Wer Schaden verursacht, muss dafür aufkommen. So regelt es das deutsche Zivilrecht. Nun soll dieses Prinzip erstmals auch bei Klimaschäden angewendet werden.
Das verlangen 43 pakistanische Landwirt:innen aus der von der Flutkatastrophe 2022 besonders stark betroffenen Provinz Sindh. Am Dienstag dieser Woche stellten sie den Konzernen RWE und Heidelberg Materials ein Aufforderungsschreiben zu, um ihren Schadenersatzanspruch geltend zu machen.
"Es geht um ökonomische Schäden durch Ernteverluste auf den eigenen Flächen", erläutert die bekannte Hamburger Umweltjuristin Roda Verheyen, die die Pakistaner:innen vertritt. Den Gesamtschaden beziffern die Antragsteller:innen auf rund eine Million Euro.
Die Unternehmen sollen, heißt es in dem Schreiben, ihre Verantwortung anerkennen und sich angemessen an den Kosten beteiligen. Lehnen sie dies ab, soll im Dezember Klage vor einem Zivilgericht eingereicht werden.
Im Sommer 2022 wurde Pakistan von einer Überschwemmungskatastrophe regelrecht heimgesucht. Auf eine extreme Hitzewelle im Frühjahr folgte ein ungewöhnlich starker Monsunregen, der über Monate anhielt und schwerste Schäden verursachte. Mindestens 1.700 Menschen starben, 33 Millionen wurden obdachlos.
Die Fluten zerstörten Häuser und Brücken und vernichteten Ernten. Zeitweilig stand ein Drittel des Landes unter Wasser. Es kam zu Hunger und Infektionskrankheiten. Die pakistanische Regierung schätzt den wirtschaftlichen Schaden auf 30 Milliarden US-Dollar.
"Es war eine nationale Tragödie", sagt Shaikh Tanveer Ahmed von der pakistanischen Hilfsorganisation Hands Welfare Foundation. Dass die Betroffenen nun Schadenersatz fordern, habe nichts mit Wohltätigkeit zu tun, sondern mit Gerechtigkeit. Schließlich sei der extreme Starkregen durch den Klimawandel intensiviert worden, zu dem Pakistan kaum beigetragen habe.
"Wer Schaden verursacht, muss dafür aufkommen"
Einer der 43 Antragsteller:innen ist Abdul Hafeez Khoso, ein 42-jähriger Landwirt aus der Provinz Sindh im Süden Pakistans, in der noch über ein Jahr nach der Katastrophe viele Orte überschwemmt waren. Die Flut verwüstete seine Felder, er verlor mehrere Reis- und Weizenernten.
Auch er sagt: "Es geht um Gerechtigkeit. Wie kann es gerecht sein, dass wir den Preis für eine Klimakrise zahlen, die wir nicht verursacht haben, während große Konzerne im globalen Norden weiterhin Profit machen? Wer Schaden verursacht, muss auch dafür aufkommen."
Zahlen sollen mit RWE und Heidelberg Materials zwei der größten deutschen CO2-Emittenten. Mit ihren Treibhausgasemissionen haben sie erheblich zur Klimakrise beigetragen. RWE als einem der größten Stromerzeuger Europas werden mindestens 0,68 Prozent der weltweiten Emissionen zugerechnet, Heidelberg Materials als einem der größten Zementhersteller der Welt 0,12 Prozent des CO2-Ausstoßes – jeweils seit 1965.
Seitdem, also seit 60 Jahren, hätten die Unternehmen gewusst, dass ihre Emissionen das Klima aufheizen, aber nichts getan, um Schäden zu verhindern, so argumentieren die Antragsteller:innen.
"RWE und Heidelberg Materials wissen seit Jahrzehnten um die Folgen ihrer Emissionen für Mensch und Umwelt. Dennoch haben sie sich geweigert, angemessen zu handeln", sagt Miriam Saage-Maaß, die für die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) den Fall begleitet.
