Reflektivitätsmessung an einem Parabolrinnenkollektor auf der Plataforma Solar de Almería
Reflektivitätsmessung an einem Parabolrinnenkollektor, rechts im Hintergrund der Cesa-I-Solarturm auf der Plataforma Solar de Almería. (Foto: DLR)

In Almería in Südspanien testet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seit mehreren Jahren neue Technologien für Solarkraftwerke, zum Beispiel für den Wärmetransport. Bei einem Projekt sind zwei große, Gasometern ähnliche Behälter mit einer Salzschmelze gefüllt. Im ersten Behälter ist das flüssige Salz 200 Grad Celsius heiß, im zweiten 400 Grad. Das Aufheizen von 200 auf 400 Grad übernimmt Thermoöl, das sich seinerseits in großen Parabolspiegeln die nötige Energie von der Sonne holt.

Soll nun Strom erzeugt werden, fließt die 400-Grad-Schmelze in einen Wärmetauscher und erhitzt dort Wasser. Der unter hohem Druck stehende Wasserdampf treibt dann ganz konventionell Turbine und Stromgenerator an. Die Schmelze selbst kühlt sich auf 200 Grad ab, fließt in den ersten Behälter zurück. Der Kreislauf kann neu beginnen.

Die vorgeschaltete Solarthermie sorgt dafür, dass der so produzierte Strom klimaneutral ist. Auch Kohlekraftwerke erzeugen ihren Strom letztlich nur aus hoch konzentrierter Wärme – allerdings wird diese durch CO2-intensive Verbrennung bereitgestellt. Würde man diese klimaschädliche Wärmeerzeugung durch eine "grüne" ersetzen, könnte man das Kraftwerk weitgehend dekarbonisiert weiterbetreiben und müsste den Standort nicht aus Klimaschutzgründen stilllegen. Das wäre dann eine Art sanfter Kohleausstieg.

Die Idee verfolgt den Forscher André Thess seit einiger Zeit. "Die Technik wie in Almería ist vorhanden und industriell erprobt und muss nur vom bereits existierenden Solarkraftwerk auf ein Kohlekraftwerk übertragen werden – das aber hat noch niemand gemacht."

Thess, Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart, hält die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf grüne Wärme weltweit für geboten. Denn noch immer werden neue Kohleanlagen gebaut. Derzeit sind 1.400 neue Anlagen in mehr als 50 Ländern in Planung, fand kürzlich die Umweltorganisation Urgewald heraus.

Umrüstung noch kaum erforscht

Viele Anlagen, die jetzt neu ans Netz gehen, werden das Jahr 2050 erleben – wenn die Welt sich nach den Erkenntnissen der Klimaforscher weitgehend CO2-neutral entwickeln muss. "Bis 2050 soll die Menschheit weg von der Kohleverstromung – in etwa 30 Jahren also. Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass sich weltweit Tausende von Kohlekraftwerken in der Zeit durch eine komplett neue Infrastruktur ersetzen lassen", beschreibt Thess das Dilemma.

Es wäre zwar möglich, alle Kohleanlagen einfach außer Betrieb zu setzen – das kann sich nach Ansicht des DLR-Forschers aber nur eine reiche Nation wie Deutschland leisten. "Länder wie Indien oder China, wo die Wirtschaftsleistung pro Kopf nur einen kleinen Teil der deutschen ausmacht, können das nicht machen, ohne ihre sozialen Errungenschaften der letzten Jahre infrage zu stellen", sagt Thess.

Deswegen stellt sich für den DLR-Forscher durchaus die Frage, wie sich die global noch auf Jahrzehnte existierende Kohlekraft dekarbonisieren lässt. Ein Weg wäre es, den Wirkungsgrad der Anlagen zu erhöhen. Das habe aber physikalische und finanzielle Grenzen, betont Thess.

Effektiver ließen sich seiner Überzeugung nach Kohlekraftwerke dekarbonisieren, indem man sie mit einer aus erneuerbaren Energien gespeisten Wärmeerzeugung ausstattet. Diese könne ihre Energie wie in Almería aus Solarthermie, aber auch aus mit Windkraft hergestelltem "grünem" Gas beziehen.

Der Forschungsbedarf für einen solchen Umbau fossiler Anlagen ist enorm. Thess zufolge kann heute noch niemand auf der Welt sagen, in welcher Größe und aus welchem Material ein Wärmespeicher in welchem Gebäudeteil eines konventionellen Kraftwerks einmal stehen wird.

RWE will flexiblere Kohleverstromung

Um das herauszubekommen, führt das DLR derzeit Gespräche mit dem Energiekonzern RWE über eine gemeinsame Machbarkeitsstudie, die die Realisierbarkeit und die technischen Parameter eines Umbaus von Kohlekraftwerken zu Wärmespeicherkraftwerken erkunden und evaluieren soll.

RWE gibt sich auf die Frage nach der Studie eher zugeknöpft. Die Gespräche mit dem DLR seien "intensiv" – aber einen Termin, wann es mit der Studie losgeht, könne man nicht nennen, erklärt ein Unternehmenssprecher.

