Ein Zement-Fahrzeug in einer Durchfahrt im Zementwerk Weisenau in Mainz.
Energieintensive Branchen sollen auch beim CO2-Preis geschont werden. (Foto: Martin Kraft/​Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Warum, fragte sich mancher, musste der nationale Emissionshandel, bevor er Anfang 2021 in Kraft tritt, schon gesetzestechnisch überarbeitet werden? Der war doch erst Ende 2019 beschlossen worden?

Vordergründig ging es bei dem letzte Woche im Bundestag beschlossenen ersten Änderungsgesetz darum, die vom Bundesrat Ende 2019 durchgesetzten höheren CO2-Preise nun in Gesetzesform zu gießen.

Entsprechend steigt nun der Preis, um eine Tonne CO2 emittieren zu dürfen: 2021 auf 25 Euro und dann in Jahresschritten auf 30, 35, 45 und schließlich 55 Euro im Jahr 2025. Dann folgt 2026 ein Preiskorridor von 55 bis 65 Euro für ein Emissionszertifikat.

Ob daraus ein starkes Preissignal resultiert, ist eher fraglich. Nach Angaben des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) ist 2025 ein Aufschlag von 13 bis 15 Cent je Liter Heizöl, Benzin oder Diesel zu erwarten und bei Erdgas von einem Cent je Kilowattstunde.

Diese Erhöhung liegt laut dem Thinktank noch in dem Bereich, in dem die Preise für diese Energieträger seit 2010 am Markt schwanken. Die daraus resultierende Lenkungswirkung sei für die angestrebte Klimawirkung "zu gering", kritisieren die FÖS-Experten in einer kürzlich veröffentlichten Analyse und verweisen auf renommierte Klimawissenschaftler, die einen Einstiegspreis von 50 Euro fordern.

"Das öffnet Lobbyisten Tür und Tor"

Ungeachtet dessen beschloss die Bundesregierung am 23. September Eckpunkte einer sogenannten Carbon-Leakage-Verordnung. Die soll Unternehmen vor möglichen Belastungen durch den nationalen CO2-Preis schützen.

Es sei "für das Klima nichts geschafft und nichts erreicht, wenn energieintensive Produktion aus Deutschland mit den Arbeitsplätzen abwandert und dann möglicherweise an anderen Orten noch höhere Klimaschäden entstehen, als es sie hier gegeben hätte", begründete Klaus Mindrup von der SPD-Fraktion letzte Woche im Bundestag den Sinn der Eckpunkte.

Den Koalitionsabgeordneten von Union und SPD ist die Sache so wichtig, dass sie in einer Extra-Entschließung die Regierung auf die Verabschiedung der Leakage-Verordnung noch vor Jahresende festnagelten.

Als sicher gilt bereits, dass per Leakage-Verordnung alle Branchen, die schon im EU-Emissionshandel als beihilfeberechtigt gelten – und deswegen zum Beispiel kostenlose Emissionszertifikate erhalten –, auch im nationalen Handel beihilfeberechtigt sein sollen. Ob es dann auch kostenlose Zertifikate gibt, ist noch unklar – geplant sind bisher eher finanzielle Hilfen für klimafreundliche Investitionen.

Die EU-Liste für die kostenlose Zuteilung im Emissionshandel sei sehr großzügig, bemerken die FÖS-Experten: Sie decke über 90 Prozent der Industrieemissionen ab. Zusätzlich könnten weitere Sektoren nach quantitativen oder auch "qualitativen Kriterien" aufgenommen werden.

Auch dieser Punkt – dass zusätzliche Wirtschaftsbereiche als beihilfeberechtigt anerkannt werden können – lag den Koalitionsfraktionen so am Herzen, dass sie ihn in den Entschließungsantrag aufnahmen.

Derzeit sei aber unklar, nach welchen Kriterien das geschehen solle, schreiben die FÖS-Analysten. Damit werde dem Lobbyismus "Tür und Tor geöffnet". Stattdessen sollten Ausnahmen auf Sektoren beschränkt werden, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen tatsächlich ein Risiko für Carbon Leakage besteht.

22 von 27 Branchen offenbar gar nicht betroffen

Endgültig konterkariert werden die Bemühungen um Klimaschutz per nationalem CO2-Preis nach Auffassung des FÖS mit der Entlastung der Wirtschaft durch eine sinkende EEG-Umlage. Die Koalition will die Umlage bekanntlich aus Steuermitteln für 2021 bei 6,5 Cent stabilisieren und für 2022 auf sechs Cent senken.

Über alle Wirtschaftszweige gerechnet liege die Netto-Entlastung bei 731 Millionen Euro, rechnet das FÖS vor. Nur fünf von 27 Wirtschaftszweigen würden – nationaler Emissionshandel versus EEG-Umlage – überhaupt netto belastet: Glas, Chemie, Papier, Kokereien/​Raffinerien sowie Erdöl- und Erdgasgewinnung. Unternehmen aus diesen Zweigen sind bisher gar nicht oder nur teilweise vom europäischen Emissionshandel erfasst und fallen nun, wenn sie fossile Brennstoffe einsetzen, unter das nationale Handelsgesetz.

"Die Senkung der EEG-Umlage kompensiert bei vielen Unternehmen bereits einen Großteil der CO2-Kosten", heißt es in der Analyse. Deswegen sollten die Entlastungen bei den Strompreisen mit den Mehrkosten der CO2-Bepreisung verrechnet werden.

Würden zudem noch die geplanten Ausnahmen etwa bei der Carbon-Leakage-Verordnung berücksichtigt, fiele die Nettoentlastung aus Sicht des FÖS "noch höher" aus. Dann stünde möglicherweise auch bei den fünf genannten Branchen in der Rechnung unter dem Strich ein Plus.

Anzeige