Der geflutete frühere Braunkohletagebau Grünhaus in der Niederlausitz.
Lausitzer Tagebaulandschaft: Nach der Kohle kommt die Rechnung. (Foto: Bodo Witzke/​Wikimedia Commons)

Der Umgang mit Wassermangel wird die Lausitz auf Jahrzehnte prägen. Das Wasser, das die Braunkohletagebaue jahrzehntelang aus dem Spree-Einzugsgebiet abgepumpt haben, fehlt jetzt.

Als Verursacher müsste deshalb der Stromkonzern Leag an den dauerhaften Kosten des Niedrigwassermanagements beteiligt werden.

Nun mehren sich aber die Versuche, die Folgen des Kohleabbaus zu Folgen des Kohleausstiegs umzudeuten.

Dabei geht es um Kosten in Milliardenhöhe, die zwischen den Steuerzahlern und dem Tagebaukonzern aufzuteilen sind. Dass die Leag dabei ein Interesse hat, die Aufteilung der Kosten zu kontrollieren und selbst möglichst billig wegzukommen – das ist zu erwarten.

Anfang Januar legte nun das Magazin Der Spiegel offen, dass das Umweltbundesamt ausgerechnet ein Konsortium aus Firmen, die regelmäßig für die Leag tätig sind, geführt von einer 100-prozentigen Leag-Tochterfirma, damit beauftragt hat, "den Umfang der nicht von den Tagebaubetreibern zu leistenden wasserwirtschaftlichen Maßnahmen zu ermitteln".

 

Tochterunternehmen und Geschäftspartner der Leag sollen also herausfinden, was die Leag und was die öffentliche Hand zahlen soll, um den Wasserhaushalt der Lausitz wiederherzustellen.

Das wäre vielleicht unproblematisch, wenn die vom Tagebau-Unternehmen Leag zu leistenden Maßnahmen längst festgelegt wären. Das aber ist nicht der Fall.

Tagebaue werden in Deutschland nach dem Salami-Prinzip genehmigt. Zunächst wird das Gesamtvorhaben mit einem Rahmenbetriebsplan abgesteckt. Das passierte für alle heutigen Leag-Tagebaue in der ersten Hälfte der 1990er Jahre – ohne jede Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltprüfung.

Der Kohleabbau selbst wird in Zweijahresscheiben über Hauptbetriebspläne zugelassen.

Die Folgen der großen Baggerei regeln erst zwei weitere Genehmigungen endgültig: Im Abschlussbetriebsplan und bei der Planfeststellung der folgenden Tagebauseen muss die Bergbehörde der Leag all die Auflagen erteilen, mit denen die Folgeschäden des Kohleabbaus vermieden oder wenigstens minimiert werden.

Für keinen der vier noch aktiven Leag-Tagebaue liegt eine dieser Genehmigungen bisher vor. Die Leag scheint diese auch nach Belieben verzögern zu können. So war drei Jahre vor dem Ende der Kohleförderung im Tagebau Jänschwalde noch immer kein Antrag für den Abschlussbetriebsplan eingereicht.

Zweifelhafte Mammutprojekte

Die von der Leag durchzuführenden Maßnahmen, um den Wasserhaushalt zu ordnen, sind also noch nicht bekannt.

Wenn nun Leag-nahe Gutachter in einer Studie für das Umweltbundesamt aufschreiben, welche Maßnahmen das so sein müssten, besteht zweifellos die Gefahr, dass der Bund freiwillig Kosten übernimmt, die die Bergbehörde eigentlich der Leag auferlegen müsste.

Zu lasche Auflagen der Bergbehörde könnten zudem gerichtlich überprüft werden. Wird aber die Entscheidung auf das jetzt vergebene Gutachten verlagert, droht der Rechtsweg praktisch wegzufallen. Die Leag dürfte also ein enormes Interesse haben, die Studie in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Dabei geht es nicht um Großprojekte, sondern um wahre Mammutvorhaben.

Um das Wasserdefizit in der Lausitz auszugleichen, wird das alte Konzept einer Überleitung von Wasser aus der Elbe ins Spreegebiet aufgewärmt. Diese Idee ließ der staatliche Bergbausanierer LMBV schon 2009 in einer Machbarkeitsstudie untersuchen, was nebenbei belegt, dass die Elbüberleitung sich nicht aus dem 2020 beschlossenen Kohleausstieg begründen lässt.

