Die Leipziger Energiebörse ist der größte Marktplatz für Emissionsberechtigungen in der EU. (Bild: EEX)

Wie hoch wird der CO2-Preis im neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sein, dem ETS 2, der 2027 starten soll? Das würden viele gern wissen. Eigentlich ist es leicht herauszufinden.

Man schlägt bei der Leipziger Energiebörse EEX die Seite Umweltprodukte auf. Dort findet sich für den ETS 2 ein Future-Kurs für den Dezember 2027. Am 24. Oktober stand der zum Beispiel bei rund 78 Euro für die Tonne CO2.

Die hätte jemand zu zahlen, der sich zwei Jahre im Voraus beispielsweise für Heizgas Emissionsrechte sichern will. Derzeit kostet das in Deutschland im nationalen Emissionshandel 55 Euro pro Tonne CO2.

Die CO2-Kosten reichen die Brennstoff-Lieferanten an die Verbraucher weiter. Laut dem Future-Preis wären Ende 2027 Kraftstoffe, Heizöl und Gas also deutlich teurer als heute.

Aber das ist noch nicht ausgemacht: Der Future-Preis dient dem Markt nur zur Orientierung. Es gibt noch keinen realen ETS‑2-Handel, weil die Zertifikate fehlen. 

Wie der konkrete Future-Preis dennoch zustande kommt, erläuterte EEX-Vorstandschef Peter Reitz kürzlich bei einem parlamentarischen Abend seiner Börse. Derzeit orientiere man sich beim ETS‑2-Preis noch an dem aktuell geltenden vom ETS 1, dem seit 20 Jahren etablierten Handel, bei dem sich fossile Energieerzeuger und energieintensive Industrien mit CO2-Emissionsrechten eindecken. Dort schwankt der Preis in diesem Jahr um die 70-Euro-Linie.

Auf den ETS‑1-Preis werde für den ETS 2 eine Risikoprämie aufgeschlagen – zum einen, weil die CO2-Vermeidungskosten in den Sektoren Verkehr und Gebäude höher sind, erläuterte der EEX-Chef.

Zum anderen, so Reitz weiter, gebe es noch viel politische Unsicherheit, ob und wann der neue Emissionshandel kommt und wie er konkret ausgestaltet wird.

Bei Verzicht auf Ordnungsrecht drohen sehr hohe CO2-Preise

Die politische Unsicherheit hält derzeit die europäische Politik auf Trab. Zieht man Studien zurate, bewegen sich die Prognosen für den CO2-Preis im neuen Emissionshandel im Bereich von 50 bis 300 Euro pro Tonne.

Die 300 drohten allerdings nur, wenn die EU im Klimaschutz ausschließlich auf den CO2-Preis setzt und auf Ordnungsrecht wie Flottengrenzwerte oder das Verbrenner-Aus 2035 verzichtet, erklärte Brigitte Knopf beim EEX-Abend.

Die Chefin des Thinktanks Zukunft Klima Sozial erwartet beim ETS 2 einen Startpreis von 50 bis 90 Euro. Bis 2030 werde der Preis auf 100 bis 160 Euro steigen, weil sich bereits jetzt künftige Knappheiten bei den verfügbaren Emissionsrechten abzeichneten, erläuterte Knopf.

Während hierzulande der CO2-Preis bereits bei 55 Euro liegt, droht in vielen EU-Ländern 2027 ein Preissprung bei Energie. Das sorgt seit Monaten für Unruhe, gerade in den Ländern mit einem CO2-Preis von null oder im sehr niedrigen Bereich – wie in Spanien, Belgien und Polen sowie allen weiteren osteuropäischen Mitgliedsstaaten. 

Im Sommer legten diese EU-Länder zusammen mit Österreich, Deutschland und Italien ein sogenanntes Non-Paper vor und warnten darin vor drohenden "Energiepreisschocks" durch den ETS 2.

Um diese zu verhindern, wurden in dem Papier ein besseres Preismonitoring sowie ein früherer Handelsstart schon Mitte 2026 verlangt. Haushalte, Unternehmen, Kraftstoffhändler und Behörden könnten sich dann sich besser auf das Inkrafttreten des Systems im Januar 2027 vorbereiten, hieß es.

EU-Kommission verspricht Bezahlbarkeit und Vorhersehbarkeit

Mittlerweile verfolgt Brüssel handfeste Pläne, um dem ETS 2 preislich den Zahn zu ziehen. So sollen aus der 600 Millionen Zertifikate umfassenden Markstabilitätsreserve schneller und häufiger Emissionsrechte entnommen und auf den Markt geworfen werden, damit der CO2-Preis die Marke von 45 Euro nicht überschreitet.

