Kaffee gehört einfach dazu. Die Deutschen trinken ihn leidenschaftlich gerne – im Schnitt im Jahr etwa 167 Liter pro Kopf. Das entspricht, zusammengerechnet, rund 37,5 Milliarden Tassen.

Doch während das braune Getränk früher fast ausschließlich aus der Kanne kam, werden heute häufig Einzelportionen beim Kaffeebrühen verwendet – entweder in Zellstoff-Pads oder Kapseln aus Kunststoff oder Aluminium. Besonders die Kapseln haben ein schlechtes Ökoimage, und die Hersteller versuchen inzwischen, es mit "nachhaltigen" Varianten zu verbessern.

 

Aktuell führt die Nestlé-Marke Nespresso als erste neben ihren klassischen Alukapseln auch eine Variante aus Papier ein. Problem gelöst? Umweltfachleute sind nicht überzeugt.

Der meiste Kaffee wird klassisch gemahlen in Vakuum-Packungen und, seit dem Siegeszug der Kaffee-Vollautomaten auch für den Hausgebrauch, als ganze Bohnen in Beuteln verkauft. Kaffeepads haben einen Marktanteil von rund sechs Prozent, Kaffeekapseln kommen auf fünf Prozent.

Vorteil der Kapseln: Nicht nur das Brühen geht schnell, auch das Aroma bleibt gut, selbst wenn die Kapseln lange lagern. Doch sie haben mit Blick auf die Umwelt einen schlechten Ruf.

Nach einer Erhebung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werden hierzulande pro Jahr 2,8 Milliarden dieser Kapseln verbraucht, was einen 9.700 Tonnen schweren Müllberg aus Plastik, Aluminium und Pappe erzeuge. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation bezieht sich dabei auf Daten des Kaffeeverbandes von 2022 und hat dazu Gewichtsmessungen bei den gängigsten Marken durchgeführt.

"Gipfel des Verpackungsmüllbergs"

Der Nahrungsmittel-Multi Nestlé hat das schnelle Kaffeebrühen mit Einzelportionen in einfachen Automaten vor über 30 Jahren salonfähig gemacht hat – legendär die Werbung mit Weltstars wie George Clooney.

Gerade der Schweizer Konzern steht bei der DUH aber auch in der Kritik. Die Kaffeekapseln der Marke Nespresso seien "der sprichwörtliche Gipfel des Verpackungsmüllberges von Nestlé", kritisierte die Umweltorganisation im vorigen Jahr bei der Verleihung des Negativpreises "Goldener Geier" für die "dreisteste Umweltlüge des Jahres" an das Unternehmen.

Kaffeekapseln aus energieintensivem Aluminium sollen bei Nestlé weiter im Mittelpunkt stehen. (Bild: Adrian Michael/​Wikimedia Commons)

Laut DUH-Berechnungen kommen bei Nespresso-Kapseln auf 100 Gramm Kaffee fast 40 Gramm Verpackung, was knapp zwölfmal mehr Verpackungsmüll als beim Kaffeebereiten mit einer handelsüblichen 500 Gramm-Packung Pulverkaffee mit sich bringe.

Nestlé lanciert nun bundesweit in seinen "Boutiquen" und im Online-Shop eine "Paper-based Collection" mit vier Nespresso-Kaffeesorten, wobei die Kapseln laut dem Unternehmen grundsätzlich kompostierbar sind.

Laut den Angaben bestehen die Kapseln zu 82 Prozent aus Papierzellstoff, ergänzt durch eine biologisch abbaubare Schutzschicht, die ein gutes Kaffeearoma bis zur Zubereitung garantieren soll. Die ausgedienten Kaffeekapseln können laut Nestlé auf dem heimischen Kompost zusammen mit Garten- und Küchenabfällen entsorgt werden.

Eine Entsorgung über die Biotonne ist hierzulande bisher nicht erlaubt. Man arbeite "jedoch aktiv mit Partnern, um langfristig Lösungen für die Biotonnen-Entsorgung zu entwickeln", hieß es dazu auf Klimareporter°-Anfrage. Verwiesen wird auf Frankreich und Italien, wo die Kapseln angeblich bereits in die Biotonne dürfen.

Alu-Kapseln bleiben für Nestlé "zentral"

Allerdings sieht Nestlé ohnehin kein Problem mit der Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Kapseln, egal, ob aus Aluminium oder Papier. Es handele sich um "zwei umweltbewusste Lösungen", heißt es dort.

In einer für das Unternehmen angefertigten Analyse zum CO2-Fußabdruck für eine Tasse Kaffee kommen beide Varianten auf ähnliche Werte, Alu auf 81 und Papier auf 79 Gramm CO2-Äquivalent – weniger als bei einem Kaffee-Vollautomaten, bei dem es 117 Gramm seien. Besser schneidet allerdings die klassische Espresso-Kanne für die Herdplatte ab, mit 70 Gramm.