Im Umweltausschuss des Bundestages wurden Kosten von 500 Millionen Euro für das Elbwasser-Projekt genannt, die Machbarkeitsstudie selbst ist unter Verschluss.

Foto: privat

René Schuster

ist Sprecher der Umwelt­gruppe Cottbus und vertritt seit 1999 die Umwelt­verbände im Braunkohlen­ausschuss des Landes Brandenburg.

Die Elbwasserüberleitung würde der Leag ganz direkt nutzen, denn so stiege insbesondere die Chance, der Spree überhaupt Wasser entnehmen zu können, um die Restseen jetzt noch aktiver Leag-Tagebaue zu fluten.

Dass die Leag sich hier an den Kosten beteiligen würde, ist nicht bekannt. Umstritten ist zudem, ob die Elbe das Wasser überhaupt entbehren kann.

Ein zweites Beispiel: Die staatliche Bergbausanierungsgesellschaft LMBV plant mit Bundesgeldern eine unterirdische Dichtwand aus Ton rund um den ehemaligen Tagebau Lohsa II. Die Wand soll verhindern, dass chemisch verändertes Grundwasser in die Spree einsickert und den Fluss schädigt.

Die Notwendigkeit solch teurer Abdichtungen könnte künftig auch bei Tagebauen der Leag bestehen, mahnt das Aktionsbündnis Klare Spree. Die Kosten derartiger Bauwerke dürfte der Konzern bisher nicht einkalkuliert haben.

Schließlich wird das endgültige Auslaufen der vier noch aktiven Leag-Tagebaue selbst enorme Auswirkungen auf den Wasserhaushalt haben. Die im Zuge der Sanierung geplanten Tagebauseen stellen zusätzliche "Wasserzehrgebiete" dar, deren Wirkung über Jahrhunderte anhält.

Zwar sind die Löcher schon gebaggert und das Anlegen von Seen scheint kaum noch vermeidbar. Bei unabhängiger Betrachtung könnte aber herauskommen, dass möglichst wenig zu baggern und möglichst kleine Seen anzulegen der nachhaltigste Weg zur Begrenzung des Problems ist.

Karussell der Interessenkonflikte

Das vom Umweltbundesamt vergebene Gutachten ist kein Einzelfall. Seit Jahren schon beraten Gutachter der privaten Tagebaubetreiber auch die Behörden.

So ist es nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie verboten, den Zustand von Grund- und Oberflächengewässern zu verschlechtern. Braunkohlentagebaue verstoßen gegen dieses Verbot, denn sie pumpen Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr aus dem Untergrund.

Beantragt die Leag also eine neue Tagebaugenehmigung, kommt es darauf an, ob eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot der EU gemacht werden kann.

Beim Leag-Tagebau Nochten kommt aktuell zum Beispiel das Ingenieurbüro für Wasser und Boden Dr. Uhlmann – beauftragt von der Leag – zum Schluss, dass alle im Wasserhaushaltsgesetz aufgezählten Voraussetzungen für eine Ausnahme vorliegen.

Dazu gehört etwa, dass "alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern".

Was geeignet, durchführbar und angemessen ist, bestimmt der Stand der Technik. Was in dieser Frage Stand der Technik ist, bestimmt ein im Auftrag der Bundesländer erstelltes Hintergrundpapier.

 

Dieses Hintergrundpapier verfasste – das Ingenieurbüro für Wasser und Boden Dr. Uhlmann. Und aktualisierte es just zu der Zeit, als es gleichzeitig am "Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie" zum Tagebau Nochten schrieb – einem Teil des Antrags der Leag.

Das Büro Dr. Uhlmann beurteilt die Verträglichkeit von Braunkohletagebauen mit dem Gewässer- und Grundwasserschutz also zeitgleich für die Behörden und den Tagebaubetreiber. Auch an dem Konsortium für die nun vergebene UBA-Studie ist es beteiligt.

Bei der Modellierung des Wasserhaushaltes gibt es viele Annahmen und Stellschrauben, mit denen sich Ergebnisse beeinflussen lassen.

Um zu garantieren, dass keine interessengeleitete Einflussnahme stattfindet, müsste praktisch ein zweites Gutachterteam die Ergebnisse des ersten überprüfen. Besser vermeidet man Interessenkonflikte von vornherein.

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