Mehrere gelbe Gasleitungs-Schilder an einem Pfahl in der Stadt Hof, im Hintergrund ein Plattenbau.
"Heizungsgesetz abschaffen" – am Ende schützt das womöglich weder die Kommunen noch das Klima. (Bild/​Ausschnitt: Panthera Leo/​Wikimedia Commons)

Unter den demokratischen Parteien, die in Regierungsverantwortung strebten, gab es bislang die begrenzende Sitte, dass populistische Attitüden in Wahlkampfzeiten zu Beginn der Koalitionsverhandlungen abgestreift werden. Im Koalitionsvertrag hatte dann zu stehen, was man wirklich will.

Diese rote Linie ist mit der Koalitionsvereinbarung für die aktuelle 21. Legislaturperiode geschleift worden. Was in dem Vertrag von CDU, CSU und SPD mit "Abschaffung des Heizungsgesetzes" gemeint ist, wissen vielleicht die Götter, aber sicher nicht die Koalitionäre. Ein "Heizungsgesetz" findet sich in keinem Bundesgesetzblatt. 

Das ist auch ein Problem für die Lobbyisten. Die sehen: Die Union gab im Wahlkampf vor, das Heizungsgesetz abschaffen zu wollen. Und tut es nun ausweislich der Koalitionsvereinbarung doch nicht.

Wortbruch gehört zum populistischen Geschäft, wie sich auf etlichen weiteren Themenfeldern in den ersten Wochen der Merz-Kanzlerschaft bestätigt hat. Das hat aber auch einen Vorteil für die Lobby: In die so entstandenen Lücken und Unbestimmtheiten kann sie mit eigenen Vorschlägen einbrechen.

Drei Sätze im Koalitionsvertrag

Schauen wir kurz zurück. Im Wahlkampf hatten sich CDU und CSU programmatisch darauf festgelegt, das Heizungsgesetz abschaffen zu wollen. Im Diskussionspapier Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie im Wahlprogramm hieß es gleichlautend: "Heizungsgesetz der Ampel zurücknehmen."

In der Koalitionsvereinbarung mit der SPD wurde zum "Heizungsgesetz" dann noch vollmundiger formuliert:

"Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden."

Letztlich wurde damit die Wortschöpfung einer Bild-Schlagzeile zur Formulierung des eigenen Vorhabens verwendet.

Wird allerdings im Koalitionsvertrag so unpräzise formuliert, dann bleiben die Bürger im Nebel. Er fragt sich, was nun eigentlich vorgesehen ist, ob die Partei, die mit dieser Abschaff-Parole für sich warb, überhaupt über alternative Optionen nachgedacht hat und welche positiven Vorstellungen sie hat.

Deswegen schauen nun alle, nachdem es eine zuständige Ministerin – übrigens mit einschlägigen Erfahrungen – gibt, gespannt darauf, wie die dürren Worthülsen mit Inhalt gefüllt und also interpretiert werden.

Die Sequenz von drei Sätzen in der Koalitionsvereinbarung ist dabei schon recht aufschlussreich.

Der erste Satz ist ein Zugeständnis der SPD, weil er die Programmatik von CDU und CSU im Wortlaut wiedergibt.

Satz zwei sagt rechtlich präzise, dass es um eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gehen soll.

Der dritte Satz macht eine zentrale Aussage. Um diese zu verstehen, braucht es aber noch Hintergrund.

Es geht nur um den Energieträger, nicht um die Heizung

Eigentlich besteht die Aufgabe des Gebäudeenergiegesetzes darin, ein Mindestmaß an energetischer Effizienz sowohl für die Gebäudekörper – unterschiedlich ehrgeizig für Neubau und Sanierung – als auch für die Heizungsanlagen zu sichern.

Den Bauherren muss so etwas rechtlich vorgeschrieben werden, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass diese die Energieeffizienz ihrer Gebäude sonst in aller Regel viel zu niedrig ansetzen – zum eigenen wirtschaftlichen Schaden. Das gilt für private wie für staatliche Investoren fast gleichermaßen.

