Erdwäme: Energie aus dem Boden - Arbeiter am Bohrgerät
Aus geothermischer Energie lässt sich Strom, Wärme oder Kälte ohne CO2-Emissionen erzeugen. (Foto: Bundesverband Wärmepumpe)

Seit fünf Jahren verpflichtet das Erneuerbare-Wärme-Gesetz Hausbesitzer:innen in Baden-Württemberg dazu, mehr Erneuerbare im Gebäudebestand zu nutzen. Seither müssen bei einem Heizungstausch oder einem nachträglichen Heizungseinbau 15 Prozent des Wärmebedarfs durch Erneuerbare gedeckt werden.

Auf Bundesebene hatte die Immobilienwirtschaft 2009 gegen eine entsprechende Vorgabe erfolgreich lobbyiert – sie gilt nur für Neubauten. 

Das Landesgesetz soll den Anteil der Erneuerbaren im Gebäudesektor erhöhen. Dass das Gesetz wirkt, hat dem baden-württembergischen Umweltministerium das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg (Ifeu) in einem Gutachten bescheinigt.

Demnach haben Wohngebäude, die unter das Gesetz fallen, neun bis 16 Prozent der Emissionen gespart – im Vergleich zur Situation vor dem Heizungstausch. Durch die Gesetzesvorgaben werden jährlich zwischen 110.000 und 170.000 Tonnen CO2-Äquivalent eingespart, rechnet das Ifeu vor.

Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg ist dennoch nicht zufrieden mit der Landesregierung. "Insbesondere das Wirtschaftsministerium verkennt die ökonomischen Chancen, die im Aufbau von Wärmenetzen, Wärmespeichern, großen Solarthermieanlagen und Biomasse-Heizkraftwerken liegen", kritisiert Verbandschef Jörg Dürr-Pucher.

Wenn die Landesregierung die Geschwindigkeit bei der Wärmewende nicht erhöhe, dauere es noch bis 2100, um die Klimaziele in dem Sektor zu erreichen.

Verband ruft "Woche der Wärme" aus

Auch auf Bundesebene gibt es aus Sicht der Erneuerbaren-Branche großen Nachholbedarf bei der Wärmewende. Zwar hat die große Koalition mit dem Klimaschutzgesetz, dem Brennstoffemissionshandelsgesetz und dem neuen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) vor allem in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode die Wärmewende weiter angeschoben, aber die Beschlüsse reichen bisher nicht, um die CO2-Emissionen des Sektors merklich zu mindern. 

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) fordert die Politik auf, nachzusteuern und die Gesetze weiter zu verschärfen. Seine Kernforderungen für die Bundestagswahl 2021 hat der Verband am Montag zum Auftakt der "Woche der Wärme" vorgelegt.

Ein Instrumenten-Mix aus Ordnungsrecht, CO2-Preissignalen und Förderpolitik soll die Wärmewende in Schwung bringen. So sollen nach Vorschlag des BEE neben einem Verbot von alten Heizkesseln konkrete Zwischenziele für 2030 und 2040 für den Gebäudesektor verankert werden.

Auch die Nutzungspflicht für Erneuerbare – wie in Baden-Württemberg – soll gestärkt werden. "Die Nutzungspflicht kann umgangen werden, wenn das Gebäude ans lokale Wärmenetz angebunden wird", schlägt BEE-Präsidentin Simone Peter vor.

Erst zehn Prozent der Wärme kommen über Netze

Die Idee dahinter: Nachbarschaften sollen durch zentrale Systeme und gemeinsamen Einkauf ihre Energiekosten senken und so zugleich einen effizienteren Energieeinsatz ermöglichen.

Anders als beim Strom gibt es in vielen Kommunen keine lokalen Wärmenetze. Bislang werden in Deutschland nur rund zehn Prozent des Wärmebedarfs über Netze gedeckt – wobei circa 70 Prozent der Fernwärme in KWK-Anlagen erzeugt werden, die nach wie vor zum Großteil Kohle und Gas verfeuern.

Deshalb soll die Politik die Rahmenbedingungen für die Wärmenetze verbessern, unter anderen durch die Weiterentwicklung des KWK-Gesetzes zu einem Fernwärmegesetz mit konkreten Ausbaupfaden und einem Einspeisevorrang für erneuerbare Wärme sowie CO2-Grenzwerten.

Auch Martin Pehnt vom Ifeu, der an dem Regierungsgutachten über die Erneuerbaren-Nutzungspflicht beteiligt war, will für ganz Deutschland nicht allein auf dieses Instrument setzen. "Wenn es gelingt, einen wirklich ambitionierten CO2-Preis zu etablieren, dann ist die Notwendigkeit einer Nutzungspflicht geringer", sagt Pehnt.

Nur CO2-Preis über 90 Euro hilft Erneuerbaren

Doch der Einstiegspreis, den das Kabinett von ursprünglich zehn auf 25 Euro je Tonne CO2 hochgesetzt hat, ist noch zu zaghaft. Damit der CO2-Preis den Erneuerbaren in den Wärmemarkt hilft, müsste er dem Energieforscher zufolge eher zwischen 90 und 180 Euro pro Tonne liegen. Deshalb fordert der BEE einen Mindestpreis für den nationalen Emissionshandel sowie die Aufhebung von Preisobergrenzen.

Seit Jahren stagniert der Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmebereich auf niedrigem Niveau. 2019 lag er bei 14,5 Prozent. Dabei entfällt mehr als die Hälfte des Energieendverbrauchs auf diesen Bereich.

Lange Zeit schien sogar das 2009 formulierte Ziel unerreichbar, den Erneuerbaren-Anteil im Wärmesektor bis 2020 auf 14 Prozent anzuheben. Auch wenn das Zwischenziel nun geschafft ist – es ist viel zu schwach, um bis Mitte des Jahrhunderts einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen.

Die Europäische Union könnte mehr Bewegung in die Wärmewende bringen. Nächste Woche will sie ihr Strategiepapier zur "Renovation Wave" vorlegen. Die "Sanierungswelle" soll den Modernisierungsstau im Gebäudebestand auflösen und den Anteil der Erneuerbaren im Gebäudesektor erhöhen.

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