Aus Sicht des Konzerns geht es bei der Studie auch nicht um eine solarthermische Lösung wie in Almería, sondern darum, ein Kohlekraftwerk um eine Wärmespeicheranlage zu erweitern. Das Kraftwerk könne dann wahlweise als Kohle- oder Wärmespeicherkraftwerk oder als Kombination von beiden betrieben werden, erläutert der RWE-Sprecher. Der Wärmespeicher soll dabei mit überschüssigem Ökostrom aus dem Netz geladen werden – oder mit Strom aus dem Kraftwerksblock selbst.

Die letztere Variante hätte offensichtlich mit Dekarbonisierung wenig zu tun, dennoch hat die Idee, per "grüner" Feuerung dem Kohle-Ausstieg ein technologisches Schnippchen zu schlagen, die Strombranche elektrisiert. Der Vorschlag fand sogar Eingang in den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Man wolle prüfen, heißt es dort, "inwieweit zukünftig nicht mehr benötigte Kraftwerksstandorte für große thermische Speicher-Kraftwerke genutzt werden können".

Das kürzlich verabschiedete 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung widmet sich ebenfalls der Nutzung bestehender Kraftwerke für große und effiziente Stromspeicher sowie für große thermische Energiespeicher, wie eine Sprecherin des Bundesforschungsministeriums auf Anfrage mitteilt. Auch aus Sicht des Ministeriums kommen für den Umbau fossiler Kraftwerke vor allem Technologien infrage, die Ökostrom in Wärme verwandeln, beispielsweise mithilfe eines großen "Tauchsieders" oder mit Wärmepumpen – und eher nicht die solarthermische Variante.

Hohe Umwandlungsverluste

An dem Konzept hat der Energieforscher Veit Bürger vom Freiburger Öko-Institut große Zweifel, gerade wenn die erneuerbare Wärme mithilfe von Wind- oder Solarstrom und per "Tauchsieder-Prinzip" erzeugt wird. "Aus Ökostrom Wärme und Dampf und daraus wieder Strom zu machen – und am Ende der Kette kommt nur halb so viel Strom heraus, wie ich vorher reingesteckt habe – das macht keinen Sinn", betont Bürger. Dazu kommt: Je länger die Wärme zwischengespeichert wird, desto höher sind die Verluste.

Die Umwandlungsverluste sind für den Energieexperten eher zu rechtfertigen, wenn es darum ginge, die Stromerzeugung hierzulande flexibler zu gestalten, indem zum Beispiel überschüssiger Windstrom auf diese Weise gespeichert wird. "Das ist dann aber nur ein Weg, um ein erneuerbares Stromsystem flexibler zu gestalten. Dann konkurriert der stromgespeiste Wärmespeicher mit anderen Speicherlösungen wie Batterien oder Pumpspeicherwerken", sagt Bürger.

Im Umbau der Kohle- in "grüne" Wärmespeicherkraftwerke sieht DLR-Forscher Thess auch keinen generellen "Rettungsanker" für die hiesige Kohlebranche. Vielmehr ist es für ihn – wie für Bürger – eine weitere Option, um die schwankende erneuerbare Erzeugung in Regelenergie zu transformieren.

Hintertür für Kohlekraftwerks-Neubau?

Öko-Instituts-Experte Bürger warnt hier seinerseits: Es müsse ausgeschlossen werden, dass ein externer Wärmspeicher Kohlekraftwerke deutlich flexibler und konkurrenzfähiger macht. In dem Fall bräuchte es eigentlich auch den Umweg über den Strom nicht, sondern man könnte – was RWE wohl auch vorhat – einfach einen Teil der Verbrennungswärme abzweigen und damit den Wärmespeicher direkt füllen.

Eher aufgeschlossen zeigt sich Veit Bürger gegenüber der Idee, die nötige grüne Wärme per Solarthermie zu erzeugen. "Sofern die örtlichen Bedingungen von der Sonneneinstrahlung her passen und am Standort zugleich Dampferzeuger und Turbinen eines fossilen Kraftwerks vorhanden sind, könnte das Konzept sinnvoll sein", meint er.

Auch DLR-Institutsdirektor Thess richtet seinen Blick eher global aus. Wenn dieses Konzept funktioniert, sei der nächste Schritt, sagt er, die Standorte in der Welt ausfindig zu machen, wo viel Kohle verstromt wird, wo aber auch in der Nähe viel Energie aus Wind- und Solarkraft gewonnen werden kann, mit deren Hilfe die Kraftwerke dann nach und nach wirklich dekarbonisiert werden können.

"Am Ende entscheiden aber nicht Wirkungsgrade oder Machbarkeit, sondern die Kosten über die Zukunft dieser Idee", stellt Thess klar. Bei einer wirksamen globalen CO2-Steuer würden die Chancen des Konzepts deutlich steigen.

Mehr als eine Nischenanwendung werde es aber nicht werden, schränkt Veit Bürger vom Ökoinstitut seinerseits ein. Zudem müsse man aufpassen, dass der Bau neuer Kohlekraftwerke künftig nicht damit gerechtfertigt wird, dass später die Wärmeerzeugung auf "grün" umgestellt werde. "Darauf zu bauen, ohne zu wissen, ob die Technik überhaupt funktioniert – das geht nicht."