Bild: Wuppertal Institut

Jochen Luhmann

studierte Mathematik, Volks­wirtschafts­lehre und Philosophie und promovierte in Gebäude­energie­ökonomie. Er war zehn Jahre als Chef­ökonom eines Ingenieur­unternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist im Beirat der Vereinigung Deutscher Wissen­schaftler und dort Mitglied der Studien­gruppe Europäische Sicherheit und Frieden.

Bis zur GEG-Novelle der Ampel-Regierung galt als Kriterium für die Effizienz allein die zum Heizen verbrauchte (Primär-)Energie. Mit ihrer Gesetzesänderung 2023 zielte die damalige Bundesregierung allerdings allein auf eine ergänzende Anforderung bei den Heizungen.

Lediglich für die Heizungen führte die Ampel einen Anteil von zugeführter Energie aus erneuerbaren Quellen als zusätzliches Kriterium ein.

Satz drei aus der Koalitionsvertrags-Passage zum Heizungsgesetz besagt nun: Die aktuelle Regierung will das Kriterium der Ampel durch ein neues ersetzen: den CO2-Ausstoß für die Wärmeversorgung von Gebäuden.

Der weitere Wortlaut besagt sogar, das neue Kriterium solle für das gesamte Gebäudeenergiegesetz gelten, also auch für die Gebäudehülle. Aber diese Interpretation kann man verwerfen, weil das mit der übergeordneten Gebäude-Richtlinie der EU im Widerspruch stünde.

Also kann – nach dem Vorbild der Ampel-Regelung – auch die kommende GEG-Novelle allein auf die Heizungen zielen und dort einen Kriterienwechsel vornehmen: weg von einem festgelegten Anteil von erneuerbaren Energien (derzeit 65 Prozent) und hin zu den CO2-Emissionen aus der Nutzung der zugeführten Energie.

Klar ist damit, auch wenn es ungesagt bleibt: Nach wie vor geht nicht wirklich um die Eigenschaften der Heizungsanlage selbst – vielmehr geht es um Eigenschaften des Endenergieträgers, der der Heizung zugeführt wird, meist über Leitungen. Die Heizung ist nur der (rechtliche) Anknüpfungspunkt.

Im Kern betreffen die Formulierungen im Koalitionsvertrag sowohl der Ampel als auch der aktuellen Regierung die Leitungsinfrastruktur und damit den Wettbewerb zwischen Elektrizität und gasförmigen Energieträgern zur Wärmeversorgung.

Die Gasversorger sehen sich auf dem absteigenden Ast, fürchten um ihre Existenz. Da entspinnt sich ein Lobbykampf, der mit harten Bandagen ausgetragen wird.

Eine Neuschöpfung, die einiges offenlässt

Die entscheidende Frage ist: Was wird sich mit dem neuen Kriterium der Höhe der CO2-Emissionen ändern, wenn zugleich am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 festgehalten wird?

Eine satirische Antwort wäre: Hausbesitzer könnten ihre Immobilie dann auch mit Kernenergie heizen. Doch will man nicht direkt mit Strom heizen, erfordert auch das wiederum eine Wärmepumpe. Das dürfte schwerlich der Sinn der Änderung sein.

Ernsthaft fragt sich jedoch, welche zusätzlichen Optionen der Kriterienwechsel von "erneuerbaren Quellen" zu "CO2-Emissionen" für Heizungsanlagen bringt.

An diesem Punkt führt das folgende Satzpaar aus der Koalitionsvereinbarung weiter:

"Wir erarbeiten einen Fahrplan für defossilisierte Energieträger. Dafür müssen Gasnetze erhalten bleiben, die für eine sichere Wärmeversorgung notwendig sind."

Das erste Stichwort lautet "defossilisierte Energieträger". Das ist kein eingeführter Fachausdruck, die Koalitionäre verwenden hier vielmehr eine Wortschöpfung aus dem vergangenen Jahr.

