Erdwäme: Energie aus dem Boden - Arbeiter am Bohrgerät
Die Energie- und Wärmewende bringt mehr neue Arbeitsplätze, als in alten Branchen wie Kohle wegfallen. (Foto: BWP)

Wie ambitioniert packt die "Ampel" den Klima- und Umweltschutz an? Das ist eine der wichtigsten Fragen bei den nun angelaufenen Koalitionsgesprächen in Berlin. Eine neue Untersuchung liefert SPD, Grünen und FDP nun neue Argumente, beim ökologischen Umbau der Wirtschaft beherzt voranzugehen.

Mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz stärkt demnach die Wirtschaft und schafft zusätzliche Arbeitsplätze. Im Laufe dieses Jahrzehnts könnten unter dem Strich mehrere Hunderttausend Jobs hinzukommen.

Auf dem Arbeitsmarkt spielen Klima- und Umweltschutz schon heute eine wichtige Rolle. Der Ausbau von Solar- und Windkraft, Investitionen in Energieeffizienz-Maßnahmen wie die Wärmedämmung von Gebäuden und die Nachfrage nach Umwelttechnik sorgt laut Umweltbundesamt bereits für 2,8 Millionen Arbeitsplätze.

Die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) in Osnabrück hat nun 25 Klimaschutz-Szenarien aus zwölf Studien auf ihre ökonomische Folge hin analysiert, die von renommierten Instituten wie Prognos, DIW, Fraunhofer, Öko-Institut und DLR gemacht wurden. Ergebnis: "Alle untersuchten gesamtwirtschaftlichen Szenarien zeigen dabei einen positiven Effekt verglichen mit dem Status quo." Auftraggeber der GWS war die Umweltorganisation Greenpeace.

Vor allem Bauwirtschaft und Elektroindustrie profitieren

Die Gesamtschau der in den letzten drei Jahren erschienen Studien zeigt: Ambitionierter Klimaschutz etwa durch strikte Vorgaben an die Industrie wirkt sich positiv auf die deutsche Wirtschaftsleistung aus.

Die Untersuchungen weisen im Schnitt bis 2030 einen Beitrag zu Wachstum von 1,1 Prozent aus, im optimistischsten Fall sind es sogar 2,5 Prozent. Im Durchschnitt aller Studien entstehen bis 2030 etwa 275.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Im Top-Szenario sind es sogar 1,2 Millionen Jobs, im konservativsten immer noch 30.000.

Ausreißer waren zwei Studien, die allerdings ausschließlich die Beschäftigungswirkungen im Kohlesektor respektive den Antriebswechsel im Autosektor vom Verbrenner zum Elektromotor betrachten. Sie kamen in diesen Bereichen zu negativen Beschäftigungseffekten.

Tatsächlich verbergen sich hinter dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum durch besseren Klimaschutz, das die Studien nachweisen, deutliche Branchenunterschiede. Zu den Profiteuren zählen laut der GWS-Analyse vor allem die Bauwirtschaft und die Elektroindustrie. Gewinner würden voraussichtlich auch der Handel und der Dienstleistungssektor sein.

Schwierig ist die Lage natürlich für die fossile Energiewirtschaft, die mit Blick auf die für 2045 angestrebte Klimaneutralität heruntergefahren werden muss, ebenso für die noch immer stark von Benzin- und Diesel-Pkw abhängige Autobranche. Die Beschäftigtenzahlen sinken hier, allerdings nicht so dramatisch, dass das die Gesamtbilanz ins Negative drehen kann.

"Deutsche Wirtschaft riskiert Wettbewerbsnachteile"

Greenpeace-Experte Mauricio Vargas kommentierte: "Ohne Nachbesserungen beim Klimaschutz verpasst die Wirtschaft Wachstumsimpulse und riskiert Wettbewerbsnachteile." Der Rückstand der deutschen Autobauer beim Umstieg auf saubere Antriebe sei hier ein mahnendes Beispiel.

Die potenziellen Koalitionäre in Berlin sollten diese Gefahr ernst nehmen, meint der Volkswirt. Ein schnellerer ökologischer Umbau stärke die Wirtschaft und helfe, künftige Klimaschäden zu vermeiden.

Die GWS-Metastudie belege nun eindeutig, dass das auch positive Auswirkungen für den Arbeitsmarkt habe. "Die Menschen in Deutschland profitieren, wenn die nächste Bundesregierung die ökologische Modernisierung mit aller Kraft voranbringt."

In den Ampel-Sondierungen haben SPD, Grüne und FDP sich darauf geeinigt, den Kohleausstieg von bisher geplanten Enddatum 2038 vorzuziehen, "idealerweise" auf 2030. Außerdem sollen die erneuerbaren Energien "drastisch" beschleunigt werden. Beide Vorhaben müssen in den Koalitionsgesprächen konkretisiert werden.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz sieht vor, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduziert werden muss. Erreicht waren 2020 pandemiebereinigt erst rund 38 Prozent.

Umweltschützer, darunter auch Greenpeace, halten eine Anhebung des 2030er Ziels auf minus 70 Prozent und Klimaneutralität bereits vor 2040 für nötig. Die GWS-Experten gehen auch hier davon aus, dass "höhere Ausbauziele zu einem gesamtwirtschaftlich positiven Beschäftigungseffekt führen".

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