Deutschland peilt die "Netto-Null" bei den Treibhausgasen für 2045 an. Die Groko zog das Ziel im Juni um fünf Jahre nach vorne, nachdem das Bundesverfassungsgericht ihre Klimapolitik als zu schwach abgekanzelt hatte.
Eine neue Untersuchung zeigt nun: Die Bundesrepublik kann das ambitionierte Ziel gesamtgesellschaftlich zu Netto-Null-Kosten erreichen. Das heißt: Die Einsparungen etwa durch verminderte fossile Energieimporte können die Kosten der Dekarbonisierung im Gesamtzeitraum bis 2045 ausgleichen.
Die nötigen Investitionen, die die Studie "Net-Zero Deutschland" der Unternehmensberatung McKinsey insgesamt für die nächsten 24 Jahre ausweist, sind hoch. Sie belaufen sich auf sechs Billionen Euro, als 6.000 Milliarden. Doch diese Summe verliert ihren Schrecken, wenn man sie genauer aufschlüsselt.
So muss von den sechs Billionen Euro "nur" eine Billion zusätzlich für "grüne" Sachgüter aufgebracht werden, etwa neue wasserstoffbetriebene Industrieanlagen, Elektrofahrzeuge und Erneuerbare-Wärme-Technik.
Hinzu kommen fünf Billionen Euro an Ersatzinvestitionen, die für die Erneuerung oder Instandhaltung bereits bestehender Infrastrukturen, Anlagen und Gebäude ohnehin aufgewendet werden müssen.
Kosteneffizient ist es, wenn dieses Geld zum Zeitpunkt der ohnehin fälligen Erneuerung dann in klimaschonendere Güter investiert wird, zum Beispiel in ein E-Fahrzeug statt in einen Verbrenner.
Die McKinsey-Fachleute rechnen vor: Die Gesamtinvestitionen von sechs Billionen Euro entsprechen jährlichen Investitionen von im Schnitt rund 240 Milliarden Euro bis 2045 und damit circa sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Davon entfallen 40 Milliarden Euro pro Jahr auf die zusätzlichen Investitionen, was etwa einem Prozent des BIP entspricht.
Fürs Klimaziel müssen Investitionen mindestens verdoppelt werden
Die Ökonomen betonen, dass der ökologische Umbau nun einen Turbo braucht. Voraussetzung sei "der konsequente Umstieg auf grüne Technologien in allen Wirtschaftssektoren und Lebensbereichen sowie schnelles Handeln bereits in den nächsten zehn Jahren".
Das bisherige Tempo beim Klimaschutz – etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien – müsse sich im Vergleich mit den letzten 30 Jahren verdreifachen, in manchen Sektoren sogar verzehnfachen. Allerdings eröffne der Umstieg auf grüne Technologien dann auch neue Märkte und Wachstumschancen.
Die Dringlichkeit des Umbaus belegte jüngst auch eine Untersuchung im Auftrag des Thinktanks Agora Energiewende und des Forum New Economy.
Danach müssen jährlich knapp 30 Milliarden Euro Bundesmittel in den Klimaschutz fließen, um die von der Bundesregierung bis 2030 geplante Minderung der Treibhausgasemissionen von 65 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen – fast doppelt so viel wie bisher veranschlagt. Zusammen mit weiteren Finanzbedarfen auf kommunaler Ebene brauche es damit insgesamt bis zu dreimal so hohe Klimaschutzinvestitionen.
Durch die Zusatzinvestitionen in neue Technologien können laut der McKinsey-Studie in vielen Bereichen die laufenden Kosten reduziert werden, zum Beispiel die Energiekosten von Gebäuden oder die Kraftstoff- und Wartungskosten bei Fahrzeugen. So brauchen gut gedämmte Häuser weniger Heizenergie, und die Inspektionen von Autos mit E-Motoren sind weniger aufwändig.
Deutschland kann laut McKinsey durch den grünen Umbau "von einer gestärkten Position als Industriestandort sowie von neu geschaffenen Arbeitsplätzen profitieren".
Verlagerung von Arbeitsplätzen
McKinsey-Autorin Ruth Heuss sagte bei der Präsentation der Studie: "Gelingt die Transformation rechtzeitig und erfolgreich, kann Deutschland die Technologieführerschaft in kritischen Exportsektoren aufrechterhalten und deren Beitrag zu Beschäftigung und Wohlstand absichern."
Allerdings wird es eine Verschiebung von Arbeitsplätzen geben, zum Beispiel von fossilen Kraftwerken hin zur Wasserstoffproduktion oder vom Bau von Verbrennungsmotoren zur Batterieproduktion. Unter dem Strich ist laut dem Report aber ein Zuwachs an Beschäftigung zu erwarten.
Neue Jobs entstehen zum Beispiel im Gebäudesektor durch mehr Hausrenovierungen, die Installation von Wärmepumpen als Ersatz für Öl- und Gasheizungen sowie im Energiesektor durch die Herstellung und Installation von Solar- und Windkraftanlagen.
"Die Klimawende kann gelingen und ist trotz aller Herausforderungen für unsere Industrie eine Wachstumschance", sagte Heuss weiter. "Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend und wir müssen unsere Anstrengungen deutlich beschleunigen, um die Ziele zu erreichen."
Ihr Kollege Stefan Helmcke ergänzte: "Vor uns als Industrie- und Exportnation liegt eine der wichtigsten und komplexesten Transformationen, die wir je erlebt haben." Alle Unternehmen in Deutschland müssten "Nachhaltigkeit als zentralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie begreifen".