Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Ahmet Kudsi Arslan ist seit knapp zwei Jahrzehnten bei seiner Bank tätig. Er hat dort in leitender Funktion verschiedene Bereiche betreut – von der Finanzanalyse über das Marketing und die Filialleitung bis zum Kredit- und "Private Wealth"-Management für wohlhabende Kunden.

Was sich wie ein ganz gewöhnlicher beruflicher Lebenslauf eines Bankangestellten liest, bietet doch eine Überraschung: Arslan leitet die erste Bank in Deutschland, die Finanzprodukte nach den Prinzipien des islamischen Bankwesens anbietet.

Die Bundesfinanzaufsicht Bafin hat bereits im Jahr 2015 Arslans Bank eine branchenübliche Vollbanklizenz in Deutschland erteilt. Und doch ist die Kuveyt Türk Bank anders: Sie betreibt ihre Finanzgeschäfte ohne Zinsen.

Wenn Kunden in Deutschland zu einer Sparkasse an der Ecke gehen, um sich ein Häuschen zu finanzieren, kriegen Sie einen Kredit und zahlen dafür Zinsen. In einem Islam-konformen Modell kauft die Bank das Haus und verkauft es dann an den Kunden weiter. Mit einem Aufschlag.

Dabei komme im Endeffekt dasselbe heraus, werfen Kritiker ein. Doch für die Scharia als Grundordnung der islamischen Lebensauffassung ist es wichtig, dass der Gewinn nicht auf Zins basiert, sondern auf einem fairen Handelsgeschäft, und letztlich in die Gemeinschaft reinvestiert wird.

"Islamisches Bankwesen ist damit im Grunde ein Teil des SRI-Bereichs ('Socially Responsible Investment') und steht für nachhaltiges, integres und verantwortungsbewusstes Investieren", heißt es dazu von der KT Bank.

Die Marktlücke ist allerdings relativ klein. Nur einer von fünf Muslimen in Deutschland scheint unzufrieden mit Sparkassen, genossenschaftlichen und privaten Banken. Auch diese bieten teilweise Produkte nach Scharia-Regeln an.

"Unsere Marktforschung hat ergeben, dass 21 Prozent der Muslime hierzulande ein islamisches Geldhaus als natürliche Hausbank sehen würden", hieß es zum Start der KT Bank in Frankfurt am Main. Seither sieht sich die Bank "auf Expansionskurs".

Mittlerweile ist die KT Bank auch in Berlin, Mannheim, Köln und München vertreten. Wie viele Kunden sie betreut, nannte die Bank auf Anfrage bis Redaktionsschluss allerdings nicht. Die Zahl dürfte aber nur im niedrigen fünfstelligen Bereich liegen. Angesichts von etwa sechs Millionen Muslimen, die nach offiziellen Angaben in Deutschland leben, eine erstaunlich geringe Zahl.

Kunde und Bank in einem Boot?

Dabei hat das "Islamic Banking", dessen westlicher Hotspot in London liegt, durchaus Charme, unabhängig von Nationalität und Religionszugehörigkeit. Schon Aristoteles kritisierte den Zins, weil er "aus dem Geld selbst den
Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist". Auch im Christentum galt der Zins lange als verwerflich. Zinsnahme ist danach kein ordentliches Geschäft.

Ein ordentliches, also handfestes Geschäft ist jedoch der Handel mit Gütern und Waren. Der zentrale Gedanke der islamischen Ökonomie ist, dass Geld als soziales Tauschmittel erhalten bleibt, aber nicht identifiziert wird mit dem realen Gut.

Beim Zins "handeln" wir dagegen mit Geld. Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, wie gefährlich es sein kann, wenn Geld und Gut gleichgesetzt werden.

Eine islamische Bank verzichtet nicht auf Profit, aber sie orientiert sich an der Realwirtschaft. Beide Seiten, Kunde und Bank, sitzen in einem Boot. Das Risiko wird geteilt. Spekulation ist dann nicht Investition, sondern Glücksspiel – also verboten.

Zur Koran-freundlichen Bank gehört auch der Verzicht auf Geschäfte mit Alkohol und Tabak, Pornografie und Rüstung. Islamische Wirtschaft an sich ist dennoch mit Kapitalismus und Marktwirtschaft bestens vereinbar. Lediglich extreme Ungleichheiten sollen vermieden werden, etwa zwischen Arm und Reich.

Dass Anspruch und Wirklichkeit auch im Islam miteinander streiten, zeigen Staatsfonds aus streng islamischen Ländern wie Saudi-Arabien oder den Golf-Emiraten, die beispielsweise an Automobil- und Elektronikkonzernen in Europa und Nordamerika beteiligt sind, die wiederum Militärgeschäfte betreiben.

So ist der Staatsfonds von Kuwait seit 1974 am "Rüstungskonzern" Daimler/​Mercedes beteiligt. Und die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft, die im Herbst in Katar stattfinden soll, werden von Arbeitsrechtlern als skandalös kritisiert.

Auch Aktien sind im Islam-Banking erlaubt. Nur müssen es die richtigen sein. Verboten ist dann lediglich "übermäßige Spekulation". So basiert der bekannteste Börsenwert, der Dow Jones Islamic GCC Index, auf einer Scharia-konformen Konzeption, er besteht aus rund 100 internationalen Aktienwerten.

Auch die von Ahmet Kudsi Arslan geleitete KT Bank gehört einer Aktiengesellschaft, einer der größten in der Türkei. Haupteigentümer ist mit rund 62 Prozent eine Bank aus Kuwait. Diese Großbank ist auch auf den internationalen Finanzmärkten aktiv.

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