Dahinter könnten sich dekarbonisierte Energieträger aus fossilen Quellen verbergen, wie es die jüngste Bauministerkonferenz unter Tagesordnungspunkt 20a programmatisch für eine GEG-Novelle verlangte. Inhaltlich kann das im Prinzip zweierlei bedeuten:

Erstens: Dem zum Heizen gedachten Endenergieträger wird der Kohlenstoff-Anteil genommen. Dann kann sich beim Verbrennen nicht Sauerstoff an Kohlenstoff anlagern, eine CO2-Emission ist unmöglich. Das leistet Wasserstoff, dessen Verbrennung lediglich zu Wasser als Abprodukt führt.

Oder zweitens: Vor Ort wird sehr wohl ein Endenergieträger verwendet, der Kohlenstoff aus der Erdkruste enthält. Das beim Verbrennen entstehende CO2 wird dann aber anderswo kompensiert oder abgelagert, etwa durch CO2-Abscheidung und Verpressung im Untergrund (CCS), also wieder in der Erdkruste.

Die erste Option macht den Erdgasersatz "Wasserstoff" möglich, hergestellt auch mithilfe von Kernenergie oder aus fossilen Energien mit CCS. Letzteres ist zwar nicht "defossilisiert", aber frei von fossilem CO2.

Es versteht sich von selbst, dass die zweite Option mit CCS im dezentralen Endverbrauch, also in der Gebäudeheizung, faktisch unmöglich ist.

Energieministerin mit Stadtwerke-Hintergrund

Der Ansatz der neuen Energieministerin läuft aber gerade auf diese zweite Option hinaus. Die 20.000 Megawatt neuer Gaskraftwerke, von denen 5.000 bis 10.000 zum Jahresende ausgeschrieben werden sollen, stehen für eine zentrale Anwendung.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat nicht gesagt, dass die neuen Anlagen dauerhaft auf Erdgasbasis laufen sollen. "Gas" kann auch Wasserstoff sein. Da sie in ihrer Antrittsrede gleich nach den "Gaskraftwerken" über CCS gesprochen hat, lässt sich aber leicht ein anderes infrastrukturelles Ziel daraus ableiten: Erdgaskraftwerke mit direktem Pipeline-Anschluss zur Ableitung des CO2.

 

Das deutet an, dass die Zukunft der Gasinfrastruktur, der großen Transportleitungen und der kleinen Verteilleitungen – und die bilden ja einen Verbund –, auch für Ministerin Reiche im Zentrum steht.

Dagegen konnte man das "Heizungsgesetz" der Ampel als Programm einer weitgehenden "Abschaffung" der allermeisten Erdgasverteilnetze in den Kommunen verstehen.

Die nunmehrige "Abschaffung des Heizungsgesetzes" ist dann umgekehrt ein offensichtlicher Versuch der Rettung vieler Erdgasverteilnetze.

Erdgasverteilnetze sind weitgehend in kommunaler Hand, und die kommunalen Unternehmen der Daseinsvorsorge sind von der prospektiven Entwertung ihres Vermögens nicht sonderlich angetan. Diese sollen sie in Form der "kommunalen Wärmeplanung" auch noch selbst vollziehen.

 

Die neue Energieministerin war vorher Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) und hat anschließend Westenergie geleitet, eine Eon-Tochter, in der der Konzern mehr als 130 Beteiligungen an kommunalen Unternehmen gebündelt hatte. Westenergie hat überdies eine Tochter, die Strom- und Gasverteilnetze betreibt.

Diese beruflichen Engagements lassen sowohl eine hohe Kompetenz als auch eine spezielle Problemwahrnehmung der Wirtschaftsministerin bei der "Wärmewende" erwarten.

Es wird interessant sein zu sehen, inwieweit die Wirtschaftsministerin das Heizungsgesetz abschafft, um die Gasnetze zu retten – sofern das noch möglich ist.