Wer sich fragt, warum Klimaschutz selbst in Wahlkampfzeiten keine Rolle spielt, bekam dieser Tage einen Grund vorgeführt. Postete doch Klimaaktivistin Luisa Neubauer letzte Woche auf einer bekannten Plattform: Die Brände in Los Angeles seien das "ehrliche Titelfoto" für einen Wahlkampf, der bisher meine, die größte Krise des Jahrhunderts ausladen zu können. Dazu stellte Neubauer ein Bild eines brennenden Spielplatzes in der kalifornischen Stadt.
Das kommentierte auf derselben Plattform dann der Schweizer Moderator und Autor Jörg Kachelmann und behauptete, ein Waldbrand in Kalifornien eigne sich "am wenigsten als Symbol für die Klimakrise". Der Grund für die Brände, so Kachelmann weiter, liege meist bei Brandstiftern. Und bei einer Brandstiftung während der starken Santa-Ana-Winde sei es auch einerlei, ob es bis vor einer Woche geregnet habe, schrieb der Unternehmer in Sachen Meteorologie.
Leute, die Kachelmanns offensichtlich zusammengeklaubte Klima-Gedanken öfter lesen müssen, überrascht so ein Post nicht. Business as usual. Eine Story daraus strickte gemäß der Vorgabe – Medienbekannter kritisiert Klimaaktivistin – zuerst die Bild-Zeitung und stellte die Schlagzeile "Kachelmann zerlegt Neubauer wegen Feuer-Behauptung" darüber.
Schlagzeilen feuern gegen Neubauer
Damit hatte das Springer-Blatt den Ton vorgegeben. Neubauer bekomme "prominenten Gegenwind", oder Kachelmann habe sie "zurechtgewiesen", stand dann ziemlich schnell anderswo über den mehr oder weniger übernommenen Beiträgen. Geradezu brennend titelte ein Redakteur – oder war's die KI?: "Kachelmann feuert gegen Neubauer".
Keines der Medien, die die Story brachten, hat übrigens bei Neubauer angefragt, was sie selbst zu Kachelmanns Vorwurf zu sagen hat. Höchstens wurden noch Wortmeldungen von Klimaforschern auf der Plattform aufgegriffen, die Neubauers Position stützen. Die Wissenschaftler werden vermutlich auf Augenhöhe mit Kachelmann verortet, Neubauer nicht.

Hängen bleibt so am Ende bei den meisten das Narrativ: Klimaaktivistinnen machen gerade zu Wahlzeiten nur auf Alarmismus. Klimakrise? Alles nicht so schlimm!
Besonders ärgerlich dabei: Für die Medienleute wäre schon oft Gelegenheit gewesen, sich mit den Ursachen der häufigen schweren Brände in Kalifornien auseinanderzusetzen. Bereits im September 2024 waren um Los Angeles gewaltige Busch- und Waldbrände außer Kontrolle geraten. Gebäude und Autos verbrannten, Tausende verloren ihre Häuser. Die sogenannten "Monsterfeuer" hatten sich geradezu explosionsartig ausgebreitet.
Bereits bei diesen Bränden war eine längere Trockenheit auf eine zuvor reichlich gewachsene Vegetation getroffen – und gerade im Herbst fachen starke Winde einmal entstandene Feuer an.
Traditionell dauert die Feuersaison in Südkalifornien von Mai bis Oktober. Neuere Studien weisen aber darauf hin, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen und zugleich abnehmenden Niederschläge diese Feuersaison verlängern. In bestimmten Gebieten Kaliforniens gilt die Saison bereits als ganzjähriges Ereignis.
Auslöser jedes zweiten Waldbrands in Deutschland unbekannt
Auch in Deutschland leiden die Wälder unterm Klimawandel – im Sommer unter erhöhten Temperaturen und im Frühjahr, Sommer und Herbst unter geringer werdenden Niederschlägen. Brände entstehen auch hier bevorzugt bei hohen Lufttemperaturen nach langen Trockenphasen. Ist die Vegetation ausgedörrt, kommt es in Verbindung mit starken Winden auch eher zu den gefürchteten Flächenbränden.
Etwa tausend Waldbrände gibt es im Schnitt jedes Jahr in Deutschland. Sie treten, abhängig von Klima, Hydrologie und Waldart, regional unterschiedlich auf. Besonders brandgefährdet sind der Nordosten und der östliche Nordwesten Deutschlands sowie das Oberrheinische Tiefland.
