Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Klima und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Sparkassen, Großbanken und Versicherungskonzerne bietet ihren Kunden inzwischen ein buntes Angebot an "grünen" Produkten feil. Die neue Konkurrenz stellt für alternative Anbieter wie Ethikbank, Triodos oder Umweltbank, die seit Langem auf Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung oder englisch kurz "ESG" achten, eine wirtschaftliche Herausforderung dar.

Ein Pionier der internationalen Grüngeldszene ist die GLS Bank aus Bochum. Klimareporter° fragte Vorstandssprecher Thomas Jorberg.

Klimareporter°: Herr Jorberg, ärgert Sie das Vordringen "normaler" Banken in Ihr angestammtes Geschäftsfeld?

Thomas Jorberg: Nein, überhaupt nicht, ich halte das für eine sehr gewünschte Entwicklung. An der GLS Bank allein wird die Welt nicht genesen. Wir müssen den gesamten Finanzmarkt auf konsequente Nachhaltigkeit ausrichten. Sonst werden wir die Transformation nicht schaffen.

Auch wenn Sie die neue Konkurrenz nicht ärgert, so machen Ihnen doch Banken und Sparkassen, die massiv auf ESG setzen, das Leben schwerer.

Ja, es stimmt, der Wettbewerb um nachhaltige Projekte wird größer. Das fordert uns heraus, die Qualität unserer Beratung ebenso weiterzuentwickeln wie unsere Finanzierungsinstrumente. Das ist auch völlig in Ordnung so.

Dann nennen Sie uns doch Beispiele, wo sich die GLS Bank konkret von der konventionellen Konkurrenz abhebt.

Derzeit haben wir etwa ein Programm zur Photovoltaik-Finanzierung, bei dem wir Gewerbetreibenden im Ruhrgebiet eine Komplettlösung anbieten zu sehr günstigen Konditionen. Das ist vom Preis, der Bewertung und der Finanzierung zwar aufwendiger als etwa bei Freiflächen. Aber wir sind überzeugt, dass viel mehr Dächer eine Solaranlage benötigen.

Ein zweites Beispiel ist unsere langjährige Erfahrung und Kompetenz in unseren Kernbranchen. Das führt etwa bei Bauprojekten dazu, dass wir sehr gut ökologische Bauweisen bewerten und auch finanzieren können, etwa wenn Holz für Hochhäuser genutzt wird.

GLS Bank

Die GLS Bank wurde 1974 zur Finanzierung einer Waldorfschule gegründet. GLS steht für "Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken". Im Jahr 2003 übernahm die GLS die finanziell in Schwierigkeiten geratene linksalternative Ökobank, die in den 1980er Jahren aus der Umwelt- und Friedensbewegung hervorgegangen war.

Die als Genossenschaft organisierte Bank unterhält neben ihrem Stammsitz in Bochum sechs Filialen in deutschen Großstädten. Online-Kunden können bundesweit an 18.000 Automaten Bargeld gebührenfrei abheben.

Einen unabhängigen Check der GLS Bank und weiterer Geldhäuser bieten die Verbraucherzentrale Bremen auf ihrer Seite geld-bewegt.de sowie die NGO-Initiative Fair Finance Guide.

Europa droht eine Kernspaltung

Ein weiteres Thema bewegt Banker Jorberg. Ein Thema, das in Deutschland eigentlich abgehakt ist: Atomenergie.

In Frankreich trägt sie bis heute einen Großteil zum Strommix bei und soll dies nach dem Willen von Präsident Emmanuel Macron auch zukünftig tun. In den Niederlanden hat die Regierung Mitte des Monats beschlossen, zwei neue Atomkraftwerke bauen zu wollen, um die gerichtlich festgesetzten Klimaziele zu erreichen.

Europa droht damit eine "Kernspaltung". Im neuen Jahr will die Europäische Union über ein Regelwerk entscheiden, das definiert, ob Unternehmen ökologisch wirtschaften. Über die sogenannte EU-Taxonomie wird noch heftig gestritten. Doch die Tendenz geht dahin, so Jorberg, dass Atomkraft und Erdgas zukünftig als "grüne" Geldanlagen gelten werden.

Hier grenzt sich die GLS Bank klar ab. Es brauche Investoren und Banken, die Nachhaltigkeit so streng definieren wie möglich und zugleich über die Risiken nicht-nachhaltiger Geldanlagen informieren.

Jorberg sieht einen wichtigen Unterschied zwischen CO2-Emissionen und einem Atomunfall: CO2 habe eine naturzerstörende schleichende Langzeitwirkung, während ein Atomunfall in kürzester Zeit menschliches Leben und Natur flächendeckend über Ländergrenzen hinweg zerstöre. "Gas ist für eine kurze Übergangszeit noch tolerierbar, Atomenergie jedoch unverantwortbar."

Werden Atomenergie und Erdgas tatsächlich als "nachhaltige" Energieformen in die EU-Taxonomie aufgenommen, stünden sie in der Nachhaltigkeitsbewertung auf derselben Ebene wie Wind- oder Solarenergie. Das brächte die neue Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen in arge Bedrängnis.

Und es dürfte bei der Mehrheit der deutschen und weiten Teilen der europäischen Bevölkerung das EU-Gütesiegel für grüne Finanzen in Misskredit bringen, erwartet Jorberg: "Gas und Atom in ein Nachhaltigkeitssiegel zu integrieren zerstört von Anfang an jedes Vertrauen von umweltbewussten Anleger:innen." Das als Beschleuniger der Transformation gedachte Instrument der Taxonomie werde so "ad absurdum geführt".

Atomkraft wird nur immer teurer

Auch ökonomisch ist Atomenergie aus Sicht von Kritikern und vielen Experten nicht nachhaltig. Die Bau- und Betriebskosten für AKW und auch für Kohlekraftwerke liegen mittlerweile deutlich über denen für regenerative Energien.

Das liegt auch daran, dass die Erzeugungskosten für Ökostrom deutlich gesunken sind. Zu diesem Ergebnis kommen Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg in ihrer aktuellen Studie zu den Gestehungskosten für Strom aus erneuerbaren Energien.

Die tatsächlichen Risiken der Atomenergie seien zudem unversicherbar, erinnert Jorberg, weswegen sie in Haftungsfragen eine rechtliche Sonderbehandlung genießen. "Zukünftige Schäden beim Uranabbau, Reaktorunfälle oder das bislang ungelöste Problem einer Endlagerung sind in monetären Risiken gar nicht abschätzbar."

Trotz irritierender Atom-Diskussionen und der schärfer werdenden Konkurrenz bleibt Jorberg für die Zukunft doppelt optimistisch. "In zehn Jahren wird die GLS Bank auch dann ein wesentlicher Player und weiter Qualitätsführer der Nachhaltigkeit sein." Und dann werde ein großer Teil der Transformation hinter uns liegen – müssen.

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