Stanisław Skibiński senior, Zbigniew Zasina und Stanisław Skibiński junior im Kuhstall der Skibińskis.
Stanisław Skibiński senior, Zbigniew Zasina und Stanisław Skibiński junior im Kuhstall der Skibińskis. (v.l.n.r.; Foto: Friederike Meier)

Wer den Hof der Skibińskis im Dorf Janów in Zentralpolen besucht, wird von lautem Hundegebell begrüßt. Eine Katze sitzt neben der Tür, Stanisław Skibiński, Anfang 40, bittet herein. Im Wohnzimmer stehen heißer Tee und Kuchen bereit. Dort wartet auch sein Vater, der ebenfalls Stanisław Skibiński heißt.

Auch der Großvater des 65-Jährigen hat hier schon Landwirtschaft betrieben, wie Skibiński senior erzählt, genau wie viele Generationen vor ihm. Die Familie besitzt 80 Hektar Land und 120 Milchkühe.

Mit dieser Kontinuität könnte es bald vorbei sein. Wo heute das Wohnhaus, die Scheunen und Kuhställe der Skibińskis stehen, sollen sich nach den Plänen des polnischen Energiekonzerns PGE bald Erdmassen auftürmen. Denn hier der Woiwodschaft Łódź soll ein neuer Braunkohletagebau entstehen – der tiefste Europas. Wo der Hof der Skibińskis liegt, ist die Abraumhalde geplant.

Der Tagebau Złoczew in der Woiwodschaft Łódź könnte der letzte große Braunkohletagebau werden, der in Polen neu aufgeschlossen wird. Denn der ursprünglich geplante Tagebau Gubin an der polnisch-deutschen Grenze wird nach aktuellem Stand nicht eröffnet, und weitere kleinere Tagebau-Pläne liegen auf Eis.

Nötig wird der neue Tagebau nach Ansicht von PGE und der polnischen Regierung, um das Braunkohlekraftwerk Bełchatów, das größte Europas, weiterhin mit Kohle zu versorgen. Momentan wird dort Braunkohle aus den direkt neben dem Kraftwerk gelegenen Tagebauen Bełchatów und Szczerców verfeuert. Doch die Vorräte dort sind bald erschöpft. In den 2030er Jahren würde dem Kraftwerk die Kohle ausgehen.

"Den größten Schaden hat das Klima"

"Wir sind gegen den Tagebau, weil er unseren Hof zerstören wird und alles, was wir und die vielen Generationen vor uns erreicht haben", sagt Skibiński der Jüngere. Sein Vater ergänzt: "Nicht nur die Dörfer werden zerstört – auch die lokale Geschichte, die sozialen Netze werden einfach ausgelöscht." Um die 3.000 Menschen müssten für den Tagebau umgesiedelt werden, 33 Dörfer würden zerstört.

Aber auch für diejenigen, die in Zukunft in der Nähe des Tagebaus leben, hätte er Konsequenzen: "Der Tagebau zerstört durch die Entwässerung auch alles, was außen herum ist. Es wird nicht mehr möglich sein, Landwirtschaft zu betreiben", sagt sein Sohn.

"In dieser Gegend gibt es fast keine Industrie, nur Landwirtschaft, hauptsächlich haben die Menschen Milchvieh", ergänzt der Vater. "Die größten Schäden wird aber das Klima erleiden." Der Klimawandel müsse bei der Tagebau-Entscheidung berücksichtigt werden. "Wir finden, dass es nicht nötig ist, in Zeiten der Energiewende einen neuen Tagebau aufzuschließen."

Für die Energiewende setzen sich die Skibińskis selbst ein. Auf einem Dach ihres Hofes haben sie eine Photovoltaik-Anlage installiert, um ihren Strom selbst zu produzieren. "Das verursacht keine Treibhausgase und keine Luftverschmutzung", sagt Skibiński der Ältere stolz.

Dass ihre Gegend in den Fokus von Energiekonzernen gerückt ist, haben die Skibińskis vor etwa zehn Jahren erfahren. 2016 haben sie gemeinsam mit anderen Gegnern des Tagebaus den Verein "Nie dla Odkrywki Złoczew" ("Nein zum Tagebau Złoczew") gegründet – der Vater ist Erster Vorsitzender, der Sohn Sekretär.

