Ein Windpark, eine Solar-Freiflächenanlage und Stromleitungen auf einem Feld.
Große deutsche Unternehmen fordern mehr Grünstrom. (Foto: Jens Ickler/​Elxeneize/​Shutterstock)

Der Klimaschutz ist eines der zentralen Themen bei den Sondierungsverhandlungen für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Berlin. Ein Vorstoß von 69 Konzernen machte am heutigen Montag deutlich, dass die Erwartungen dazu in der deutschen Wirtschaft hoch sind.

Die Unternehmen fordern von der neuen Regierung unter anderem einen massiven Ausbau von Wind- und Solarenergie – und einen Kohleausstieg "deutlich vor" 2038, wie derzeit noch geplant.

Die Konzerne, darunter Allianz, Deutsche Post, EnBW, Eon, Otto Group, Rewe und SAP, halten es für notwendig, dass die künftige Koalition innerhalb der ersten 100 Tage eine "Umsetzungsoffensive für Klimaneutralität" startet. Als Schwerpunkte nennen sie neben dem Ökostromausbau klimafreundliche Industrieanlagen und Verkehrsinfrastruktur sowie die energetische Gebäudesanierung.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze müsse "massiv beschleunigt werden", heißt es in dem Appell. "Bis 2030 müssen mindestens 70 Prozent des steigenden deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Die installierte Kapazität von Windkraft an Land und auf See sowie Photovoltaik muss dazu nahezu verdreifacht werden."

Derzeit liegt der Anteil der Ökoenergien am Stromverbrauch bei 45 Prozent. Das bisherige Ziel der Bundesregierung für 2030 lautet 65 Prozent. Es stammt aus dem Jahr 2018.

"Klimaneutralität zum Markenzeichen machen"

Initiatorin des Appells ist die Stiftung 2 Grad, die Klimaschutz in der Wirtschaft voranbringen will. Unter den beteiligten Unternehmen sind Vertreter aus allen relevanten Branchen und Schlüsselindustrien, darunter Grundstoff- und Chemieindustrie, Maschinen- und Fahrzeugbau, Finanzbranche sowie große Firmen aus den Bereichen Wohnen, Mobilität und Handel. Zusammen beschäftigen sie in Deutschland laut der Stiftung mehr als eine Million sowie weltweit über fünf Millionen Menschen und stehen für einen globalen Umsatz von etwa einer Billion Euro.

"Der Klimaschutz war bei der Bundestagswahl das wahlentscheidende Thema und muss von den Parteien bei der Bildung einer neuen Bundesregierung ganz oben auf die Agenda gesetzt werden", sagte Michael Otto, Stiftungspräsident und Aufsichtsratschef der Otto Group. Die neue Regierung müsse den Rahmen setzen, "damit wir als Unternehmer Klimaneutralität zum Markenzeichen der deutschen Wirtschaft machen können".

Neben den Veränderungen bei Strommix und Energieeffizienz legt die Initiative einen Schwerpunkt auf die CO2-Bepreisung als "klimapolitisches Leitinstrument". Deren Lenkungswirkung solle "deutlich erhöht" und am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ausgerichtet werden.

Am ambitioniertesten sind hier die Grünen, sie wollen den Satz bis 2023 auf 60 Euro anheben. Bisher werden bei Heizenergie und Sprit 25 Euro pro Tonne CO2 erhoben.

Laut der Stiftung sollten die eingenommenen Mittel im Gegenzug eingesetzt werden, um die soziale Ausgewogenheit zu wahren, Unternehmen und Verbraucher bei den Stromkosten zu entlasten und "Zukunftsprojekte" zu finanzieren.

Forscher mahnen wirksamen sozialen Ausgleich an

Für einen "breit angelegten Ausgleichsmechanismus" bei der CO2-Bepreisung plädierten unterdessen das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI Essen und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), um einkommensschwache Haushalte nicht überproportional zu belasten.

Die beste Lösung hierfür sei es, in der Einstiegsphase mit den Einnahmen zunächst die Steuern und Abgaben auf Strom zu reduzieren. Bei höheren CO2-Preisen sollten dann zusätzliche Einnahmen durch eine Pro-Kopf-Rückerstattung an die Bevölkerung zurückfließen.

"Ohne einen solchen Ausgleich könnte die Bepreisung langfristig soziale Sprengkraft bergen, da der CO2-Preis in den kommenden Jahren stark steigen muss, um die Klimaziele zu erreichen und Klimagefahren wirksam zu begrenzen", erklärten RWI und PIK am Montag.

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