Die Unternehmen hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, so formuliert es Anwältin Verheyen. "Sie hätten vertretbare Minderungsmaßnahmen ergreifen müssen." Dass sie dies nicht getan haben, sei eine Pflichtwidrigkeit und eine "unerlaubte Handlung". Darauf stützt sich die Forderung nach Schadenersatz.
Verlorene Klimaklage war nicht umsonst
Die Anspruchsteller:innen rechnen sich gute Chancen aus. Zum einen belegen Attributionsstudien, dass der Klimawandel die Flutkatastrophe in Pakistan von 2022 deutlich verstärkt und wahrscheinlicher gemacht hat. Damit ist, juristisch wichtig, ein kausaler Zusammenhang hergestellt.
Zum anderen kann die Schadenersatzforderung anknüpfen an ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom Mai 2025. Damals ging es um die Klimaklage des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE.
In dem Rechtsstreit, der sich fast zehn Jahre hinzog, ging es nicht um Schäden, die bereits eingetreten waren, sondern um Schäden, die in Zukunft eintreten könnten. Nämlich dann, wenn der Klimawandel die Gletscher in den Anden weiter schmelzen lässt und dadurch Lliuyas Lebensgrundlage zerstört wird.
Von RWE forderte der Kläger eine Beteiligung an Schutzmaßnahmen, konkret am Bau eines Damms, um vor dem Ausbrechen eines Gletscherrandsees geschützt zu sein.
Diese Klage wurde abgewiesen. Das Gericht sah keine konkrete Gefahr für Lliuyas Grundstück und bewertete das Flutrisiko als sehr gering. Doch zugleich stellte das OLG klar, dass es grundsätzlich möglich ist, Großemittenten für klimabedingte Schäden im Ausland haftbar zu machen.
Umweltverbände und Klimagruppen feierten den Urteilsspruch damals als "historisches Grundsatzurteil". Die Umweltjuristin Verheyen, die auch Lliuya vertrat, erklärte im Anschluss: "Das Urteil ist ein Meilenstein und wird Klimaklagen gegen fossile Unternehmen und damit der Abkehr von fossilen Brennstoffen weltweit Rückenwind geben."
Mehr Schadenersatzforderungen gegen fossile Konzerne
Genau dies könnte tatsächlich der Fall sein. Denn nun geht es nicht nur um ein künftiges Risiko, das man so oder so einschätzen kann. Sondern es geht um bereits eingetretene Schäden, für die Schadenersatz geltend gemacht wird.
Derzeit gibt es noch weitere Versuche, Unternehmen auf rechtlichem Weg für ihren Beitrag zur Klimakrise zur Verantwortung zu ziehen.
Im September verklagten vier Bewohner:innen der indonesischen Insel Pari den Zementhersteller Holcim vor einem Schweizer Zivilgericht. Sie machen Holcim mitverantwortlich für überschwemmte Häuser und Felder, für Einkommensverluste – und für eine Situation, die ihr Leben bedroht.
Auch sie fordern Schadenersatz und wollen, dass der Zementriese ihnen Unterstützung bei der Anpassung an die Erderhitzung zahlt und seine CO2-Emissionen deutlich verringert. Holcim gehört zu den größten Zementproduzenten der Welt.
Zudem fordern 67 Überlebende des Taifuns Odette, der 2021 auf den Philippinen große Verwüstungen angerichtet hat, von dem Energiekonzern Shell Entschädigung für verlorene Häuser, Lebensgrundlagen und Menschenleben. Wenn Shell nicht auf die Forderung eingeht, soll im Dezember in Großbritannien Klage eingereicht werden.
Bereits im vergangenen Jahr verklagte ein belgischer Biobauer den französischen Energiekonzern Total Energies wegen klimabedingter Schäden. Die Forderung: Das Unternehmen soll den entstandenen Schaden beheben und aus den fossilen Brennstoffen aussteigen, um künftige Schäden zu verhindern.