Inzwischen dämmerte der Politik auch: Der als Ausgleich gedachte Klimasozialfonds wird sich zwar aus den Einnahmen des ETS 2 speisen, zu dessen Start Anfang 2027 aber noch nicht gefüllt sein.

Steigt der Spritpreis, ist Klimaschutz nicht mehr super. (Bild: Jan von Nebenan/​Shutterstock)

Die Leute zahlen von Anfang an einen womöglich hohen CO2-Preis, bekommen eine Entlastung aber irgendwann später? Um dieses Problem zu lösen, soll bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eine sogenannte Finanzierungsfazilität geschaffen werden.

Die Bank finanziert damit quasi den Klimasozialfonds vor, aus dem dann in den EU-Ländern Klimainvestitionen, Sozialklimapläne oder Zuschüsse an den öffentlichen Verkehr unterstützt werden. Das Geld bekommt die EIB dann aus den ETS‑2-Einnahmen zurück. 

Inzwischen ist praktisch eine Reform des ETS 2 angelaufen. Die EU-Kommission sicherte dem Europäischen Parlament zu, den Emissionshandel gründlich zu überarbeiten. Den Auftrag dazu erteilte ihr letzte Woche auch der Europäische Rat, die Versammlung des Staats- und Regierungschefs.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra versprach, ab 2027 schneller mehr Zertifikate freizugeben. Die Kommission wolle dafür sorgen, dass die Preise bezahlbar und vorhersehbar bleiben, sicherte Hoekstra nach dem Treffen der Umweltminister vergangene Woche zu.

"Endlich sieht auch die Kommission ein, dass wir mit der aktuellen Gesetzeslage beim ETS 2 drohen, ins sozialpolitische Messer zu laufen", zeigte sich Tiemo Wölken von der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament zufrieden. Nach seinen Angaben soll die Preisbremse massiv gestärkt werden, indem doppelt so viele Zertifikate aus der Marktreserve freigegeben werden und dies auch öfter erfolgen kann.

Ohne echten Klimaschutz droht finanzielle und soziale Schieflage

Die sich abzeichnende Reform des ETS 2 hat allerdings ihren klimapolitischen Preis, verdeutlichte Brigitte Knopf beim EEX-Abend. Der massive Einsatz der Marktreserve werde den Klimaschutz schwächen und zur Folge haben, dass die Klimaziele nicht erreicht werden, sagte die Klimaforscherin.

Für Knopf ist ein mögliches "Absacken" des CO2-Preises unter 45 Euro auch finanzpolitisch ein schlechtes Signal. Mit den aktuellen 55 Euro spült der nationale Emissionshandel dieses Jahr um die 13 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Weniger Einnahmen für den KTF schmälerten wiederum die Möglichkeiten, die Dekarbonisierung voranzubringen und soziale Härten abzufedern, warnte Knopf.

Sie schätzt, dass Deutschland jährlich mit einer Milliarde Euro aus dem EU-Klimasozialfonds rechnen kann. Das sei zu wenig, um eine soziale Transformation für private Haushalte zu stemmen, betonte sie auf der Veranstaltung.

Deswegen müsse aus dem KTF zusätzlich Geld für soziale Maßnahmen bereitgestellt werden, forderte sie. Wie das aber bei absehbar geringeren Einnahmen mit einem niedrigeren CO2-Preis sowie den bekannten deutschen Haushaltsproblemen möglich sein soll, ist unklar.

 

Die Thinktank-Chefin wies in dem Zusammenhang auch auf die besondere Verantwortung Deutschlands für das Funktionieren des neuen Emissionshandels hin. "Was Deutschland macht, hat einen wahnsinnigen Effekt auf den CO2-Preis", erklärte Knopf.

Der Grund ist, kurz gesagt: Bei Verkehr und Gebäuden verantwortet Deutschland etwa ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen in der EU. Wenn Deutschland hier – wie derzeit prognostiziert – seine CO2-Ziele innerhalb der sogenannten EU‑Lastenteilung massiv verfehlt, sorgt das entscheidend für eine Verknappung der CO2-Zertifikate.

Die Folge: Entweder verteuern sich die Zertifikate massiv, was ganz Europa sozial belasten könnte – oder es werden zur Preisstützung massiv zusätzliche Zertifikate auf den Markt geworfen. Das würde dann die europäischen Klimaziele endgültig pulverisieren.

Welchen Preis der neue Emissionshandel für Deutschland und Europa haben wird, ist so nicht abzusehen. Den Future kennt noch niemand. Klar ist nur: Ohne ambitionierten Klimaschutz in Deutschland selbst wird der ETS 2 nicht funktionieren – und umgekehrt: Ohne einen ambitionierten Emissionshandel wird der Klimaschutz in Europa und in Deutschland nicht funktionieren.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Wider die "Energiewut"