation. In Caracas ist heute eine russische Frachtmaschine gelandet. Man kann sich vorstellen, was sie enthält. Dort ist noch kein Krieg ausgebrochen, aber offenbar bereiten sich alle darauf vor. Kritik daran höre ich von z. B. deutschen Medien nicht, weil man nichts gegen einen Regime Change dort hätte, wie auch nicht gegen viele vergangene, wie etwa derjenige in der Ukraine.
Es ist klar, wer international der Bully ist. Es mutet peinlich an, bei jeder Gelegenheit davon ablenken zu wollen. Schlimmer noch, der Westen kann sich seine übliche Aggressivität nicht mehr leisten, nicht militärisch, nicht ökonomisch und schon gar nicht ökologisch.
M. W. ist Russland das einzige Land - neben Nordkorea - , das kürzlich mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht hat. Diese Drohung wurde an Staaten ausgesprochen, die im Besitz von Atomwaffen sind und die Ukraine unterstützen wollen.
Die aggressive Rhetorik zusammen mit der bereits erfolgten massiven Aufrüstung Russlands macht mir Angst.
Darüber hinaus erinnere ich mich gut, dass ein Softwareproblem im russischen Verteidigungssektor uns haarscharf einen Atomkrieg beschert hätte: https://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow
Auch im Rahmen der Kuba-Krise ist die Welt haarscharf an einem Atomkrieg vorbeigegangen. Und auch in jenem Fall wird unterschlagen, dass die Russen erst nach der Stationierung von Raketen in der Türkei dasselbe auf Kuba taten. Vor der u.s.-amerikanischen Haustür, was die u.s.-Amerikaner untolerierbar fanden, während heute Russland die nato vor ihrer Haustür in der Ukraine, akzeptieren soll. Der beiderseitige Abzug entschärfte damals die Situation.