"Adele in Munich" ist zu Ende. Das letzte Konzert des britischen Popstars ("Hello", "Rolling in the Deep", "Skyfall") in dieser Konzertserie in einem eigens für sie errichteten Stadion hat am vergangenen Samstagabend stattgefunden.
Es war spektakulär: zehnmal 74.000 Sitzplätze gefüllt, weltgrößte Outdoor-LED-Wand der Welt, über 90 Millionen Euro Produktionskosten, über eine halbe Milliarde Euro Umsatz durch die Fans in München.
Doch Klimaschützer hinterfragen das Konzept, eine zentrale Konzertserie zu spielen. Die CO2-Emissionen sind dabei deutlich höher. Das Adele-Modell sollte nicht Schule machen.
Taylor Swift, Coldplay, Deep Purple – und eben Adele. Die Top-Acts der Popmusik 2024 in München. Adele mit ihrer "Adele-World"-Arena sticht hier heraus, denn die Britin entschied sich, statt eine Tournee in verschiedenen Ländern zu machen, für eine Serie von zehn Konzerten in der Bayern-Metropole.
Auf den ersten Blick erscheint das Konzept sinnvoll, denn es vereinfacht vieles: weniger Reisen für die Künstler und ihre Crew, keine Transporte für das umfangreiche Equipment, kein wiederholter Auf- und Abbau.
Allerdings muss gegengerechnet werden, dass die Anreisewege der Fans im Schnitt deutlich länger werden. Tatsächlich hat "Adele in Munic" Fans aus der ganzen Welt in die bayerische Hauptstadt gelockt.
Ein Viertel des Publikums kam mit dem Flugzeug
Die Publikumsanreisen verursachen bis zu 80 Prozent der Gesamtemissionen eines Konzertes, wie Studien zeigen. Dass dies bei dem Adele-Konzept noch stärker in Gewicht fällt, war zu vermuten.
Daten dazu hat Julian Vogels von der Künstlerinitiative "Music Declares Emergency" zusammen mit anderen Aktivisten erhoben. Eine von ihm initiierte Umfrage unter gut 1.400 Konzertbesuchenden hat ergeben, dass 24 Prozent von ihnen per Flugzeug nach München gekommen waren und 92 Prozent dieser Reisenden auch speziell für das Event.
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Person lagen laut Vogels bei 41,1 Kilogramm, deutlich mehr als bei anderen Konzerten. Ein Beispiel zum Vergleich: Bei der Sommertournee 2023 der angesagten Band Annen-May-Kantereit, deren Fans freilich bei Weitem nicht so international wie die von Adele sind, waren es 12,4 Kilogramm.
Der Aktivist, ein Softwareentwickler in der Musikbranche und Gründer des Berliner Start-ups Crowd Impact, betont allerdings, dass Konzerte weiter stattfinden müssen. "Konzerte sind Orte des Austauschs, des gemeinsamen Erlebens. Das muss auch in Zeiten der Klimakrise möglich sein", meint Vogels.
Man müsse dabei allerdings möglichst sparsam mit den Umweltressourcen umgehen. Konzerte sollten achtsamer geplant und durchgeführt werden.
"Ich wünsche mir außerdem, dass Künstler:innen wie Adele ihren positiven Einfluss nutzen und ihre Fans motivieren, sich für das Klima einzusetzen. Das würde den ganzen negativen ökologischen Fußabdruck ausgleichen", meint Vogels, der auch Botschafter des "EU-Klimapakts" ist. Dieser Pakt ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die zivilgesellschaftliches Engagement im Klimaschutz fördert.
Der Co-Veranstalter der Adele-Shows, Marek Lieberberg, zeigte sich begeistert von dem Mega-Event. "Das war zukunftsweisend", sagte er danach und geriet ins Schwärmen: "Die Harmonie von Konzerten in einer nie gesehenen Visualisierung in einem epischen Pop-up-Colosseum mit einem unfassbar guten Open-Air-Sound, eingebettet in ein für die Adele-Fans geschaffenes Volksfest."
Vogels hingegen ist sich sicher: "Hätte Adele zum Beispiel in fünf großen europäischen Städten gespielt, hätte sich die durchschnittliche Anreiseentfernung deutlich reduziert und somit hätten auch deutlich weniger Menschen das klimaschädliche Flugzeug als Anreiseart gewählt."
Ökostrom, Jobtickets, Werbung für umweltfreundliche Anreise
Als Vorbild für relativ klimafreundliches Touren gilt die britische Pop- und Rockband Coldplay, die 2021 ankündigte, bei den Touren CO2-Neutralität anzupeilen. In den ersten beide Jahren ihrer 2022 gestarteten "Music of the Spheres"-Tour seien die direkten CO-Emissionen mit 59 Prozent sogar stärker reduziert worden als geplant, heißt es auf der Website der Band.
Mittel dazu sind: Ökostrom-Nutzung, wiederaufladbare Batterien für die Bühnenshows, Stromerzeugung durch die Fans durch Hüpfen auf einem kinetischen Boden oder durch Radelstationen vor der Bühne, das Pflanzen eines Baumes für jedes verkaufte Ticket. Außerdem wirbt Coldplay bei den Fans für eine möglichst klimafreundliche An- und Abreise.
Julian Vogels hat dafür viel Lob übrig. Für den Aktivisten ist Coldplay "ein Leuchtturmbeispiel" in Sachen grünes Touring. Er nahm die Band auch gegen Greenwashing-Vorwürfe in Schutz, sie habe mit einem Mineralölkonzern zusammengearbeitet. Vogels sagte, Coldplay habe das klar kommuniziert, und anders als viele andere tue die Band wirklich etwas.
Ein anderes, inländisches Beispiel für hohe Klimaschutz-Ambitionen ist das Stuttgarter Kammerorchester, das sich seit 2022 als "das erste klimaneutrale Orchester Deutschlands" bezeichnet. Der CO2-Fußabdruck wird nach den Angaben mit Maßnahmen wie Ökostrom, Fernwärme, Jobtickets oder Jobrädern gesenkt, hinzu kommen "Baumspenden" für den Stadtwald Herrenberg in der Nähe von Stuttgart – pro Tonne CO2 ein Baum. Zudem kann das Publikum an der Abendkasse seine Anreise per QR-Code kompensieren.
Auslandsreisen plant das traditionelle Reiseorchester bewusster. Komplett auf Flüge zu verzichten, sei keine Option, auch weil man auf die Einnahmen angewiesen sei, sagt Intendant Markus Korselt. Doch fliege man heute nicht mehr für vier Konzerte nach Südamerika und auch nicht für eines nach Mumbai oder Kathmandu. Für durchgeführte Reisen werde der CO2-Ausstoß kompensiert, auch wenn das keine optimale Lösung sei.
Adele und ihr Management können sich hier also noch einiges abschauen. Und die Muße dafür hätten sie wohl. Die Britin hat angekündigt, nach dem Mega-Event in München erstmal eine Auszeit zu nehmen, eine "große Pause".
Interview mit Komponist Bernhard König: "Wir verbrauchen mehr Energie für den Genuss von Musik als in 10.000 Jahren davor"