Ein gelber Bagger steht vor einem halb abgerissenen Plattenbau.
Abreißen und neu bauen ist so ziemlich das Gegenteil von Klimaschutz. (Foto: Michael Gaida/​Pixabay)

Der große Umbau braucht einen Turbo, denn es bleiben nur gut 20 Jahre: Der Bereich Gebäude, bekanntermaßen neben dem Verkehr der größte CO2- und Ressourcensünder, muss, wie alle anderen Sektoren, bis 2045 klimaneutral werden. So schreibt es das Klimaschutzgesetz vor, das der Bundestag 2021 verschärft hat.

Ein ohnehin schwieriger Job, da die energetische Sanierung der Altgebäude bisher zu langsam verläuft. Erschwerend kommt hinzu: Es werden viele neue Wohnungen gebraucht, die zusätzlich Energie und Rohstoffe erfordern – wenn in der Baupolitik nicht radial umgedacht wird.

Doch hier gibt es Möglichkeiten, die neuerdings verstärkt in die Debatte kommen: weg von Neubauten auf der grünen Wiese, hin zu Umnutzung und Erweiterung des Gebäudebestands. Und: mehr Bauen mit Holz statt mit Steinen, Beton und Stahl.

Die Ampel-Bundesregierung hat das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben. Doch das wird bei Weitem nicht erreicht. Im Jahr 2022 wurden rund 280.000 gebaut, dieses Jahr dürften es gut 240.000 sein.

Unter dem Gesichtspunkt von Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz könnte man das positiv sehen. Das verbietet sich aber aus zwei Gründen. Erstens wächst der "Öko-Fußabdruck" des Sektors ja trotzdem weiter an, nur etwas weniger stark.

Und zweitens führt eine verringerte Bautätigkeit bei unvermindertem Druck auf den Wohnungsmarkt zu noch höheren Mieten, vor allem in den Ballungsgebieten. Das verschärft die sozialen Probleme.

Flächenverbrauch herunterfahren

Wie aber lassen sich mehr bezahlbare Wohnungen schaffen, ohne dabei Umwelt und Klima unnötig zu schaden? Die wichtigste Stellschraube hierfür ist, den vorhandenen Gebäudebestand wo immer möglich zu erhalten oder ihn sinnvoll umzubauen und umzunutzen.

Das jedenfalls hat die "Kommission Nachhaltiges Bauen", die am Umweltbundesamt (UBA) angesiedelt ist, in einem aktuellen Positionspapier festgehalten. Damit ließen sich CO2-Emissionen und unnötig hohe Rohstoffverbräuche am einfachsten vermeiden, argumentieren die Fachleute.

UBA⁠-Präsident Dirk Messner warnte, ohne diese Umorientierung würden "wir unsere Klima- und Ressourcenschutzziele im Gebäudesektor krachend verfehlen". Die Vorschläge der Kommission wurden jetzt an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) überreicht.

Lemke begrüßte die Vorschläge. "Vielen Menschen im Land ist noch nicht klar, was für eine große Aufgabe vor uns liegt", sagte sie und meinte damit unter anderem die Senkung des Flächenverbrauchs. Im Jahr 2020 wurden deutschlandweit immer noch rund 54 Hektar pro Tag für neue Häuser, Straßen und andere Infrastruktur verbraucht.

Ziel ist laut Bundesregierung eine Absenkung bis 2030 auf 30 und bis 2050 auf null Hektar. Neue Siedlungen wären dann nur noch möglich, wenn andernorts versiegelte Fläche renaturiert wird. Neuer Wohnraum solle in erster Linie in Innenstädten und auf Siedlungsbrachen entstehen, meinte Lemke.

Zudem sollten Solardächer und Fassadenbegrünungen zur Regel werden, um Energie zu gewinnen und die Sommertemperaturen in den Städten zu senken. In manchen Regionen werde es bei Hitzewellen zum Beispiel für ältere Menschen schon regelrecht gefährlich.

