Die Koalitionsverhandlungen für die "Groko Merz" stehen bevor. Beim Thema Energie- und Klimapolitik gibt es einige Knackpunkte, da Union und SPD hier unterschiedlich ticken. Beispiele: Neu-Einstieg in die Atomkraft, Abschaffung des Heizungsgesetzes, Tempolimit auf Autobahnen. Hier dürfte es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Verhandlern für die künftige Regierung geben.

Doch die künftigen Koalitionäre wären gut beraten, einen Schwerpunkt bei einem in der politischen Debatte kaum beachteten und auch in den Wahlprogrammen unterbelichteten Thema zu legen: beim Energiesparen. Hier, bei diesem "schlafenden Riesen der Energiepolitik", liegen enorme ungehobene Potenziale mit dreifachem Vorteil: geringere Energiekosten, Klimaschutz, sinkende Importabhängigkeit.

 

Der 5. März ist der "Internationale Energiespartag". Dass er diesmal in die Zeit von Koalitionsgesprächen fällt, gibt ihm zusätzliche Bedeutung. Das Umweltinstitut München hat jetzt auf die Bedeutung des Instruments Energieeffizienz hingewiesen: "Während der Ausbau der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt der Debatte steht, wird das enorme Einsparpotenzial durch effizientere Technologien und Prozesse häufig unterschätzt."

Dabei, so die Umweltorganisation, könne die Energieeffizienz einen entscheidenden Beitrag leisten: Gedämmte Gebäude, stromsparende Motoren, moderne Beleuchtung und effiziente Rechenzentren ermöglichten es, die gleichen Leistungen mit weniger Energieverbrauch zu erzielen.

Tatsächlich sind sich die Fachleute in den unterschiedlichsten Gremien einig, dass das intelligente Energiesparen mit besseren Technologien die wirksamste Methode ist, um kurzfristig Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einzusparen. Die Forderung, hier einen Schwerpunkt zu setzen, kommt zum Beispiel von der Internationalen Energieagentur IEA, aber auch der UN-Klimagipfel in Dubai im vorletzten Jahr stellte sie neben dem beschleunigten Ausbau der CO2-freien Energien ins Zentrum.

Hohes Einsparpotenzial in allen wichtigen Sektoren

Und immerhin: Auch Deutschland hat ein "Energieeffizienzgesetz", 2023 verabschiedet von der Ampel-Regierung, das hier ambitionierte Ziele vorgibt. Danach soll der Primärenergieverbrauch bis 2030 um mindestens 39,3 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2008 auf 2.252 Milliarden Kilowattstunden sinken. 2024 waren es 2.913 Milliarden Kilowattstunden.

Bisher läuft die Einsparung zu langsam. 2024 zum Beispiel sank der Energieverbrauch gegenüber 2023 nur um 1,3 Prozent, und das, obwohl die Wirtschaft bereits lahmte.

Chemiepark von Dow Chemical in Stade.
In der Industrie ließe sich der Energiebedarf laut einer Studie noch deutlich senken. (Bild: Christian ​Hager/​Dow)

Analysen zeigen, dass in allen wichtigen Sektoren viel mehr Einsparung drin wäre, ohne Wirtschaftsleistung oder Komfort einzubüßen. So ermittelte die Hochschule Niederrhein in Krefeld im Jahr 2023: Würden in der Industrie hierzulande alle wirtschaftlich sinnvollen und standardmäßig verfügbaren Energieeffizienz-Maßnahmen umgesetzt, ließe sich der Endenergiebedarf hier um bis zu 44 Prozent senken.

Dabei geht es um Prozesswärme (Dampf, Öfen, Trockner), Antriebsenergie und Raumwärme. Die Einsparung entspräche laut der Studie etwa der Stromproduktion in acht großen Kohlekraftwerken plus der Kapazität von vier Flüssigerdgas-(LNG-)Terminals.