Nestlé betont, nicht von der Aluminium-Kapsel abrücken zu wollen, sie spiele "weiterhin eine zentrale Rolle". Sie bewahre das Kaffeearoma optimal, bestehe zudem aus mindestens 80 Prozent Recyclingmaterial und könne über den gelben Sack oder die gelbe Tonne selbst wieder recycelt werden.

Den Anteil der Kapseln, die tatsächlich diesen Weg gegen und nicht im Restmüll landen, schätzt Nestlé für Deutschland auf 52 Prozent und im internationalen Schnitt auf rund ein Drittel. Man peilt vielmehr neue Käuferschichten an.

Es gebe eben auch Kaffeetrinker, die eine Verpackung aus einem nachwachsenden Rohstoff bevorzugen, mit Entsorgung auf dem Kompost zu Hause, heißt es bei dem Unternehmen, das die neuen Kapseln bereits in Frankreich und Italien anbietet. So hätten sich neue Gruppen ansprechen lassen. Zudem helfe die Innovation, sich von den Wettbewerbern abzuheben.

"Bioplastik" ist wieder vom Markt verschwunden

Das schlechte Ökoimage der herkömmlichen Kapseln hat in den letzten Jahren schon andere Kaffeehersteller wie Dallmayer, Darboven, Lavazza oder auch Edeka mit seiner Eigenmarke dazu gebracht, Alternativen zu entwickeln – nämlich Kapseln aus sogenanntem Bioplastik.

Doch sie verschwanden, wie die Zeitschrift Lebensmittel Praxis berichtet, wieder vom Markt. Das Problem: Sie störten die Kompostierung bei Abfallverwertern, weil sie sich zu langsam zersetzen, und mussten vorher aussortiert werden, Endstation Verbrennung.

"Bioplastik" – hier als Wegwerfbecher – ist auch in industriellen Anlagen nicht wirklich kompostierbar. (Bild: Michele D'Ottavio/​Shutterstock)

Einen neuen Anlauf für eine Ökokapsel machte unlängst neben Nestlé übrigens auch der Hamburger Kaffeeröster Meyer & Horn, der für seine Marke Hagenbeck Kaffee die laut Eigenwerbung "erste zu 100 Prozent heimkompostierbare Kaffeekapsel aus Bagasse" anbietet. Bagasse ist ein Reststoff aus der Zuckerrohr-Produktion.

Die Firma gibt an, damit eine Lösung zur Abkehr von "tonnenschwerem Aluminium- und Kunststoffmüll sowie schwer verwertbaren Biokapsel-Alternativen" gefunden zu haben. Hagenbeck Kaffee wirbt damit, es lasse sich so "komfortabler Kaffeekapsel-Genuss mit einem nachhaltigen Gewissen" verbinden.

Bei der Deutschen Umwelthilfe treffen solche Aussagen auf wenig Gegenliebe. Ob Nespresso oder Hagenbeck Kaffee, die neuen Kapseln, sorgten nicht für weniger Müll, kritisiert DUH-Kreislaufwirtschaftsexperte Thomas Fischer. "Einweg bleibt Einweg", so Fischer gegenüber Klimareporter°. Je kleinteiliger die Verpackungen, desto überproportional mehr Müll falle an.

Doch auch bei der Entsorgung gibt es Fischer zufolge noch Fragen. Falls die Kapseln noch Anteile von Plastik oder Bioplastik enthielten, seien sie eben laut Bioabfallverordnung nicht für die Biotonne zugelassen – und auch im Hauskompost nicht sinnvoll: "Zum einen können dann Probleme beim Abbau auftreten, und zum anderen kann Plastik in der Umwelt verbleiben."

 

Eine Entsorgung über den gelben Sack mache aber auch keinen Sinn, so Fischer, denn in den gängigen Sortieranlagen gebe es für solche speziellen Materialien keine Sortiergruppe. "Sie landen in den Sortierresten und werden verbrannt."

Fischer rät: Wer wirklich umweltfreundlich Kaffee trinken möchte, solle zu einem klassischen Mokka-Kocher, einer French Press oder zu Filterkaffee greifen. Oder aber, wenn es denn eine Kapsel sein soll, auf eine wiederverwendbare Mehrweg-Variante setzen, die es von mehreren Anbietern gibt. "Das Befüllen geht, anders als viele denken, schnell. Und man kann dabei ein richtig gutes Gewissen haben", so der Experte.

Korrektur am 7. März: 167 Liter pro Kopf in Deutschland sind etwa 37,5 Milliarden Tassen, nicht eine Milliarde. Wir haben das im ersten Absatz berichtigt.

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