Shell-Tanklastzug fährt durch norwegische Fjordlandschaft.
Steht nicht mehr für Wohlstand, sondern für Gefahr: Fossile Treibstoff-Lieferung. (Foto: Nachoman.au/​Wikimedia Commons)

Klima-Showdown in den Niederlanden: Ein Gericht in Den Haag befasst sich ab dem heutigen Dienstag mit einer Klage von mehreren Umweltverbänden und über 17.000 Bürgern gegen den niederländisch-britischen Ölmulti Shell.

Der Konzern behindere mit seinem Geschäftsmodell den weltweiten Klimaschutz, so der Vorwurf. Shell soll verpflichtet werden, seine Investitionspläne so zu ändern, dass sie mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens übereinstimmen.

Konkret heißt das: Der Konzern muss die CO2-Emissionen, die durch die von ihm geförderten Erdöl- und Erdgas-Mengen in die Atmosphäre gelangen, bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent reduzieren und bis 2050 auf null senken.

Der Paris-Vertrag legt fest, dass die Erwärmung der Erde bei maximal zwei, besser aber 1,5 Grad gestoppt werden soll, was im Fall von 1,5 Grad eine Halbierung des globalen Treibhausgas-Ausstoßes bereits im nächsten Jahrzehnt erfordert.

Für zwei Prozent aller Klimagase verantwortlich

Die Umweltverbände – darunter Friends of the Earth Netherlands ("Milieudefensie"), Greenpeace und Action Aid Foundation – argumentieren, Shell gehöre zu den 100 größten konventionellen Energieunternehmen, die zusammen für über 70 Prozent des CO2-Ausstoßes seit 1988 verantwortlich seien.

Der Multi allein habe 2,1 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursacht. Damit sei das Unternehmen zusammen mit anderen für die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels verantwortlich, die weltweit bereits spürbar sind.

Milieudefensie-Direktor Donald Pols sagte vor Prozessbeginn: "Dies ist eine einzigartige Klage mit potenziell erheblichen Konsequenzen für das Klima und die fossile Brennstoffindustrie weltweit."

Er sei zuversichtlich, dass das Urteil Shell zwingen werde, die internationalen Klimaziele einzuhalten und keinen gefährlichen Klimawandel mehr zu verursachen. Shell behaupte, voll an der Energiewende beteiligt zu sein, der Löwenanteil seiner Investitionen fließe aber immer noch in umweltschädliche Aktivitäten.

Der Konzern sei zu lange mit "Greenwashing" davongekommen, kritisierte Pols. Der Prozess werde "allen klarmachen, dass mehr als 95 Prozent der Aktivitäten von Shell einen gefährlichen Klimawandel verursachen".

"Wir werden 2050 noch ein bisschen Öl und Gas haben"

Shell hatte in diesem Frühjahr angekündigt, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden. "Die Erwartungen der Gesellschaft haben sich in der Debatte um den Klimawandel sehr rasch verändert", sagte Konzernchef Ben van Beurden dazu.

Der Konzern plante damit indes nicht, den CO2-Ausstoß tatsächlich auf null herunterzufahren. Vielmehr sollte der "CO2-Fußabdruck" seiner Produkte bis 2035 um 30 Prozent und bis 2050 um 65 Prozent reduziert werden. Die restlichen Emissionen sollten dann kompensiert werden, etwa durch Investitionen in Aufforstung oder Klimaschutz-Projekte.

Im September allerdings kündigte Shell an, Investitionen in großem Stil in Öko-Energien umzuschichten. Van Beurden: "Wir werden 2050 noch ein bisschen Öl und Gas in unserem Energiemix haben, aber unser Hauptfokus wird auf nachhaltigem Strom sein, bei Biokraftstoffen, Wasserstoff und anderen alternativen Lösungen."

Ein Shell-Sprecher sagte zu der Klage: "Auch wir glauben, dass jetzt Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden müssen." Eine effektive Regierungspolitik, Investitionen in klimafreundliche Technologie und ein anderes Verbraucherverhalten würden die Energiewende beschleunigen. "Aber diese Klage trägt nicht dazu bei", meinte er.

Niederlande schrieben schon einmal Rechtsgeschichte

Der Ausgang des Prozesses, zu dem nun bis 17. Dezember vier Anhörungen stattfinden, wird mit Spannung erwartet. Experten wie der Juraprofessor Elbert de Jong von der Universität Utrecht glauben, dass die Umweltverbände gute Chancen haben, den Fall zu gewinnen.

Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof der Niederlande in einem anderen Fall im vorigen Dezember Klimaschützern Recht gegeben, die die niederländische Regierung wegen – gemessen an den Paris-Vorgaben – zu schwacher CO2-Ziele verklagt hatten.

Das Gericht verpflichtete Den Haag, deutlich mehr zur Senkung der Emissionen zu tun. Eine Berufung gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, David Boyd, sprach damals von der "bislang weltweit wichtigsten Gerichtsentscheidung zum Klimawandel".

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