Statue vor dem Parlament in Wien
Die Statue des griechischen Geschichtsschreibers Xenophon vor dem Parlament in Wien soll die Abgeordneten daran erinnern, dass ihre Arbeit auch vor dem Urteil künftiger Generationen bestehen muss. (Foto: Andreas N. Domeckopol/​Pixabay)

Harsche Kritik von Klimaschützer:innen und Opposition, gegenseitiges Schulterklopfen in der Regierung: Das waren die Reaktionen auf die am Sonntag präsentierte Steuerreform in Österreich, die sich selbst das Prädikat "sozial-ökologisch" gibt.

Werner Kogler, Chef der mitregierenden Grünen, verkaufte sie sogar als Klimaschutz-Pionierleistung: "Als eines der ersten Länder in der Europäischen Union führt Österreich die CO2-Bepreisung ein."

Doch die Behauptung von der österreichischen Vorreiterrolle ist falsch. Das musste nicht erst Faktiv, die Faktencheck-Redaktion des Nachrichtenmagazins Profil, feststellen ("Diese Darstellung ist unzutreffend."). Richtiggestellt werden musste nach der Präsentation der geplanten Steuerreform so einiges, und zwar von Expert:innen und Klimaschützer:innen.

Die österreichische Bundesregierung aus konservativer ÖVP und Grünen hat nach monatelangem Ringen ihr Konzept der sozial-ökologischen Steuerreform vorgelegt. Die Grünen wollen damit ihre ökologische Handschrift in der Regierungsarbeit sichtbar gemacht haben. Aber ist dies glaubhaft gelungen?

Kern des präsentierten Steuerpakets ist die Bepreisung von CO2-Emissionen, um damit einen Lenkungseffekt in Gang zu setzen. "Klimafreundliches Verhalten wird günstiger und einfacher werden, klimaschädliches bekommt einen Preis und wird teurer", so Grünen-Chef Kogler bei einer Pressekonferenz am Sonntag. "Ökologische Kostenwahrheit und ökologische Preis- und Steuergerechtigkeit" solle die Reform bringen.

CO2-Preis-Erstattung je nach Wohnsitz

30 Euro kostet ab Mitte 2022 die Tonne CO2 in Österreich, bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen. Um sozial benachteiligte Haushalte zu entlasten, wird ein Teil der CO2-Gebühr zurückerstattet. Die Höhe der Rückzahlung bemisst sich nach der Anbindung an den öffentlichen Verkehr am jeweiligen Wohnsitz.

Denn Menschen abseits größerer Städte haben wenig Möglichkeiten, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sie sind von der Benutzung des Autos inklusive Benzin und Diesel abhängig, während die Stadtbewohner:innen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen können. Erstere bekommen daher mehr Geld erstattet als die Bewohner:innen der Städte, insbesondere Wiens.

Zudem, beteuert der Grünen-Chef, sei die Steuerreform nur ein Hebel von vielen, um das Klima zu schützen. Viel Geld fließe auch in andere Bereiche, etwa in die Förderung von Bahnverkehr und E-Mobilität und in den Infrastrukturausbau.

Doch allein das Kernstück der Reform, die CO2-Bepreisung, weckt den Unmut auf vielen Seiten. Wenig verwunderlich, hat doch sogar VW-Chef Herbert Diess zuletzt einen Preis von 65 Euro pro Tonne CO2 ab 2024 gefordert. In der Schweiz etwa kostet schon jetzt eine Tonne 87 Euro. Mit 201 Euro beziffert das Umweltbundesamt die Klimaschäden durch eine Tonne CO2.

Entlastung für große Unternehmen

Die Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb kritisiert: "Egal, wie man es rechnet, 30 Euro sind zu wenig." Bei einem so niedrigen Preis sei einfach der Effekt zu gering. Im Fokus der Steuerung steht in Österreich der Individualverkehr, der einen bedeutenden Teil der CO2-Emissionen des Landes ausmacht.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bemängelt ohnehin, dass Österreich bereits jetzt der "Sprit-Diskonter der EU" sei. Der umweltorientierte Verband nennt die Reform "einen Schritt in die richtige Richtung, aber aufgrund der sich dramatisch verschärfenden Klimakrise viel zu klein". Selbst nach der CO2-Bepreisung würden die Benzinpreise in Österreich noch deutlich unter dem EU-Schnitt bleiben, so VCÖ-Experte Michael Schwendinger.

Die Reform sei insgesamt zu sehr auf die Mobilität ausgerichtet, bemängelt Klimaforscherin Kromp-Kolb. Die ökologischen Auswirkungen des Heizens etwa kämen zu kurz. Aber auch beim Verkehr gibt es Leerstellen, wie das Dieselprivileg.

Die traditionelle steuerliche Begünstigung von Diesel bleibt auch bei der jetzigen Reform unangetastet. Und das, obwohl die Verbrennung von Diesel 13 Prozent mehr klimaschädliches CO2 erzeugt als Benzin. Die Mineralölsteuer auf Diesel beträgt in Österreich pro Liter 8,5 Cent weniger als auf Benzin. Ihr Versprechen, am Dieselprivileg zu rütteln, hat die Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) damit leider gebrochen.

Aber auch der soziale Aspekt der "sozial-ökologischen" Steuerreform steht in der Kritik. Mit der Senkung der Körperschaftssteuer auf Gewinne großer Unternehmen habe die Regierung vor allem Konzerne beschenkt, sagte Barbara Blaha vom Momentum Institut. Da kleine und mittlere Betriebe keine Körperschaftssteuer entrichten müssten, würden nur große von der Senkung von 25 auf 23 Prozent profitieren.

Der Großteil der Bürger:innen habe gar nichts von dieser Steuersenkung – im Gegensatz zu den 300 größten Unternehmen des Landes. Die Öffentlichkeit wird die Steuersenkung für Unternehmen nicht weniger als 800 Millionen Euro kosten.

"Greenwashing-Meisterleistung"

Noch steht der Beschluss über die Steuerreform im Parlament aus. Dem steht allerdings aufgrund der Mehrheit von ÖVP und Grünen nichts mehr im Wege. Kommendes Jahr sollen die Neuerungen in Kraft treten.

Das geradezu aufdringliche Framing der Reform als "sozial-ökologisch" ist für die Sprecherin des Klimaschutzvolksbegehrens, Katharina Rogenhofer "eine Greenwashing-Meisterleistung".

Etwas zurückhaltender, aber ebenfalls deutlich fällt das Resümee des VCÖ aus: "Angesichts des zu niedrigen CO2-Preises sind nun zahlreiche andere rasch wirksame Maßnahmen nötig, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen: niedrigere Tempolimits auf Freilandstraßen und Autobahnen."

Ob die Regierung dem Rat des Verkehrsclubs folgen wird, bleibt bei derart halbherzigem Klimaschutz fraglich. Immer weniger Menschen glauben an die grüne Handschrift in der Regierungsarbeit in Österreich.

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