Naturschützer protestieren gegen einen Vortrag des indischen Finanzministers Arun Jaitley an der Universität Melbourne mit großen Korallenriff-Fotos und einem bunten Transparent:
Umweltschützer protestieren bei einem Besuch des indischen Finanzministers in Australien gegen das Carmichael-Projekt. (Foto: John Englart/​Wikimedia Commons)

"Siemens, schür kein Feuer!" So überschreibt die Fridays-for-Future-Bewegung ihre Aktion gegen den Münchner Weltkonzern. Für den morgigen Freitag hat sie zu Demonstrationen an Siemens-Standorten in Deutschland aufgerufen, um gegen die Beteiligung des Unternehmens am Bau der riesigen Carmichael-Kohlemine in Australien zu protestieren.

Illustriert ist der Aufruf im Internet mit einer Fotomontage: Koala und Känguru vor einem brennenden australischen Wald.

Die Steinkohlegrube, um die es geht, sei "eines der umstrittensten Bauprojekte weltweit", heißt es in E-Mails, die Fridays-for-Future-Anhänger dieser Tage in Serie an Siemens-Chef Joe Kaeser schreiben.

"Während Sie in Deutschland versprechen, Verantwortung für unser Klima zu übernehmen und bis 2030 klimaneutral werden zu wollen, unterstützen Sie in Australien ein rückwärtsgewandtes Vorhaben und die Zerstörung unseres Planeten und unserer Zukunft." Kaeser wird aufgefordert, die Beteiligung an dem Projekt zu beenden.

Der Protest richtet sich gegen ein gigantisches Bergbau-Vorhaben im australischen Bundesstaat Queensland. Der indische Adani-Konzern will dort ab 2021 Kohle abbauen. Die Regierung in Canberra hat das Projekt Mitte vorigen Jahres trotz heftiger Proteste von Umweltschützern genehmigt und der Bau hat inzwischen begonnen.

Bis zu 60 Jahre Laufzeit

Aus der Grube will Adani im Endausbau jährlich 60 Millionen Tonnen Kohle fördern, teils im Tagebau, teils unter Tage. Carmichael wäre damit eine der größten Kohleabbaustätten der Welt.

Die geförderte Kohle soll in den Export nach Indien gehen, wo beim Verbrennen pro Jahr fast 80 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen würden – knapp ein Siebtel der australischen Emissionen, die 2018 rund 532 Millionen Tonnen betrugen. Die Mine soll bis zu 60 Jahre lang betrieben werden.

Der Münchner Konzern ist am Aufschluss der Grube nicht direkt beteiligt. Er liefert die Signaltechnik für eine neue, 200 Kilometer lange Eisenbahntrasse, die die Abbaustätte mit der nordostaustralischen Küste verbindet. Dort, im Hafen von Abbot Point, soll die Kohle auf Schiffe Richtung Indien verladen werden.

Besonders umstritten ist dieser Teil des Projekts, weil der neue Großhafen am Rande des Naturschutzgebietes um das Great Barrier Reef entsteht, das durch die erhöhten Temperaturen des Meerwassers bereits stark geschädigt ist. Umweltschützer fürchten, dass die Fahrten der Kohleschiffe durch das Riff, das zum Weltnaturerbe zählt, dieses weiter zerstört und dass die Meeresfauna stark geschädigt wird.

Kohleprojekt steht beispielhaft für Klimaschutzlücke

Die "Fridays" sind nicht die einzigen, die Siemens deswegen kritisieren. So gibt es auf der Aktionsplattform Change.org Petitionen, mit denen unter anderem Aktivisten der Gruppe Extinction Rebellion den Konzern dazu bringen wollen, die Beteiligung an dem Kohleprojekt zu stoppen. Und in München klebte vor ein paar Wochen ein Aktivist seine Hand an ein Fenster der Siemens-Zentrale, um auf die Konzernbeteiligung aufmerksam zu machen.

Das Adani-Projekt steht prototypisch für die immer noch riesige Lücke zwischen den Klimaschutz-Erfordernissen, wie sie im Paris-Abkommen verankert sind und von praktisch allen Staaten der Welt unterzeichnet wurden, und der oft gegenläufigen Energiepolitik vieler Regierungen.

Um die globale Erwärmung bei 1,5 bis zwei Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu halten, müsste die Förderung fossiler Rohstoffe – vor allem der besonders klimaschädlichen Kohle – bereits in diesem Jahrzehnt heruntergefahren werden.

Die meisten Förderländer allerdings planen für 2030 Produktionsmengen, die deutlich über dem eigentlich noch Zulässigen liegen, wie das UN-Umweltprogramms Unep unlängst in einer Untersuchung vorrechnete – bei Kohle fast die dreifache Menge, wenn 1,5 Grad angepeilt werden.

Siemens verteidigt fossiles Geschäft

Der Siemens-Chef hat bereits im Dezember auf die Proteste reagiert. Auf Twitter schrieb Joe Kaeser, er nehme die Sorgen ernst und werde sich die Sache genau anschauen. "Siemens' Ansichten und Entscheidungen mögen sich ändern oder auch nicht. Aber ihr verdient eine Antwort."

Es sei verständlich, "dass sich viele Menschen gerade für dieses Projekt so besonders interessieren und einsetzen", ließ der Konzern außerdem wissen. Siemens verfolge aber "im Kampf gegen den Klimawandel einen deutlich breiteren Ansatz" und arbeite daran, "dass Menschen weltweit Zugang zu einer bezahlbaren und zuverlässigen Stromversorgung haben".

Ausdrücklich verteidigt das Unternehmen seine Beteiligung an fossilen Energieprojekten in aller Welt, für die es zum Beispiel Kraftwerksturbinen liefert. Mit modernster Technik habe man zum Beispiel 2018 den Kunden geholfen, "ihre Emissionen um mehr als 600 Millionen Tonnen zu reduzieren".

Angaben zum Volumen des Auftrags bei Adani machte der Konzern nicht. Nach Informationen von Fridays-for-Future-Aktivisten handelt es um eine vergleichsweise überschaubare Größenordnung bei etwa 20 Millionen Euro. So könnte Kaesers Daumen angesichts des drohenden Imageverlustes vielleicht doch noch nach unten gehen.

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