Wohnen ist ein Grundrecht. Doch seit Jahren ist es damit schlecht bestellt. Wohnraum ist knapp, vor allem in den Großstädten, und die Mieten dort explodieren förmlich. Am meisten stiegen sie im letzten Jahrzehnt in Berlin, sie verdoppelten sich bei Erst- und Wiedervermietung im Schnitt von 8,10 auf 16,35 Euro, wie jüngst die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigte.

Aber auch woanders gab es saftige Steigerungen. Seit Jahren heißt die Losung in der Politik, um diesen Missstand zu beseitigen, neben einer mäßig wirksamen "Mietpreisbremse": Bauen, bauen, bauen.

 

Doch so, wie das gemeint ist, bringt es nicht den gewünschten Erfolg. Im Gegenteil, der Neubau-Markt ist in den letzten Jahren eingebrochen. Zudem sind die Projekte alles andere als nachhaltig, der Flächenverbrauch liegt weiter viel zu hoch.

Die Ampel-Bilanz in dem Bereich ist schlecht. Statt der im Koalitionsvertrag versprochenen 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr sank die tatsächliche Zahl Jahr um Jahr, und 2024 wird am Ende wohl nur die Hälfte erreicht werden. Der Wohnungs-Fehlbestand wird in Studien auf 500.000 bis 800.000 geschätzt.

Die besten Lösungen liegen jenseits des klassischen Neubaus

Das kann Parteien bei den anstehenden Neuwahlen auf die Füße fallen. Und so wird versucht, bei diesem wichtigen Thema Tatendrang zu demonstrieren, bis hinauf zu Bundeskanzler Scholz. Im November plädierte Scholz dafür, in Ballungszentren ganze neue Stadtteile auf der grünen Wiese zu bauen, "so wie in den siebziger Jahren".

Und gerade erst empfahl der SPD-Spitzenmann der Hauptstadt Berlin, das Tempelhofer Feld zu bebauen, das Areal des ehemaligen Innenstadtflughafens, "der da gewissermaßen ungenutzt rumliegt". Eine Bebauung dort wurde vor zehn Jahren per Volksentscheid verboten.

Auf dem Kölnberg
Olaf Scholz wünscht sich Neubausiedlungen mit Hochhäusern, während überall Gebäude zu wenig genutzt werden. (Bild: Alexander Sawin/​Wikimedia Commons)

Es ist ein Rückgriff auf Konzepte aus der Wirtschaftswunderzeit, die überholt schienen. Produziert wurden damals vielerorts Wohnmaschinen statt lebendiger Stadtviertel, und der Verbrauch von Böden für Gebäude und Straßen war immens.

Das Bauen ging zulasten von Agrarflächen und trug zur Krise der Biodiversität bei. Das zu wiederholen, wäre Unsinn. Vielmehr kommt es darauf an, andere Potenziale für mehr Wohnungen zu heben.

Gerade erst haben sechs Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis in einer Publikation gezeigt, dass die besten Lösungen für eine soziale und ökologische Wohnraum-Versorgung meist jenseits des klassischen Neubaus liegen, der wegen hoher Bodenpreise und Bauzinsen sowie extrem gestiegener Baukosten für viele kaum noch finanzierbar ist.

Die Potenziale im Gebäudebestand sind enorm. Bis zu 330.000 zusätzlichen Wohneinheiten pro Jahr könnten laut der Analyse mit Aufstockungen, Büro-zu-Wohnraum-Umwandlung, Aktivierung von Leerstand und Hausteilungen entstehen – und zwar meist schneller, kostengünstiger, klimafreundlicher und flächenschonender als beim klassischen Neubau.

 

Dass das nicht viel häufiger passiert, liegt an vielfältigen Hürden, von der kommunalen bis zur Bundesebene, vor allem auch im rechtlichen Bereich. Diese Barrieren endlich auf breiter Front abzubauen, könnte die Trendwende in der Wohnraumversorgung bringen – und die Bundesrepublik auch näher an ihr Ziel, den täglichen Flächenverbrauch bis 2030 von derzeit rund 50 auf unter 30 Hektar zu senken.

Joachim Wille ist Co-Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Eine solche Neuaufstellung im Bauwesen ist der Job für die nächste Bundesregierung, die von der Union geführt werden dürfte. Man darf gespannt sein, was sich davon in ihrem Wahlprogramm findet wird, das vor Weihnachten beschlossen werden soll.

Hohe Neubau-Zahlen zu proklamieren und dann von der Abwärtsdynamik überrollt zu werden, wie bei der Ampel gehabt, kann es ja nicht sein.