In der Dresdner Kläranlage Kaditz wird derzeit ein zweiter Gasspeicher gebaut. Künftig soll er die zusätzlichen Mengen an Klärgas, die in zwei sogenannten Faultürmen aus Klärschlamm erzeugt werden, verbrauchsgerecht puffern.
Die Faultürme, 2012 errichtet, erzeugen wachsende Gasmengen, berichtet Volker Kühn, Chefstratege der Stadtentwässerung Dresden, die das Klärwerk im Westen der Stadt betreibt. In einigen Jahren soll ein dritter Faulbehälter den Betrieb aufnehmen, um noch mehr Klärgas zu produzieren.
Das gespeicherte Klärgas wird derzeit in drei Blockheizkraftwerken genutzt, die Strom und Wärme erzeugen. Auch hier wird demnächst weiter ausgebaut. Daneben verfügt das Klärwerk über kleinere Stromlieferanten wie Solarstromanlagen auf dem Dach des Regen-Überlaufbeckens. Ein kleines Wasserkraftwerk steht an der Stelle, wo das gereinigte Abwasser in die Elbe fließt.
Alle Stromerzeugungsanlagen zusammen produzieren 18 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Damit decken sie den Strombedarfs des Klärwerks schon zu 85 Prozent. Mit dem geplanten Ausbau sollen es mindestens 90 Prozent werden. "Wir sind auf dem Weg zur energieneutralen Kläranlage", erklärt Kühn.
Auch der Energieverbrauch muss sinken
Strom brauchen vor allem die Pumpen, Rührwerke und Kompressoren, die das Abwasser durch die großen Becken der mechanischen, chemischen und biologischen Reinigung bewegen und es belüften. Die Wärme des Blockheizkraftwerks dient dazu, den Klärschlamm aufzuheizen, bevor er in die Faultürme kommt. Auch die Gebäude auf dem Klärwerksgelände werden damit beheizt.
Auf dem Weg zur "Energieneutralität" (siehe Kasten unten) setzt die Stadtentwässerung nicht nur auf eigene erneuerbare Energien. Gleichzeitig versucht sie auch, den eigenen Energieverbrauch zu begrenzen. Dazu investiert sie ständig in neue Anlagen, die mit einer größeren Energieeffizienz arbeiten.
Ein Beispiel dafür sind sechs Belebungsbecken der biologischen Reinigungsstufe, die vor 18 Jahren gebaut wurden. Hier wird das Abwasser bisher von 24 Rührwerken bewegt. Sie werden jetzt durch kleinere, energiesparende Rührwerke ersetzt, die den gleichen Effekt haben.
Wer Energieneutralität im Klärwerk erreichen und erhalten will, muss sich rechtzeitig auf größere Veränderungen einstellen. In Dresden ist damit zu rechnen, dass sich die Abwassermengen aus der Industrie in den nächsten 15 Jahren verdoppeln werden. Auch die Bevölkerung soll weiter wachsen – und mit ihr die Abwassermengen. Damit steigt auch der Energiebedarf im Klärwerk.
Dazu kommen neue Vorschriften. Seit Jahresbeginn gilt eine neue Kommunalabwasser-Richtlinie der Europäischen Union. Sie muss bis Mitte 2027 in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden.
EU gibt Ziele für Energieneutralität vor
Die Richtlinie enthält strengere Regeln für die Behandlung von Mikroschadstoffen. Das wird wahrscheinlich neue oder verbesserte Anlagen in vielen Klärwerken nötig machen. Auch das erhöht den Energiebedarf.
Gleichzeitig gibt die Richtlinie auch Ziele für die Energieneutralität vor: Bis zum Jahr 2045 sollen sich Klärwerke, die das Abwasser von 10.000 Einwohnern oder mehr behandeln, vollständig aus selbst erzeugten erneuerbaren Energien versorgen können.
Dabei gilt ein Stufenplan. Bis Ende 2030 sollen erst einmal 20 Prozent des Energiebedarfs der Anlagen durch selbst erzeugte erneuerbare Energien abgedeckt werden. Dann geht es in Fünf-Jahres-Stufen weiter.
Die Richtlinie gibt diese Regelungen erst einmal auf nationaler Ebene vor. Wie weit sich auch die einzelnen Klärwerke daran halten müssen, wird wohl davon abhängen, wie die Richtlinie in Bundesrecht umgesetzt wird. Dafür gilt eine Frist bis Juli 2027.
Die Stadtentwässerung Dresden kann mit ihrer hohen Energie-Eigenproduktion einen guten Teil dazu beitragen, dass die deutschen Klärwerke die Energieneutralitäts-Ziele erreichen. Damit sind die Elbestädter nicht allein: An der Saale hat sich die Hallesche Wasser- und Stadtwirtschaft (HWS) ein ähnliches Ziel gestellt. Sie will die Kläranlage Halle-Nord bis 2027 zum "energieautarken Klärwerk" entwickeln.
