Als größter Siemens-Einzelaktionär soll Blackrock dem Siemens-Vorstand die rote Karte für den Adani-Kohle-Deal in Australien zeigen, verlangt Greenpeace. (Foto: Bernd Hartung/​Greenpeace)

Der weltgrößte private Vermögensverwalter Blackrock ist jetzt bei antifossilen Protesten ein dankbarer Gegner, hatte doch Blackrock-Chef Larry Fink kürzlich in einem Brief mehr Nachhaltigkeit gefordert und angekündigt, die eigenen Anlagen künftig an Klimaschutz zu koppeln.

Blackrock hält derzeit über fünf Prozent der Siemens-Aktien und gilt als größter Einzelaktionär. Der Investmentriese müsse jetzt beweisen, dass er seine Forderungen nach mehr Klimaschutz und Transparenz bei Unternehmen, an denen er beteiligt ist, wirklich ernst meine, erklärte Volker Gaßner von Greenpeace am Montag. "In Zeiten der Klimakrise kann Blackrock nicht einen Vorstand entlasten, der sich an klimaschädlichen Projekten wie der Kohlemine in Australien beteiligt."

Nun – tatsächlich hat Blackrock in dem Schreiben nur angekündigt, sich von Anteilen dort zu trennen, wo Unternehmen mehr als ein Viertel ihres Umsatzes mit der Kohlegewinnung machen. Für die Prüfung lässt man sich bis Juni 2020 Zeit. Die Blackrock-Leute auf der Siemens-Hauptversammlung können sich in dem Punkt entspannt geben.

Immer klarer wird indes, dass die von Siemens zu liefernde Zugsignaltechnik nicht irgendeinem fossilen Projekt dienen soll – die auszubeutende Carmichael-Mine im nordostaustralischen Bundesstaat Queensland würde eine der größten der Welt sein, wie Greenpeace am Montag anlässlich der Blackrock-Aktion warnte. Das Verbrennen der geförderten Kohle würde nach Berechnungen des Umweltwissenschaftlers Chris Taylor zusätzlich mehr als 78 Millionen Tonnen CO2 im Jahr verursachen.

Nicht nur Greenpeace bezieht sich bei den Zahlen auf einen von Taylor bereits 2014 veröffentlichten "Joint Report". Praktisch stützen sich alle Adani-Gegner auf die damaligen Angaben von Taylor.

Allein die Emissionen der Carmichael-Mine selbst und der dort zugekauften Energie schlagen demnach jährlich mit rund 1,4 Millionen Tonnen CO2 zu Buche. Hinzu kommt der mit 77,4 Millionen Tonnen weitaus größere Posten, der durch den Transport der Kohle per Siemens-geleiteter Bahn und per Schiff ins Zielland Indien und vor allem durch die Verbrennung in dortigen Kohlekraftwerken entsteht. Zusammen sind das jährliche Emissionen von 78,8 Millionen Tonnen CO2.

Das entspricht ungefähr einer Fördermenge von etwas mehr als 30 Millionen Tonnen jährlich, nimmt man zur Umrechnung der Einfachheit halber an, dass jede Tonne der Adani-Kraftwerkskohle bei ihrer Verbrennung ähnlich wie entsprechend in Deutschland dafür eingesetzte Kohle rund 2,3 Tonnen CO2 emittiert. Im Report selbst findet man dazu keine Angaben, sondern nur, dass mit einer Laufzeit der Kohlegrube von 60 Jahren gerechnet wird.

Offenbar veraltete Zahlen

In einer Projektskizze von Adani selbst aus dem Jahr 2010 ist sogar von einer geplanten Laufzeit von 150 Jahren bei einer maximalen Kohleförderung von jährlich 60 Millionen Tonnen die Rede. Ab 2014, lauteten die damaligen Planungen, wollte man mit zwei Millionen Tonnen beginnen und acht Jahre später, 2022, die volle Kapazität erreichen.

