Beim "One Planet Summit" vor zwei Jahren in Paris kündigte die Weltbank an, ab 2019 kein Geld mehr in die Öl- und Gasförderung zu stecken. Die Ankündigung wurde von Klimaschützern als "monumental" gefeiert. Das Klimaversprechen der wichtigsten Entwicklungsbank der Welt wurde als starkes Signal gedeutet: Hier übernimmt jemand "wirkliche Führung beim Klimaschutz".
Recherchen der Umweltorganisation Urgewald zeigen jedoch, dass die Weltbank weiterhin große Summen in fossile Projekte steckt – nun aber zumeist indirekt.
Jüngstes Beispiel ist Guyana. Vor der Atlantikküste des kleinen Landes im Norden Südamerikas sind in den letzten Jahren so viele Öl- und Gasvorkommen neu entdeckt worden wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr.
Nach Angaben von Urgewald könnten aus den Ölfeldern gut 13 Milliarden Barrel Öl und 900 Milliarden Kubikmeter Gas geholt werden. Das würde insgesamt zu CO2-Emissionen von 860 Millionen Tonnen beim Öl und 1,7 Milliarden Tonnen beim Gas führen.
Guyana würde damit zu einem der größten Ölproduzenten Lateinamerikas aufsteigen. Da Guyana nur knapp 800.000 Einwohner hat, wäre es dann das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen.
Damit Guyana die Ausbeutung der Reserven organisatorisch und administrativ stemmen kann, fördert die Weltbank das Projekt mit 50 Millionen US-Dollar. Das sei, argumentiert die Weltbank, reine "technische Hilfe". Damit werde keine Förderung von Öl und Gas finanziert.
Ausgebeutet werden die Ölfelder durch die beiden US-amerikanischen Ölkonzerne Exxon Mobil und Hess sowie durch den chinesischen Konzern CNOOC.
Nach Urgewald-Recherchen finanziert die Weltbank dabei auch die Dienste einer Rechtsberatungsfirma, die für Guyana die nötigen neuen Ölgesetze schreiben soll. Dieselbe Firma arbeitet auch für Exxon.
"Das ist ein klarer Interessenkonflikt", sagt die Urwald-Finanzexpertin Heike Mainhardt. "Nur für die Ölkonzerne ist das gut, nicht aber für die Bevölkerung von Guyana oder für das Klima."
Guyana wollte 100 Prozent Ökostrom
Im Februar hat ein Gericht in Guyana Klagen gegen das Projekt abgewiesen und den Ölkonzernen die Bohrung erlaubt – obwohl lediglich die Exxon-Tochter Esso die erforderliche Umweltgenehmigung vorweisen kann, während CNOOC und Hess keine entsprechende Genehmigung haben.
Dennoch erteilte der Richter die Bohrerlaubnis auf "Projektbasis", sodass die Genehmigung einer Firma für alle drei Firmen reicht. Die Kläger sind in Berufung gegangen.
Auch innenpolitisch führt das Mega-Ölprojekt zu Spannungen. Vergangene Woche fanden in dem Land Regional- und Parlamentswahlen statt. Dabei geht es auch um die Frage, wie mit dem künftigen Ölreichtum umgegangen werden soll und wer davon in welcher Form profitiert. Bis heute liegen keine Wahlergebnisse vor.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für dieses Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 30 Prozent, das Wirtschaftsnachrichtenportal Bloomberg sagte sogar 86 Prozent Wachstum voraus. Innerhalb der nächsten fünf Jahre könnte sich das Pro-Kopf-Einkommen laut IWF verdoppeln. Bislang ist Guyana eines der ärmsten Länder Lateinamerikas.
Allerdings ist keineswegs gesagt, dass der Ölreichtum auch tatsächlich in der breiten Bevölkerung ankommt. Viele Länder, die durch Öl reich geworden sind, sind in Korruption versunken oder, wie Guyanas Nachbarland Venezuela, in komplettem Chaos.
Wahrscheinlich ist, dass der lokale Ökotourismus-Sektor leiden wird. Auch die Tier- und Pflanzenwelt des tropischen Landes könnten durch mögliche Öllecks gefährdet werden.
Klimapolitisch hat die Geschichte etwas Tragisches. Guyana, das selbst stark von der Klimakrise bedroht ist, hat in seinem Beitrag zum Paris-Abkommen versprochen, seinen Ökostromanteil bis 2025 auf 100 Prozent zu erhöhen – falls dafür rechtzeitig und ausreichend finanzielle Hilfe kommt.
Um diese Hilfe hätte sich die Weltbank kümmern und damit ihr Versprechen von 2017 wahr machen können, sich für die Umsetzung des Paris-Abkommens starkzumachen. Nun hilft sie dabei mit, Guyana zu einem fossilen Land zu machen.
Die Entscheidung, das Ölprojekt in Guyana zu unterstützen, traf die Weltbank letztes Frühjahr. Deutschland, das vier Prozent der Stimmrechte hat, enthielt sich bei der Abstimmung.