Wärmebild eines ungedämmten und eines daneben stehenden gedämmten Hauses.
Nur gedämmt sind Häuser fit für das nächste Jahrzehnt. Die Technologien sind da, es fehlt die Politik. (Foto: Passivhaus Institut/Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Herr Bonde, wir sprachen über Digitalisierung. Mit dem "Smart Home", dem intelligenten Haus, das Heizung und Beleuchtung selbst steuert und mit Ökostrom per Wärmepumpe beheizt, verbinden sich viele Hoffnungen. Ist das die Lösung für den Gebäudebereich? Der ist ja ein weiteres Sorgenkind beim Klimaschutz.

Alexander Bonde: Man kann viel machen durch die Optimierung des Wärme- und Stromverbrauchs in den Häusern. Zum Beispiel die Heizung passgenau herunterregeln, wenn niemand zu Hause ist.

Letzten Endes wird man aber ohne eine gute Dämmung der Gebäude und gegebenenfalls die Nutzung von erneuerbaren Energien nicht hinkommen.

Hier hapert es noch gewaltig. Unsere Stiftung hat das Konzept von regionalen "Modernisierungs-Bündnissen" angestoßen. In 23 Städten und Kreisen werden die Hauseigentümer vor anstehenden Sanierungen kommunal über die richtigen Strategien beraten. Dieser Moment darf nicht verpasst werden, weil sonst der CO2-Ausstoß der Häuser durch mangelhafte Modernisierung auf Jahrzehnte zu hoch bleibt.

Was muss geschehen, um die Sanierung voranzubringen? Schon seit Jahren wird über die steuerliche Förderung geredet. Nichts passiert.

Es braucht mehr Anreize für die Hauseigentümer, die energetische Sanierung anzupacken. Sie ist der wirkliche Schlüssel zum Erfolg. Deshalb sollte auch die lang diskutierte steuerliche Absetzbarkeit geschaffen werden.

Wir in der DBU haben demonstriert, wie wirkungsvoll das Dämmen ist. Wir haben als Demonstration am Sitz unserer Stiftung in Osnabrück zwei Modellhäuser mit jeweils einem 200-Kilo-Eisblock aufgebaut, das eine gut, das andere schlecht gedämmt. Es war frappierend zu sehen, wie viel schneller der Block im ungedämmten Haus getaut ist – nach rund drei Wochen waren im gedämmten Haus noch 125 Kilo, im ungedämmten nur noch 17 Kilo Eis.

Porträtaufnahme von Alexander Bonde.
Foto: DBU

Zur Person

Alexander Bonde ist Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück. Der gebürtige Freiburger war bis 2016 Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. Davor war Bonde bis 2011 Bundestags­abgeordneter für die Grünen.

Bisher liegt die Häuser-Sanierungsquote bundesweit bei nur einem Prozent pro Jahr. Das müssen zwei Prozent oder mehr werden. Wir brauchen einen starken Impuls, damit die Besitzer die Chance ergreifen. Das ist lange überfällig.

Deutschland ist unter anderem durch solche Verzögerungen beim Klimaschutz vom Vorreiter zum Nachzügler geworden ...

... aber der Druck, die Kurve zu kriegen, wächst. Die Schülerstreiks von "Fridays for Future" machen den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft jeden Freitag klar: Die junge Generation erwartet, dass viel schneller und konsequenter gehandelt wird.

Das ist ein sehr ermutigendes Zeichen. Wir in der DBU sehen doch, wie viel Know-how zur Lösung des Klimaproblems schon da ist – und nur noch angewendet werden muss. Das ist eigentlich kein Hexenwerk.

Aber die Zeit wird extrem knapp. Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen weltweit halbiert werden, um das 1,5-Grad Limit aus dem Pariser Klimavertrag zu halten. Und Deutschland schafft nicht einmal sein Klimaziel für 2020.

Viele in der Politik haben viele dieser Fragen viel zu lange liegen lassen und viele Partikularinteressen haben sich lobbystark im Bremserhäuschen versammelt. Deswegen müssen wir jetzt die Wende innerhalb sehr kurzer Zeit hinbekommen. Das ist zwar machbar, denn die Technologien sind vorhanden. Nur muss jetzt alles viel schneller in die Umsetzung gebracht werden.

Hätte man die Warnungen vor dem Klimawandel, die seit den 1990er Jahren allgemein bekannt sind, wirklich ernst genommen, wäre die nötige Transformation längst auf gutem Weg. Nun brauchen wir eine Kraftanstrengung sondergleichen.

Und warum ist bisher so wenig geschehen?

Das Schwierige für viele ist: Mit dem Klimawandel haben wir ein Problem auf dem Tisch, bei dem es keine Verhandlungslösung gibt. Man kann mit dem Klima keinen Kompromiss schließen, bei dem jede Seite etwas nachgibt. Der Klimawandel läuft nach seinen Regeln ab, egal, ob wir das als Menschen gut finden oder nicht.

Das Politikmodell, bei dem über Streitpunkte verhandelt wird und man dann im Diskurs zu tragbaren Lösungen kommt, ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Aber im Umgang mit der Natur müssen wir erleben, dass die Natur hart und einseitig die Regeln setzt. Damit müssen wir umgehen.

Was heißt das?

Die Politik muss hier schnell umdenken. Es wird ja nicht für alle so schwierig sein wie für einen US-Präsidenten, der glaubt, das ganze Leben bestehe aus mehr oder minder schmutzigen Deals. Sie können mit einem Hurrikan nicht verhandeln und eine Überschwemmung nicht mit Überredungsversuchen aufhalten.

Das ist harte Naturwissenschaft. Den Klimawandel kann man nur mit schneller CO2-Einsparung noch in bewältigbaren Bereichen von 1,5 Grad Erwärmung halten.

Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews: "Auf den globalen CO2-Preis dürfen wir nicht warten"