Wohl keine Carmichael-Kohle für Deutschland

Weil in dem Adani-Projekt vor allem Steinkohle für Kraftwerke, sogenannte Kesselkohle, gefördert werden soll, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese Kohle in Deutschland landet. Aus Australien führte Deutschland 2018 rund 5,2 Millionen Tonnen Steinkohle ein. Das entsprach elf Prozent der gesamten deutschen Steinkohleimporte – allerdings handelte es sich ausschließlich um Kokskohle, die in der Metallurgie eingesetzt wird.

Die Kokskohle enthält mehr Kohlenstoff als Kesselkohle und ist nach Angaben des Umweltbundesamtes mit 2,8 Tonnen CO2 je Tonne Kohle entsprechend emissionsstärker als diese. Umgerechnet gehen somit um die 14 Millionen Tonnen der hiesigen CO2-Emissionen auf Importe australischer Kohle zurück – etwa anderthalb Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes.

Grundlage der absurden 150 Jahre Förderzeit sind offenbar die gesamten Kohlenressourcen in der Region von insgesamt 8,3 Milliarden Tonnen, wie auf der Website Enviromental Law Australia zu lesen ist. Erst später sei die Laufzeit der Carmichael-Mine auf 60 Jahre verkürzt und die Gesamtförderung auf 2,3 Milliarden Tonnen Kohle abgesenkt worden, heißt es dort weiter.

Die 2,3 Milliarden Tonnen passen aber nicht so ganz zu Angaben, wonach bei dem Adani-Projekt über 60 Jahre bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle jährlich gefördert werden sollten. Andere Quellen sprechen inzwischen davon, dass eine Förderung von jährlich maximal 30 Millionen Tonnen genehmigt sei. Und das australische Portal Australian Mining zitiert Adani selbst mit der Angabe, die Carmichael-Mine werde eine Jahreskapazität von zehn Millionen Tonnen haben.

Klar ist aber wohl, dass bei einem Emissionsfaktor für Kesselkohle von etwa 2,3 Tonnen CO2 je Tonne verbrannter Kohle die offenbar genehmigten 2,3 Milliarden Tonnen schon vollständig aus dem Boden geholt werden müssten, um auf die bis zu 4,7 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen zu kommen, die im Taylor-Report insgesamt für das Carmichael-Projekt veranschlagt werden.

Der Wissenschaftler selbst, der mittlerweile im britischen Leeds für den internationalen Ingenieurdienstleister WSP tätig sein soll, hat auf Nachfragen von Klimareporter°, wie er seine Zahlen heute bewertet, noch nicht geantwortet. Andere Studien, die die Emissionen aus der Carmichael-Mine bewerten, sind bis dato nicht bekannt.

Eine Neubewertung scheint jedoch angebracht, denn gegenüber den ursprünglichen Planungen ist schon ein Zeitverzug von mindestens einem Jahrzehnt eingetreten, in dem sich der globale Energiemarkt drastisch gewandelt hat.

Nicht das einzige fossile Siemens-Projekt

Ungeachtet dessen stellt die umstrittene Siemens-Lieferung für das Kohleprojekt bei Weitem nicht das einzige fossile Engagement des deutschen Konzerns dar. In Indonesien etwa ist Siemens, wie die Umweltorganisation Urgewald heute anprangerte, am Bau eines 2.000-Megawatt-Kohlekraftwerks beteiligt. In Ägypten stellte Siemens 2018 drei Gaskraftwerke mit zusammen 14.400 Megawatt Leistung fertig.

Insgesamt ist laut Urgewald der Umsatz der Siemens-Sparte "Gas and Power", die vor allem fossile Kraftwerke beliefert, fast doppelt so hoch wie der vom Windenergie-Bereich Gamesa. Auch Urgewald fordert Siemens auf, sich von Kohle, Gas und Öl zu verabschieden.