Verdichter, Rohre und andere oberirdische Anlagen des Gasspeichers Empelde.
Auch beim Kavernenspeicher in Empelde bei Hannover ist wenig mehr als Verdichter und Rohrleitungen zu besichtigen. (Foto: Gerd Fahrenhorst/​Wikimedia Commons)

Der Oktober meinte es schon mal gut mit den Gaskunden in Deutschland. Er war in diesem Jahr überdurchschnittlich warm und reduzierte so die Nachfrage nach gasförmiger Heizenergie. In der Folge sinken auch die Gaspreise.

Wer sich Ende Oktober für diesen Winter Erdgas bestellte, musste 50 bis 70 Prozent weniger bezahlen, verglichen mit dem Preis bei einer Bestellung Ende August für den diesjährigen Winter. Das schreibt Analyst Simon Göß im jüngsten Newsletter des Berliner Beratungsunternehmens Energy Brainpool.

Als weitere Gründe für den Preisrückgang nennt Göß anhaltend hohe Gasimporte nach Europa, gut gefüllte Gasspeicher sowie einen Rückgang des Gasverbrauchs besonders in der europäischen Industrie um 30 Prozent.

Dennoch ist Erdgas noch immer um ein Mehrfaches teurer als vor der Energiekrise, betont Göß. Verglichen mit dem Vorjahr liegt die Preissteigerung bei fast 400 Prozent, gegenüber dem Jahresbeginn 2022 hat sich der Gaspreis verdoppelt.

Die wichtigste Frage, die die deutschen Gaskunden derzeit bewegt, ist, ob das Gas über den Winter langt – trotz hoher Speicherstände und anhaltender Importe und bei weiterem Totalausfall der Importe aus Russland.

Nach Angaben von Göß reichen die deutschen Gasspeicher im vollen Zustand für eine Versorgung im Winter über etwa zwei bis zweieinhalb Monate. Weitere Einsparungen und kontinuierliche Importe seien daher notwendig, um die Nachfrage in den kommenden Monaten Februar bis April zu decken.

Dabei hänge der Gasverbrauch gerade bei den Nicht-Industrie-Kunden – also bei Haushalten und Gewerbe – stark von der Witterung ab, so Göß weiter. Ein nachvollziehbarer Zusammenhang: Je kälter die Außentemperatur, desto höher der Verbrauch.

Speicherbranche veröffentlicht Abschätzung 

Wie sich der Umstand, ob der Winter mild oder kalt wird, auf die Sicherheit der Gasversorgung auswirkt, hat sich der Gasspeicherverband Ines kürzlich genauer angeschaut. Als Basis für die Abschätzung wählte der Verband, in dem 14 deutsche Gasspeicherbetreiber organisiert sind, drei unterschiedliche EU-Wetterjahre.

Als "normales" Jahr fungiert dabei das Jahr 2016, als im Januar die Durchschnittstemperatur bei 0,2 Grad lag. In einem solchen Jahr würden im März, zum Ende der Winterzeit, die Gasspeicher in Deutschland laut Ines zwar ihren tiefsten Stand erreichen, aber immer noch zu 27 Prozent gefüllt sein. Eine sogenannte Gasmangellage träte den Winter über nicht ein.

Anders sieht die Prognose für einen sehr kalten Winter aus. Dafür nahm Ines das Jahr 2010 als Referenzjahr. Damals sanken im Januar die Durchschnittstemperaturen unter minus vier Grad. In der heutigen Situation hieße das: Im Januar wären die Gasspeicher schon ziemlich leer.

Im Februar fehlten dann acht Milliarden und im März zehn Milliarden Kilowattstunden Gas, um den Bedarf zu decken. An einzelnen Tagen könnte dann etwa ein Fünftel des deutschen Gasbedarfs nicht gedeckt werden, erläuterte Sebastian Bleschke von der Ines-Geschäftsführung.

Es versteht sich von selbst, dass bei einem noch milderen Verlauf des Winters als in einem "normalen" Jahr die Versorgungsprobleme weiter deutlich abnehmen. Kommt ein "warmer" Winter wie 2020, wären die Gasspeicher sogar schon im Juni 2023 wieder zu 100 Prozent gefüllt.

Aber selbst bei einem sehr kalten Winter wie 2010 würde es gelingen, die deutschen Gasspeicher bis zum Oktober 2023 fast wieder vollzubekommen. Jetzt schon die Panik für den Jahreswechsel 2023/​2024 auszurufen, ist aus Sicht der Speicherbetreiber unangebracht.

Gasmangellage "sehr unwahrscheinlich"

Fazit von Bleschke: Treten in Europa in den nächsten Monaten keine extrem niedrigen Temperaturen auf, kommt Deutschland gut durch diesen Winter. Gasmangellagen könnten zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden, seien aber angesichts aktueller Wetterprognosen "sehr unwahrscheinlich", betont der Ines-Geschäftsführer.

Der Speicherverband rechnet damit, dass das meiste Gas für Deutschland dann aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden kommt. Auch würden einige der Flüssigerdgas-Terminals vor den deutschen Küsten in Betrieb gehen. Russisches Gas werde zwar durch die Pipelines über die Ukraine und über die Türkei nach Europa geliefert werden, aber in den südosteuropäischen Ländern verbleiben und Deutschland nicht erreichen.

Weil der Gasverbrauch im Winter so stark temperaturabhängig ist, wirkt sich nach Auskunft des Speicherverbandes auch ein größerer Einsatz deutscher Gaskraftwerke nicht entscheidend auf die Verfügbarkeit von Erdgas aus. Die Gasanlagen müssten vor allem dann mehr Strom erzeugen, wenn die Probleme mit den französischen Atomkraftwerken nicht gelöst werden können.

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