Nur mit weniger Autos

Wie sich auch die Stadtplanung ändern muss, um die Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, machte der Co-Chef der UBA-Kommission, Matthias Lerm, deutlich. Nötig sei ein neues Leitbild der "dreifachen Innenentwicklung" mit den Säulen: kompaktes Bauen, gesundes Stadtgrün und nachhaltige Mobilität.

"Wenn heutige Parkplatzhöfe wieder zu Hausgärten werden, muss dies einhergehen mit passenden Mobilitätsalternativen, also einem erweiterten ÖPNV- und Sharing-Angebot sowie zusätzlichen Fahrradstraßen und Fußgängerflächen", sagte Lerm, der Leiter des Stadtplanungsamtes Magdeburg ist.

Und: Wenn künftig kompakt und flächensparend gebaut werde, müssten von vornherein auch "intensiv nutzbare Spielplätze und klimawirksame Grünzüge" eingeplant werden.

Bauministerin Geywitz betonte bei der Übergabe des Gutachtens, Bauen und Klimaschutz sollten immer zusammen und auch mit Blick auf die sozialen Auswirkungen gedacht werden. Würde jetzt auf Klimastandards verzichtet, sei das wegen der hohen Energiekosten "schon auf kurze Sicht unrentabel" und schade nachfolgenden Generationen, sagte sie.

Bei der Bewertung von Umbau und Neubau dürfe man nicht nur auf den laufenden Energieverbrauch etwa für Heizen, Warmwasserbereitung oder Kühlung schauen. Vielmehr brauche es eine "Lebenszyklusbetrachtung, die die gesamte Treibhausgasbilanz in den Blick nimmt".

In einer solchen Gesamtbilanz schneiden das Umbauen und Umnutzen bestehender Gebäude deutlich besser ab als das Neu-Bauen, weil Bauteile wie Mauern und Decken eingespart werden, die sonst erst energieintensiv hergestellt werden müssten.

Holz statt Beton

Bei Neubauten wiederum haben Gebäude, die ganz oder überwiegend aus Holz hergestellt werden, einen großen Vorteil. Sie punkten mit einem in doppelten "Plus". Holz muss erstens, anders als Bausteine oder Beton, nicht in CO2-intensiven Prozessen hergestellt werden.

Zweitens sind im Holz große Mengen Kohlendioxid gespeichert, die beim Wachstum der Bäume aus der Atmosphäre entnommen wurden. Die Technologie ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass auch Mehrfamilien- und Hochhäuser damit errichtet werden können.

Bauordnungen hinken hinterher

Um die Klimaemissionen und den Rohstoffverbrauch beim Bau zu senken, empfiehlt die "Kommission Nachhaltiges Bauen" des Umweltbundesamtes, die deutsche Musterbauordnung und die Landesbauordnungen anzupassen. Sie sollten künftig unter anderem Ressourcenschonung und den Vorrang des Erhalts von Bestandsgebäuden vor dem Neubau vorsehen. Auch Fördermöglichkeiten für besonders ökologische Baustoffe wären dort zu verankern, ebenso reduzierte Mindestabstände für Photovoltaikanlagen auf Dächern.

Die Förderung des Bauens mit Holz soll denn auch in diesem Jahr einen Push bekommen – von Bund und EU. So haben Geywitz und Bundesagagrarminister Cem Özdemir (Grüne) für die Bundesregierung eine "Holzbau-Initiative" angekündigt.

Der Grüne sagte dazu: "Im Gebäudebereich ist der Holzbau bislang die einzige für die breite Anwendung verfügbare Technologie, mit der Kohlenstoff im Tragwerk und der Hülle von Gebäuden gespeichert werden kann." Gleichzeitig könnten endliche Ressourcen geschont und Materialien mit einer schlechteren Ökobilanz ersetzt werden.

Und auch die EU sieht hier große Potenziale. Schweden, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, sieht darin eine Chance, den "Green Deal" und das Ziel der Klimaneutralität der Europäischen Union auch im Bausektor zu erreichen. Es arbeitet an einer Strategie, wie der "Holzbau zur Verringerung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor" beitragen kann.

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