Afrika Benin
Baumschule in Benin: Klimaschutzprojekte drohen in der Corona-Wirtschaftskrise unter die Räder zu kommen. (Foto: Susanne Götze)

Die Industriestaaten sollen Zinszahlungen von besonders fragilen Entwicklungsländern stunden. Das verlangten die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kristalina Georgiewa und Weltbank-Chef David Malpass am Mittwoch in einem gemeinsamen Appell.

Die beiden Institutionen wollen damit 76 besonders armen Entwicklungsländern "beim kurzfristigen Liquiditätsbedarf" wegen der Coronakrise helfen und "ein starkes Signal an die Finanzmärkte" senden.

Dieses Signal ist auch nötig, denn viele Entwicklungsländer sehen sich einem "perfekten Sturm" aus drei Elementen gegenüber: steigende Gesundheitskosten, sinkende Einnahmen und ein erheblicher Kapitalabfluss.

Die Coronakrise trifft auf eine hoch verschuldete Welt. Die Weltbank schreibt in einem Bericht: "Die Weltwirtschaft hat in den letzten 50 Jahren vier Wellen an Schuldenakkumulation erlebt. Die ersten drei endeten mit einer Finanzkrise in vielen Entwicklungsländern."

Die vierte Welle begann im Jahr 2010 und zeichnet sich laut Weltbank durch den "schnellsten, größten und breitesten Schuldenanstieg in diesen Ländern" aus. Dort sind die Gesamtschulden zwischen 2010 und 2018 von 116 auf 170 BIP-Prozent gestiegen. Der Bericht wurde im vergangenen Dezember vorgestellt und erwähnt auf seinen 300 Seiten das Coronavirus gar nicht.

Schwarze Aussichten

Damit dürfte der Bericht schon wieder veraltet sein, denn nun brechen den Entwicklungsländern die Einnahmen weg. Diese stammen in den meisten Fällen aus drei Quellen: dem Verkauf von Rohstoffen, dem Tourismus und den Rücküberweisungen von Migranten. Alle drei Quellen drohen nun zu versiegen.

Seit Jahresbeginn ist etwa der Bloomberg-Rohstoffpreisindex um über ein Fünftel gefallen. Der Index deckt Öl und Gas, Industriemetalle und Agrarrohstoffe ab. Beim Tourismus droht gar ein Totalausfall für mehrere Monate. So hat Thailand die Einreise von Ausländern mittlerweile verboten.

Bei den Rücküberweisungen sieht es etwas besser aus, aber hier besteht die Gefahr, dass Migranten in den reichen Ländern als erste ihre Jobs verlieren.

Problematisch ist für Entwicklungsländer auch der Kapitalabfluss. Nachdem die Finanzmärkte am 21. Januar zum ersten Mal auf die Coronakrise aufmerksam geworden sind, haben Anleger in den 51 darauffolgenden Tagen Anleihen und Aktien von Entwicklungsländern im Wert von 41,7 Milliarden US-Dollar abgestoßen. Das ist doppelt so viel wie in der gleichen Zeitspanne nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, wie das Institute of International Finance ausgerechnet hat.

Das hat Folgen. Seit Ende Februar sind die Zinsen für die ärmsten Länder um 3,5 Prozentpunkte gestiegen. Diese Länder müssen Anlegern nun eine Rendite von zehn Prozent bieten, um noch an Geld zu kommen, wie Berechnungen der britischen Entwicklungsorganisation Jubilee Debt Campaign zeigen.

Ökonom fordert neuen Weg

Mittlerweile reagieren einige multinationale Organisationen. Der IWF stellt 50 Milliarden US-Dollar zur Verfügung und die Weltbank 14 Milliarden. Doch das wird nicht reichen.

Der Ökonom Ricardo Hausmann von der Harvard-Universität in den USA warnt: Die erforderliche Finanzunterstützung "kann nicht mit den bestehenden Ansätzen und den Bilanzen internationaler Organisationen geleistet werden". Vielmehr müsse "das Geld, das aus Entwicklungsländern flieht, wieder dorthin zurückfließen".

Dazu schlägt Hausmann zwei Maßnahmen vor: Zum einen sollte die US-Notenbank Fed (und wohl auch die EZB) mit Notenbanken von Entwicklungsländern "Devisenswaps" vereinbaren. Damit könnten letztere ihre eigene Währung gegen Dollar oder Euro tauschen.

Zum anderen empfiehlt Hausmann, dass die Fed und die EZB im Rahmen ihrer Anleihenkaufprogramme auch die Anleihen von Entwicklungsländern kaufen. Dabei könnten sie sich auf die solventeren Staaten beschränken, damit sich dann der IWF und die Weltbank auf die weniger solventen Staaten konzentrieren können.

Besondere Beachtung verdienten zudem Länder ohne eigene Währung wie Kosovo und Montenegro, wo der Euro benutzt wird. Das Gleiche gilt für Ecuador, El Salvador, Panama und Osttimor, wo der US-Dollar als Währung dient. Mit diesen Staaten müssten die EZB und die Fed besondere Vereinbarungen treffen, damit deren Bankensystem abgesichert ist.

Klimaziele und Klimahilfen wackeln

Diese Maßnahmen hätten auch einen Einfluss auf die Anstrengungen der Entwicklungsländer im Kampf gegen die Klimakrise. Alle Länder entwickeln derzeit neue Klimaziele, wie im Paris-Abkommen vereinbart. Dafür sind aber verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich.

So müssen Länder, die Solarpaneele importieren, wissen, mit welchem Wechselkurs sie rechnen können. Das Gleiche gilt für die Zinsen. Ob sich ein Solarpark rechnet oder nicht, hängt insbesondere von den Kapitalkosten ab.

Wegen der Coronakrise und ihren Kosten dürften viele Entwicklungsländer zudem die Klimahilfen der Industriestaaten als weniger verlässlich einschätzen.

Vor diesem Hintergrund ist klar: Jede Maßnahme, die diese Unsicherheiten reduziert, ermöglicht es den Entwicklungsländern, ehrgeizigere Klimaziele zu verabschieden.

Anzeige