Gegenwehr nicht erfolglos

Etwa 30 Menschen, überwiegend Landwirte aus der Gegend, engagieren sich gegen die Kohle. "Seit drei Jahren kämpfen wir gegen den Braunkohletagebau", erzählt Skibiński senior. "Als Konsequenz davon ist der Tagebau immer noch nicht eröffnet."

Zu den größten Erfolgen des Vereins gehört es, dass er die Änderung des Regionalplans bis heute verzögert. "Damit PGE die Lizenz für den Tagebau bekommen kann, sind ein Umweltbericht und eine Änderung des Regionalplans nötig", erklärt Leszek Pazderski, Braunkohle-Experte von Greenpeace Polen.

Die Landwirte haben vor Gericht Einspruch gegen die Entscheidung der Gemeinde Złoczew eingelegt, den Tagebau in ihren Regionalplan aufzunehmen, und ihn damit blockiert.

Greenpeace wiederum legte Einspruch gegen den Umweltbericht ein. "Der Prozess läuft noch", sagt Pazderski. Der Bericht liege nun bei der nächsthöheren Umweltbehörde. "Deshalb ist er noch nicht gültig."

Allerdings scheint auch die politische Unterstützung zu bröckeln. So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters Ende vergangenen Jahres aus Regierungskreisen, dass Polen kurz davor sei, die Tagebaupläne abzublasen. Der stellvertretende Minister für Staatsvermögen Adam Gawęda sprach sich im Februar allerdings dafür aus, PGE eine Konzession für den Tagebau zu erteilen.

Auf Anfrage von Klimareporter° teilte das polnische Klimaministerium mit, es könne gegenüber Unbeteiligten keine Auskunft geben, weil das Verfahren zur Konzessionserteilung noch nicht abgeschlossen sei. Der Kohlekonzern PGE hat bis Redaktionsschluss nicht auf die Frage geantwortet, ob das Projekt noch verfolgt wird.

Verkündet PGE selbst das Aus?

Leszek Pazderski von Greenpeace hält es für unwahrscheinlich, dass der Tagebau noch verwirklicht wird. "Die Aktien von PGE sind heute etwa 70 Prozent weniger wert als vor einem Jahr", sagt er. Der Konzern habe einfach nicht genügend Mittel für größere Investitionen.

Die Skibińskis hoffen auf auch die Europäische Union: "Die EU-Richtlinien für Klimaschutz gelten auch für Polen. Deshalb ist es unmöglich, dass der Tagebau kommt", sagt Stanisław Skibiński der Ältere.

"Es stimmt mich optimistisch, dass viele Länder schon festgelegt haben, bis wann sie aus der Kohle aussteigen wollen", meint sein Sohn. Besonders wichtig sei Deutschland als Vorbild – das ein Datum für den Kohleausstieg beschlossen hat. Sein Vater erwähnt noch die Proteste von Fridays for Future, die auch in vielen polnischen Städten stattfanden.

Etwas anderes als Hoffnung bleibt ihnen angesichts der übermächtigen Gegner auch nicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das wäre, wenn der Tagebau kommt", sagt Skibiński der Jüngere. "Es wäre eine totale Katastrophe für uns – einen Plan B haben wir nicht." Sein Vater ergänzt: "Menschen können umziehen, aber die Zerstörung der Umwelt wird nicht wiedergutzumachen sein."

Inzwischen sind einige Wochen vergangen, und die Coronakrise hat die Lage des Kohlekonzerns PGE weiter verschlechtert. "Die Pandemie wird wahrscheinlich zu einer Wirtschaftskrise führen", sagt Leszek Pazderski. Das werde wohl auch ein so teures Projekt wie den Tagebau Złoczew verhindern.

Möglicherweise wird PGE selbst bald das Ende der Tagebauplanung bekannt geben. In der vergangenen Woche kündigte der Konzern an, alle Projekte mit geringem Gewinn stoppen zu wollen, vor allem solche, die nicht direkt mit dem Kerngeschäft des mehrheitlich staatlichen Unternehmens – der Stromversorgung – zusammenhängen. Welche Projekte das sein werden, steht noch nicht genau fest. 

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