Männer schieben ihre Motorräder auf einer Demonstration in Kalkutta, der vordere schaut ernst, er trägt als Mundschutz ein Tuch mit Che-Guevara-Porträt.
Spritpreis-Protest im Juni in Kalkutta: Wer fossile Energie verteuert, trifft vor allem die Mittelschicht. (Foto: Saikat Paul/​Shutterstock)

Ab Januar werden Sprit und Heizenergie teurer. Es ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung, Teil des 2019 verabschiedeten Klimapakets der Bundesregierung. Benzin und Diesel zum Beispiel kosten dann pro Liter rund sieben Cent mehr.

Im Gegenzug werden die Bürger entlastet – durch eine geringere EEG-Umlage. Besonders ärmere Haushalte profitieren dadurch unter dem Strich.

Tatsächlich kann die CO2-Bepreisung auch generell dazu benutzt werden, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Sie bietet sich als Instrument dafür besonders in ärmeren Ländern an, wie eine neue Untersuchung zeigt.

Als die Grünen 1998 fünf Mark pro Liter Sprit forderten, bekamen sie die Quittung: ein mageres Wahlergebnis für den Bundestag. Frankreichs Präsident Macrons Plan für eine Klima-Spritsteuer entfachte 2018 die "Gelbwesten"-Proteste.

Tatsächlich wird von Gegnern einer stärkeren Bepreisung fossiler Energien oft das Argument benutzt, sie treffe vor allem die ärmeren Haushalte, die prozentual mehr Geld für Energie ausgeben als andere.

Das entspreche in vielen Fällen aber nicht der Realität, ermittelte das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Metastudie wurde jetzt in der Zeitschrift Environmental and Resource Economics veröffentlicht.

Auch eine Frage der Kommunikation

Grundsätzlich haben Regierungen drei Möglichkeiten, das Treibhausgas CO2 zu verteuern: durch Steuern, Emissionshandel oder Abbau klimaschädlicher Subventionen. Die untersuchten Praxisfälle und Bepreisungsmodelle zeigten: Immerhin ein Drittel der analysierten Politikmaßnahmen belastet die ärmeren Haushalte prozentual weniger als die reichen oder höchstens gleich stark.

Dabei haben die Studienautoren bewusst nicht betrachtet, wie der Staat die Einnahmen verwendet und damit die Verteilungswirkung verändert. Grund: "Auch die öffentliche Debatte konzentriert sich ja meist auf die Frage nach der originären Wirkung, also wie stark höhere Treibstoff- und Energiepreise die Konsumausgaben privater Haushalte verteuern", so der Leitautor der Studie, Nils Ohlendorf vom MCC.

In der öffentlichen Debatte dringe oft nicht durch, dass die Regierungen durch die Verwendung der Einnahmen ärmere Haushalte begünstigen können – selbst, wenn das von Anfang an vermittelt werde. Werden solche Umschichtungen berücksichtigt, fällt die Bilanz noch besser aus.

Laut der Untersuchung ist es besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern wahrscheinlich, dass eine CO2-Bepreisung das soziale Gefälle verringert. Denn die Ärmsten in der Welt haben weniger Zugang zu fossiler Energie, sind also auch von Preissteigerungen weniger betroffen.

Generell, also auch in reichen Staaten, gilt das im Verkehrssektor. Denn hier nutzen Ärmere statt eines oft nicht vorhandenen eigenen Autos tendenziell eher den energieeffizienten öffentlichen Verkehr, bei dem ein CO2-Aufschlag nicht so stark ins Gewicht fällt.

Pro-Kopf-Rückzahlung entlastet auch mittlere Einkommen

Trotzdem haben Verfechter der CO2-Bepreisung oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Vor allem in Schwellenländern gelte eine marktwirtschaftliche Steuerung über den Preis als Klimaschutz-Methode als prinzipiell unsozial, sagt MCC-Mitautor Jan Steckel.

"Oft wird das auch von Vertretern fossiler Industrien gezielt so propagiert, weil sie bei ambitionierter Klimapolitik um die Rentabilität ihrer Investitionen fürchten müssen." Die neue Studie könne dazu beitragen, mit den Vorurteilen aufzuräumen.

In der Bundesrepublik beginnt die neue CO2-Bepreisung übrigens mit einem starken sozialen Ausgleich. Laut einer DIW-Analyse aus dem Juli kommen vor allem die unteren Einkommensschichten unter dem Strich finanziell gut weg.

Als problematisch sehen die Experten allerdings, dass die Mittelschicht "relativ gesehen am stärksten belastet wird". Beim Einstieg im kommenden Jahr mit den eher geringen 25 Euro pro Tonne CO2 falle das noch nicht ins Gewicht, so die Experten. Zunehmend relevant werde das aber ab 2026, wenn dann 55 bis 65 Euro pro Tonne erhoben werden sollen.

Abhilfe könnten laut DIW zusätzliche Entlastungsmaßnahmen schaffen. Eine noch stärkeren Verteilungseffekt, also eine Besserstellung vor allem auch der mittleren Einkommen, hätte laut DIW die Einführung einer "Klimadividende", also einer Pro-Kopf-Rückzahlung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung.

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