Bei etwas mehr als der Hälfte aller Waldbrände in Deutschland (51 Prozent) konnte im Jahr 2023 laut dem Umweltbundesamt (UBA) keine Ursache ermittelt werden. Einen Anteil von 40 Prozent an allen Bränden haben nachgewiesenermaßen Brandstiftung und Fahrlässigkeit, so das UBA.
Bei Fahrlässigkeit spielen unvorsichtiges Verhalten von Waldbesuchern oder Campern eine Rolle sowie wirtschaftliche Aktivitäten im Agrar- und Forstbereich. Natürliche Ursachen wie Blitzschlag hatten in dem Jahr laut UBA nur 2,5 Prozent der Waldbrände verursacht – was aber auch klarstellt: Wälder können sich entzünden, ohne dass jemand zündelt.
Dass bei jedem zweiten Waldbrand der Auslöser nicht ermittelt werden konnte, lässt natürlich Raum für Spekulationen. Diese Gelegenheit wird von Klima-Trollen aller Art weidlich genutzt. Aber es greift eben zu kurz, die Schuld vor allem bei Brandstiftern zu suchen und den Klimawandel auszublenden.
Zwar hängt gerade bei Wäldern in der Nähe besiedelter Gebiete der Ausbruch von Bränden meist mit dem Menschen zusammen. Doch dabei geht es nicht nur um direktes Handeln wie Brandstiftung oder Fahrlässigkeit.
Auch Wälder fern menschlicher Siedlungen brennen stärker
Die Waldbrandgefahr erhöht sich auch schon dadurch, dass immer mehr Menschen Häuser im Übergangsbereich von Stadträndern und siedlungsnahen Waldgebieten errichten und Kommunen entsprechende Baugebiete ausweisen.
Zudem trocknet auch der Mensch die Landschaft aus: Feuchtgebiete wurden und werden entwässert und damit der Wasserhaushalt verändert. Auch brennen die in Deutschland oft noch anzutreffenden Forstmonokulturen aus Nadelbäumen viel schneller als ein naturnaher Laubwald.
Der Mensch vor allem ist es, der die Waldbrandgefahr immer mehr erhöht, indem er die Lebensgrundlagen der Wälder einengt und den Klimawandel anheizt.
Was für eine entscheidende Rolle der Klimawandel spielt, zeigt sich besonders in Wäldern, die weitab von menschlichen Siedlungen liegen. So stellt eine im vergangenen Oktober veröffentlichte Studie fest, dass Brände in den sogenannten borealen Nadelwäldern, die sich von Alaska über Kanada und Skandinavien bis nach Sibirien erstrecken, sowie in Laub- oder Laubmischwäldern der gemäßigten Breiten seit 2012 zusammen mehr CO2 freisetzen als Brände in Tropenwäldern.
Das globale Waldbrandgeschehen hat sich gemäß der im Fachjournal Science veröffentlichten Untersuchung im letzten Jahrzehnt nach Norden verlagert. Zurückzuführen sei diese Entwicklung auf den Klimawandel. Dieser, so die Studie, schaffe in den außerhalb der Tropen gelegenen Waldgebieten feuerbegünstigende Witterungsbedingungen – ein sogenanntes Feuerwetter mit anhaltend hohen Temperaturen, starken Winden und geringer Luftfeuchtigkeit. Also genau das Feuerwetter, das jetzt auch in Los Angeles die Brände immer wieder anfacht.
Fürs Klima sind das keine guten Nachrichten. Für Arthur Gessler von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigt die Entwicklung, dass die Wälder eine immer stärker verwundbare CO2-Senke werden und Wiederaufforstungen das zunehmende Feuerrisiko einzupreisen haben.
Der Waldökologe plädiert als Gegenmittel für mehr Klimaschutz, also vor allem CO2-Reduktion, aber auch für ein angepasstes Feuermanagement. Dazu gehören die Wiederherstellung von Feuchtgebieten wie Mooren, die Verwendung kontrollierter Feuer oder die gezielte Beweidung.
In Deutschland werden beim Umgang mit Landschaftsbränden in erster Linie technische Lösungen gesucht. Stattdessen sollte das Ziel sein, Wälder und Landschaften feuerresilient zu gestalten und ländliche Räume weltweit zu stärken. Das schrieb der Chef des Global Fire Monitoring Center in Freiburg, Johann Georg Goldammer, schon vor gut vier Jahren.
War in Politik und Medien davon jemals etwas zu hören?