Für Deutschland ist Chinas neue Klimapolitik nicht allein umwelt- und sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich relevant. Mit seinen anspruchsvolleren Klimazielen wird China für viele deutsche Unternehmen wichtig oder noch wichtiger.
Schon heute produzieren schätzungsweise 60 Prozent aller deutschen Hidden Champions im Reich der Mitte. Mehr als eine Milliarde Menschen bieten fantastische "grüne" Absatzchancen.
Geostrategische Multikrisen vom Ukraine-Krieg bis zum Zollhammer, den US-Präsident Donald Trump schwingt, tragen das Ihre zum Bedeutungsgewinn des Riesenreiches in den Managementplänen bei, die Industrie und Finanzdienstleister für die Zukunft aufstellen.
Im Außenhandel der Bundesrepublik ist China ohnehin der wichtigste Partner. Zudem bietet das Land für Maschinenbauer, Chemie- und Autokonzerne, also den Kern der deutschen Industrie, mittlerweile den weltweit größten Markt.
Beispielsweise wird Volkswagen in diesem Jahr jeden dritten seiner Pkw in China ausliefern, und BASF plant seine größte Investition in der südchinesischen Hafenstadt Zhanjiang. In wenigen Jahren werden drei Viertel des weltweiten Wachstums der chemischen Industrie und mehr als die Hälfte ihres Umsatzes aus China kommen, erwartet BASF-Chef Markus Kamieth.
Finanziell begleitet werden die hiesigen Konzerne von Commerzbank, Deutscher Bank und den öffentlichen Landesbanken. Und auch die Global Player der Versicherungswirtschaft in Deutschland, wie die Allianz oder die Münchener Rückversicherung, sehen im roten Riesen einen wachsenden und immer wichtigeren Abnehmer.
Auch für Grüngeld-Anleger lohnt der Blick nach Peking
China steht allerdings zugleich im Zentrum der weltweiten Klimadebatte. Die von der Kommunistischen Partei seit den 1990er Jahren vorangetriebene nachholende, kapitalistische Modernisierung setzte auf einen rasanten Ausbau der Industrie. Angetrieben wurde die industrielle Revolution von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdgas.
Zur Dreckschleuder wurde China zudem als primäres Produktionsland: Dorthin lagerten Deutschland und der ganze globale Norden die Produktion ihrer schmutzigen Industrien aus – vom süßen Überraschungsei bis zum handlichen Smartphone.
International trieb der rasende Exportmotor, der das Billiglohnland China zugleich aus seiner Armut herausriss, die sogenannte Globalisierung voran. Immer gigantischer wurden die Containerschiffe, die den Warenstrom nach Europa und Nordamerika fließen lassen. So wickelt der Hamburger Hafen ein Drittel seines Umschlags allein mit China ab.
Im Ergebnis entfielen gemäß dem üblichen Produktionsprinzip im Jahr 2024 nach EU-Angaben rund 29 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen auf China. Deutschland ist für weniger als zwei Prozent verantwortlich, die globale Schifffahrt je nach Quelle für zwei bis drei Prozent. Es lohnt sich also auch für "grüne" Geldanleger ein Blick auf jüngste Entwicklungen in Peking.
Mit dem kürzlich veröffentlichten nationalen Klimaziel (NDC) für 2035 setzt China nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch neue Maßstäbe: Erstmals formuliert das Land absolute Reduktionsziele statt nur relativer Ziele für Emissionsintensität. Erstmals erfasst es dabei alle Treibhausgase sowie sämtliche Wirtschaftssektoren.
Chinas neue Klimaziele markierten das Ende der Wachstumspolitik bei den Emissionen, sagte Petter Lydén, Experte für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. "Das ist ein historischer Wendepunkt."
China will bei Greentech führend werden
Chinas Klima-Logik basiert auf einer zentralen wirtschaftlichen Planung: Konservative, also zurückhaltend formulierte, aber verbindliche Leitziele senden innenpolitisch starke Signale aus und zeigen den ernsthaften "grünen" Willen Pekings.
Das Erreichen dieser neuen Ziele reiche zwar nicht aus, um die Zuspitzung der Klimakrise abzuwenden, so die China-Expertin von Germanwatch, Barbara Pongratz. "Aber China hat bei den erneuerbaren Energien gezeigt, dass es gesetzte Ziele auch deutlich übertreffen kann." Der aktuelle Trend spreche stark dafür, dass die Übererfüllung der Planvorgaben wieder passieren werde.
Auch wenn nicht alle Beobachter Chinas Klimapolitik so optimistisch sehen, setzt sie doch Europa unter Druck. Grüne Industrien gelten als Schlüsselbranchen der Zukunft – und in diesen setzt China rigoros auf Technologieführerschaft. Deutschland und die EU drohen abgehängt zu werden.
Und das in einer geopolitisch angespannten Lage, in der Wertschöpfungsketten, Seltene Erden und Zölle zu politischen Hebeln werden und Deutschlands Wohlstand zunehmend von "grünen" Innovationen abhängt.
Die schwarz-rote Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) ist gefordert, die im Koalitionsvertrag versprochenen, vergleichsweise ehrgeizigen Klimaziele mit Leben zu füllen. Wenn Deutschland zum Zugpferd einer international handlungsfähigen EU werden will, muss Merz noch vor dem Klimagipfel in Brasilien im November ein 2040er Klimaziel von minus 90 Prozent und entsprechende neue EU-Klimaziele für das Jahr 2035 durchsetzen.