Hier wird ebenfalls Klärgas in Faultürmen produziert und in Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. Dazu kommen erneuerbare Energien wie Photovoltaik. Auf der anderen Seite arbeitet HWS daran, den Energieverbrauch deutlich zu senken – ähnlich wie in Dresden mit moderneren Rührwerken in den Belebungsbecken der biologischen Reinigungsstufe.
Damit kommt die Kläranlage Halle-Nord bisher auf 70 Prozent Eigenstromversorgung. Um die angestrebte Energieautarkie zu erreichen, sollen nun weitere Projekte folgen, darunter eine Photovoltaikanlage auf einer Außenfläche.
Trierer Kläranlage erzeugt schon Überschuss-Energie
Einen Schritt weiter sind die Stadtwerke Trier. Ihr Hauptklärwerk erzeugt schon seit 2016 mehr Strom und Wärme, als es verbraucht. Deshalb kann es auch den benachbarten Energie- und Technikpark mitversorgen.
Ähnlich wie in Dresden und Halle wird hier Klärgas erzeugt und in zwei Blockheizkraftwerken zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt. Dazu kommen mehrere Photovoltaikanlagen und eine Wasserturbine im Ablauf des Klärwerks, wo das gereinigte Abwasser in die Mosel gelangt.
Auch in Trier spielt die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2013 begannen die Stadtwerke damit, die Klärwerksprozesse zu optimieren und effizientere Technik einzusetzen. Schon damit konnte der Strombedarf in drei Jahren um ein Fünftel gesenkt werden.
Um die biologische Reinigung zu optimieren, setzte das Unternehmen bereits früh auf einen selbstlernenden intelligenten Algorithmus. Diese "künstliche Intelligenz" half dabei mit, das Klärwerk energieneutral zu betreiben und Überschussenergie zu erzeugen.
Dresden, Halle und Trier sind gute Beispiele, wie größere Klärwerke sich auf den Weg vom "kommunalen Energiefresser" zum klimaneutralen Kraftwerk begeben können. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings nicht überall gleich.
So hat der Branchenverband BDEW darauf hingewiesen, dass kleinere Klärwerke nicht über eine Klärschlamm-Faulung verfügen. Sie sei erst ab einer bestimmten Größe von Kläranlagen wirtschaftlich. Damit ist dort auch kein Klärgas verfügbar, das gut zur eigenen Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden könnte.
Energieautarkie oder Energieneutralität?
Kommentar von Stefan Schroeter
Für Kläranlagen gibt es viele Möglichkeiten, den eigenen Energiebedarf durch selbst erzeugte erneuerbare Energien teilweise oder überwiegend zu decken. Besonders fortschrittliche Betreiber wollen das sogar vollständig schaffen und sprechen dann von "Energieautarkie" oder neuerdings auch von "Energieneutralität".
"Energieautarkie" wird in der Abwasserwirtschaft üblicherweise so verstanden, dass die Kläranlage im Jahresmittel so viel Energie erzeugt, wie sie selbst verbraucht. Wörtlich kann dieser Begriff allerdings auch so ausgelegt werden, dass die Kläranlage keine Energie von außen mehr bezieht.
Doch das wäre unrealistisch. Denn bei Starkregen müssen große Wassermengen mit viel zusätzlichem Stromeinsatz abgepumpt werden. Dieser Zusatzstrom kommt dann aus dem allgemeinen Netz. Auch bei technischen Störungen sichert dieses die Stromversorgung.
In der Abwasserwirtschaft wird inzwischen auch "Energieneutralität" verwendet. Dieser Begriff drückt treffender aus, dass eine Kläranlage im Jahresmittel so viel Energie erzeugt, wie sie selbst verbraucht. Gleichzeitig schließt er nicht aus, Energie von außen zu nutzen, wenn die bezogenen Energiemengen dann auch wieder an externe Empfänger zurückgeliefert werden.
Derzeit geht es für die weitaus meisten Kläranlagen eher darum, dass sie ihren Energiebedarf mehr als bisher mit selbst erzeugten erneuerbaren Energien decken. Wenn die Betreiber dann davon sprechen, dass sie eine größere "Energieautarkie" anstreben, sind sie schon auf dem richtigen Weg.
Auch wenn der Begriff "Energieneutralität" das Ziel noch besser beschreibt. Denn welcher Kläranlagenbetreiber wird auf die Versorgungssicherheit verzichten wollen, die das allgemeine Stromnetz in schwierigen Situationen bietet?