Klimareporter°: Herr Fischer-Wolfarth, der Erdüberlastungstag liegt seit etwa einem Jahrzehnt Anfang August, obwohl immer mehr Menschen auf der Welt leben und die globale Wirtschaft weiter wächst. Ist das ein gutes Zeichen?

Jan Fischer-Wolfarth: Die relative Stabilität des Erdüberlastungstages ist ein Hinweis darauf, dass erste Klimaschutzmaßnahmen zu greifen beginnen und das Bewusstsein für die Bedeutung der Ressourcenschonung wächst. Dennoch stabilisieren wir uns aktuell auf einem zu hohen Niveau der Übernutzung. Trotz aller Fortschritte sind daher weitere Maßnahmen notwendig, um unseren Ressourcenverbrauch tatsächlich zu senken und ein nachhaltiges Leben auf der Erde zu ermöglichen.

 

Was müsste geschehen, damit die Ressourcen, die die Erde zur Verfügung stellt, nicht übernutzt werden?

Wir müssen alternative Wege finden, unseren Energiebedarf zu decken. Dazu muss der Ausbau der Erneuerbaren weiter forciert werden. Zudem benötigen wir ausreichende Energiespeicher, um auch in Zeiten von Dunkelflauten eine sichere Energieversorgung gewährleisten zu können.

Gleichzeitig müssen wir vor allem die großen Verbraucher von fossilen Brennstoffen, etwa in den Bereichen Chemie, Stahl, Glas, Papier oder auch Zement, auf regenerative Energieträger umstellen. In diesem Transformationsprozess spielen technologische Innovationen eine zentrale Rolle, etwa bei der CO2-Speicherung oder in der Materialforschung.

Technologische Innovationen fallen aber nicht vom Himmel, sondern bedürfen guter Anreize und langfristiger Vorarbeit, etwa durch attraktive Studiengänge, erstklassige universitäre Forschung und gezielte Förderung von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Technologische Innovationen werden aber auch durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen gefördert. Ein zunehmend wichtiges Instrument ist hier beispielsweise der CO2-Emissionshandel.

Bild: Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

Jan Fischer-Wolfarth

ist Geschäfts­führer der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring. Der promovierte Physiker ist Experte für Zukunfts­technologien und die Digitalisierung der Mobilität. Seit 2010 unterstützt er als Gruppen­leiter für Elektronik und Digitalisierung bei der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH verschiedene Bundes­ministerien bei der Konzeption und Umsetzung innovativer Technologie­förder­programme.

Wer muss vorangehen – wir in den reichen Industrieländern oder China, das längst größter CO2-Emittent und starker Nutzer von Ressourcen ist?

Wir müssen gemeinsam den globalen Ressourcenverbrauch pro Kopf und insgesamt senken. Die Industrieländer können und müssen dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung. Sie verfügen neben etablierten Innovationsstrukturen auch über die entsprechenden finanziellen Mittel, um Innovationen voranzutreiben und zu skalieren.

Was kann ich als Einzelner tun, um meinen ökologischen Fußabdruck auf ein verträgliches Maß zu bringen? Die Deutschen verursachen zum Beispiel im Schnitt zehn Tonnen Treibhausgase pro Jahr, allenfalls zwei sind längerfristig tolerabel.

Im Alltag wird Klimaschutz oft auf individueller Ebene diskutiert. Das ist wichtig, weil es das gesellschaftliche Bewusstsein schärft. Dennoch brauchen wir vor allem politische Lösungen auf nationaler und internationaler Ebene, um die Klimakrise als globales Problem zu bewältigen.

Beispielsweise geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit den neuartigen Klimaschutzverträgen gerade einen innovativen Weg – ein Förderinstrument für die energieintensive Industrie, das frühzeitige Investitionen in klimafreundliche Produktionsverfahren ermöglicht und so die notwendige Transformation der Industrie beschleunigt.

Wissenschaft und Technik haben viele Lösungen für die Klima- und Ressourcenkrisen erarbeitet. Es dauert aber oft sehr lange, bis sie umgesetzt werden. Die Solarzelle zum Beispiel wurde 1954 erfunden, doch erst jetzt kommt der breite Durchbruch. Wie kann so etwas schneller gehen?

Generell benötigen Innovationen in erster Linie kluge Köpfe am richtigen Ort mit den entsprechenden Ressourcen. Eine andere Frage ist jedoch, wie Innovationen besser auf spezifische Probleme ausgerichtet und schneller in die breite Anwendung gebracht werden können.

Dazu ist eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Forschung wichtig. Mit der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring setzen wir uns dafür ein, herausragende Leistungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft sichtbar zu machen und zu würdigen. Forschungsgeist und Unternehmertum zusammen denken und zusammenbringen, das ist wichtig und in manchen Fällen ausschlaggebend.

Gibt es denn genügend Risikobereitschaft bei Investoren, um solche Innovationen in den Markt zu bringen? Was ist da zu tun?

Investoren in Europa sind oft weniger risikofreudig als in den USA. Dennoch gibt es vielversprechende Ansätze, wie verschiedene Akteure gemeinsam in Zukunftstechnologien investieren und dabei das Risiko minimieren können. Beispielsweise ist die französische Tibi-Initiative in dieser Hinsicht sehr erfolgreich und findet nun mit der WIN-Initiative ein deutsches Pendant.

Gleichzeitig wird das neue Förderinstrument der Klimaschutzverträge, das Investitionsrisiken minimiert, von Frankreich übernommen und voraussichtlich auch von anderen Staaten weltweit adaptiert, um die Transformation der Industrie zu beschleunigen.