Weiterer Pluspunkt: Die Energiekosten würden jährlich um etwa 25 Milliarden Euro niedriger liegen. "Das ist eine große Chance für die Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht solides Wachstum trotz der langfristig notwendigen Energie- und Treibhausgas-Einsparungen", so das Forschungsteam um Professor Jörg Meyer.

"Jeder Euro für Effizienz spart langfristig ein Vielfaches"

Doch auch im Gebäudesektor gibt es erhebliches Potenzial. Laut Umweltinstitut München könnten hierzulande mehr als die Hälfte aller Heizöl-Importe und ein Drittel der insgesamt geplanten LNG-Terminals eingespart werden, wenn mindestens 80 Prozent der Gebäude auf die obersten Effizienzklassen A oder B saniert würden. Zudem würden die Energiekosten deutlich sinken, was vor allem Haushalte mit geringem Einkommen von den hier steigenden Kosten entlaste.

Ein weiteres Feld ist die Beleuchtung. Eine durchgängige Umstellung auf sparsame LED-Beleuchtung würde nach den Angaben den Jahres-Stromverbrauch in Deutschland um 40 Milliarden Kilowattstunden reduzieren, was der Leistung von drei großen Kohlekraftwerken entspräche.

"Jeder Euro, der in Energieeffizienz investiert wird, spart langfristig ein Vielfaches an Energiekosten", resümiert Leonard Burtscher, Referent für Energiepolitik am Umweltinstitut. Doch er weist noch auf weitere Vorteile hin. Die effiziente Nutzung von Energie entlaste auch die Stromnetze, weil eine geringere Spitzenlast den Bedarf an teurem Netzausbau und Backup-Kraftwerken senke.

"Zudem macht eine effizientere Energienutzung die Versorgung widerstandsfähiger in Krisen und unsicheren Zeiten", so Burtscher. Die Energiewende mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gelinge günstiger, schneller und umweltschonender, wenn neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt weniger Energie verbraucht wird. Energieeffizienz und Erneuerbare ergänzten sich perfekt.

"Endlich Ernst machen mit 'Energy Efficiency First'"

Ganz ähnlich argumentiert auch der frühere Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Energie, Umwelt, Peter Hennicke, der viele Jahrzehnte an Konzepten für eine effiziente Energienutzung gearbeitet hat.

"Es muss mit der Leitlinie 'Energy Efficiency First', die ein Hauptpfeiler für kostengünstigen Klimaschutz ist, endlich Ernst gemacht werden", sagte Hennicke gegenüber Klimareporter°. "Das ist überfällig." Energiesparen werde in Deutschland "weiter ein schlafender Riese bleiben, wenn die Politik nicht genug strategisch mithilft, mehr förderliche Rahmenbedingungen zu setzen".

Fachleute fordern mit Blick auf die Energiepolitik der künftigen Groko gezielte politische Maßnahmen, um die Effizienzpotenziale zu heben. So müsste die Sanierungsrate bei den Bestandsgebäuden, die derzeit unter einem Prozent pro Jahr liegt, deutlich angehoben werden, um den Wohnungssektor wie geplant bis 2045 klimaneutral zu machen.

Ebenso braucht es Anreize für die Industrie, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, die zwar hochrentabel sind, aber dennoch gescheut werden, weil die Rücklaufzeiten der Investitionen länger als drei Jahre betragen.

Nötig sind, so die Expertise, Förderprogramme, steuerliche Anreize und ambitionierte Effizienzstandards. "Hier ist die neue Bundesregierung gefragt, Unternehmen und Verbraucher:innen beim Umstieg zu unterstützen", sagt Burtscher.

Hennicke ergänzt das um den konkreten Vorschlag, die neue Regierung solle eine gut ausgestattete "Bundeseffizienzagentur" einrichten, die das Erreichen der gesetzlichen Energiesparziele koordiniert und zum Beispiel in regionalen One-Stop-Shops die Beratung und praktische Unterstützung aus einer Hand für die energetische Gebäudesanierung anbietet.

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