Strawtec-Geschäftsführer Didier Sagashya mit einer Strohplatte
Strawtec-Geschäftsführer Didier Sagashya mit einer Strohplatte für Fertighäuser. (Foto: Sandra Kirchner)

Didier Sagashya hat sich keine leichte Aufgabe vorgenommen. Der Ingenieur aus Ruanda will den ostafrikanischen Markt mit Fertighäusern aus verdichtetem Stroh aufmischen. "Es ist schwierig", räumt Sagashya, Geschäftsführer des Bauunternehmens Strawtec Building Solutions, ein. "Die Leute sind einfach an Häuser aus Ziegelsteinen, Mörtel und Zement gewöhnt."

Trotzdem will Sagashya die Ruander für Bauten aus Stroh begeistern. Wegen der Fertigbauweise könnten die Häuser schnell und kostengünstig gebaut werden, wirbt er – und umweltfreundlich seien sie auch noch.

Bislang wurden zwei Schulen und ein Bürogebäude in Ruanda, Uganda und Kenia aus dem natürlichen Baustoff errichtet, in Kigali stehen auch Luxusapartments mit Strohwänden zum Verkauf. Der Bausektor in der ruandischen Hauptstadt blickt mit der Hoffnung auf üppige Gewinnmargen ohnehin nur auf die Oberschicht und auf internationale Käufer.

Der anhaltende Bauboom in Kigali trägt denn auch nicht dazu bei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zwar hat die Stadtverwaltung vor fünf Jahren einen ehrgeizigen Masterplan beschlossen, der aus der Millionenstadt ein modernes Dienstleistungszentrum machen und bezahlbare Wohnungen schaffen soll.

Doch nach wie vor entstehen vor allem Villen, Hochhäuser und Shopping-Malls. Damit nicht genug, werden einkommensschwächere Bevölkerungsschichten dafür kurzerhand aus der Innenstadt vertrieben, ihre Wohnviertel abgerissen.

24 Kilo Stroh für einen Quadratmeter

In diese Lücke will Sagashya mit den Stroh-Fertighäusern stoßen. Der Ingenieur sieht einen enormen Bedarf für bezahlbaren Wohnraum in Ruanda, denn die Baukosten sind vergleichsweise hoch. Wichtige Materialien wie Zement müssen importiert werden. Dagegen kommt das Stroh für die Wandplatten aus Ruanda.

Dazu hat das Bauunternehmen eine Vereinbarung mit dem Landwirtschaftsministerium getroffen, das dabei half, Bauern zu finden und auszubilden. Denn um Stroh zu Wänden verarbeiten zu können, müssen die Halme auf eine bestimmte Weise geerntet werden. Ein paar Cent erhalten die Bauern im Gegenzug für jedes gelieferte Kilo Stroh.

24 Kilogramm Stroh braucht das Unternehmen, das Teil der deutschen Strawtec-Gruppe ist, für eine Strohwand von einem Quadratmeter. Seit 2016 verarbeiten 70 Angestellte in einer Fabrik in Kigalis Sonderwirtschaftszone die Strohballen aus Weizen- oder Reishalmen zu Wandplatten.

Eine Strohplatte in der Maschine
Fertighäuser in Schnellbauweise: Weizenstroh wird stark verdichtet und erhitzt, dann mit Recyclingpapier ummantelt. Ein Leichtmetall-Rahmen sorgt für die Stabilität der Strohwand. (Foto: Sandra Kirchner)

Dafür wird das Stroh rund eine Stunde lang auf 190 bis 200 Grad erhitzt. "Das Stroh bildet eine Art Gelatine, wenn es erhitzt wird", erläutert Sagashya. Ohne Zusatz eines Bindemittels verkleben die Halme, während zusätzlicher Druck das Stroh verdichtet.

Anschließend werden die Strohpaneele mit recyceltem Karton überzogen. Es entsteht eine robuste, fast sechs Zentimeter starke Bauplatte, die auch als Boden oder Decke verwendet werden kann. Ein Alumiumrahmen dient als Trägerwerk für die Strohplatten, die zu Fertighäusern unterschiedlicher Größe zusammengesetzt werden können.

Eine vergleichende Analyse des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) bescheinigt dem Fertighaus aus Stroh eine hohe Klimaverträglichkeit. Demnach verursacht das Bauen mit Stroh im Gegensatz zu herkömmlichen Bauten aus Zementblöcken oder Ziegelsteinen nur wenige klimawirksame Treibhausgase.

Sogar negative Emissionen sind möglich

Werden die Strohwände nach ihrem Einsatz recycelt oder zur Energiegewinnung verbrannt, entstehen sogar negative Emissionen. Eine Strohwand könnte pro Quadratmeter theoretisch 22 Kilogramm CO₂-Äquivalent einsparen.

Dass die Metropolen der Welt klimaverträglich und nachhaltig umgestaltet werden müssen, fordert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem Gutachten zur fortschreitenden Urbanisierung. Drei von vier Menschen werden künftig in Städten leben, das Wachstum der Städte müsse deshalb in umweltverträgliche Bahnen gelenkt werden.

Eine Strohwand
Muss innen nicht verputzt oder tapeziert werden: Strohwand von Strawtec. Von außen schützt eine dünne Schicht Zement oder Metall die Strohwand vor der Witterung. (Foto: Sandra Kirchner)

Von gängigen Bauweisen und Infrastrukturmustern müsse man sich verabschieden, so die Regierungsberater, denn heutige Städte verbrauchten zu viele Ressourcen und erzeugten zu viele Treibhausgase.

Statt Zement und Stahlbeton empfiehlt das Gremium den Einsatz von umweltverträglicheren Materialien wie Holz und Lehm. Oder eben Stroh, wie es bei Strawtec zum Einsatz kommt.

Derzeit leben 1,3 Millionen Menschen in Kigali. Prognosen zufolge könnte sich die Zahl der Einwohner bis 2040 verdreifachen. Jährlich müssten in Kigali eigentlich 31.000 Wohneinheiten entstehen, rechnet eine Studie vor, die von der Stadt sowie dem ruandischen Infrastrukturministerium und der EU in Auftrag gegeben wurde.

Gebaut werden bislang nur knapp 1.000 Wohnungen pro Jahr. Ungefähr zwei Drittel der Einwohner Kigalis leben Schätzungen zufolge in sogenannten informellen Siedlungen. Angemessene Sanitäreinrichtungen oder Abfallentsorgung sind dort häufig ein Problem.

Die Recherche wurde von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen unterstützt.

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