Naturwald in Rumänien
Kein anderes EU-Land hat so viel Urwald erhalten wie Rumänien. Aber auch diese Wälder sind durch illegalen Holzeinschlag bedroht. Ein winterlicher Wald im Nationalpark Călimani in Nordrumänien. (Foto: Annika Keilen)

Der Wald ist der Spiegel eines Staates. Zunächst sieht es so aus, als reihe sich ein Naturparadies an das nächste, als würden die Buchen, Fichten und Eichen ein Stück Erde bilden, das noch nicht vom Menschen berührt wurde. Doch, wenn man nur ein bisschen tiefer in den Wald gelangt, zeigen sich abgesägte Baumstämme, kahle Landflächen, Lücken im System – und zwar von allem zu viel. 

Davon berichten zumindest Rumänen, wenn sie von der illegalen Abholzung in ihrem Land sprechen. Einer von ihnen ist Gabriel Păun, Gründer der rumänischen Umweltorganisation Agent Green. Er kämpft seit Jahren gegen die illegalen Rodungen in seinem Land. "Es begann alles vor 15 Jahren", beschreibt der Aktivist den Ursprung der Missstände, "als viele österreichische, türkische und spanische Holzunternehmen große Fabriken eröffneten." 

Heute genehmigt Rumänien pro Jahr eine Rodung von 18 Millionen Kubikmetern. Doch ein Bericht zur Waldinventur zeigt für die Jahre 2013 bis 2018 eine durchschnittliche jährliche Gesamternte von 38,6 Millionen Kubikmetern Holz.

In den rumänischen Wäldern verschwinden also jedes Jahr 20,6 Millionen Kubikmeter, eine Holzmenge, mit der 10.000 leere Schwimmbecken gefüllt werden könnten. Oder anders gesagt: Mit jedem legal gefällten Baum verliert der rumänische Wald auch mindestens einen illegalen. 

Für Umweltschützer Păun ist der Fall eindeutig: Früher hätten die zugelassenen Holzrodungen ohne illegalen Einschlag für die rumänische Holzwirtschaft und für die Beheizung von vier Millionen Haushalten gereicht. Doch durch die nach Rumänien kommenden Holzkonzerne habe sich der Bedarf an Holz mehr als verdoppelt.

Deutschland importiert rumänisches Holz

Die Lage kann aber auch anders betrachtet werden: So, dass das Angebot einfach nur die Nachfrage bedient. In diesem Fall: Wenn europäische Konzerne dem weltweiten Wunsch nach billigem Holz nachkommen.

Rumänien exportierte 2018 Holz im Wert von 1,63 Milliarden Euro. Die wichtigsten Abnehmer sind Italien, China, Japan und - Deutschland. 

Oberflächlich betrachtet scheint Rumäniens Holz für Deutschland aber gar nicht so wichtig zu sein. Deutschlands Holzquellen finden sich vor allem in Österreich, Tschechien und Polen – das legen zumindest die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts nahe. Diese geben jedoch nur den direkten Holzhandel zwischen zwei Ländern wieder und sagen nichts darüber, ob das Holz nicht ursprünglich aus einem Drittland stammt. 

Das macht es schwer nachzuverfolgen, wo das Holz seinen tatsächlichen Ursprung hat. Österreich beispielsweise sei ein großer Holzproduzent, aber importiere auch viel, erklärt ein Sprecher des österreichischen Nachhaltigkeitsministeriums auf Anfrage. "Ob das Holz, das Österreich nach Deutschland exportiert, zu hundert Prozent aus Österreich kommt, kann daher nicht bestimmt werden", räumt er ein.

Woher das Holz auch kommt, fest steht, Deutschland braucht eine Menge von dem Rohstoff. Seit 15 Jahren versucht die Bundesregierung permanent den Pro-Kopf-Verbrauch zu steigern – mit Erfolg. Das Ziel von 1,3 Kubikmetern Holz pro Bundesbürger wurde bereits 2007 erreicht, drei Jahre früher als geplant. 

Auch nach Deutschland könnte illegales Holz gelangen

Ein Rückgang des Holzkonsums ist nicht in Sicht. Schließlich will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) "den Klimaschutz durch die gezielte Verwendung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stärken", wie sie in ihrer Waldstrategie "Charta für Holz 2.0" schreibt. Für dieses Jahr plant Klöckner eine Weiterentwicklung der Strategie.

"Seit Jahren konsumieren wir mehr Holz, als wir produzieren. Wir wollen unsere Holzproduktion steigern, aber woher soll das Holz kommen?", kommentiert Stefan Adler, Waldexperte beim Naturschutzbund Nabu, die Waldpolitik der deutschen Bundesregierung.

Deutschland muss also weiterhin viel Holz importieren. Gleichzeitig setzt sich die Bundesregierung in der Holz-Charta die "Sicherung der Nachhaltigkeit und Legalität von importierten Holzprodukten" zum Ziel. 

Doch wie will Deutschland das garantieren? Jedenfalls nicht durch Gesetzesänderungen. In der Charta heißt es lediglich: "Für Importe von Holz gelten die bestehenden EU-rechtlichen und internationalen Vereinbarungen."

Das Gesetz, das beim Holzhandel zwischen EU-Ländern greift und illegale Rodungen bekämpfen soll, ist die EU-Holzhandelsverordnung, kurz EUTR. Sie verpflichtet Unternehmen, die Holz auf den EU-Markt bringen, nachzuweisen, dass es sich um legal geschlagenes Holz handelt. 

Die EUTR gibt es seit 2010, doch sie konnte zumindest in Rumänien die illegale Abholzung nicht stoppen. Das weiß auch die deutsche Bundesregierung. "Aufgrund des EU-Binnenmarktes kann nicht ausgeschlossen werden, dass möglicherweise illegal geschlagenes Holz auf den deutschen Markt gelangt", heißt es in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage der Grünen-Abgeordneten Steffi Lemke im Bundestag. Allerdings könne die Bundesregierung nichts gegen die illegale Holzeinfuhr tun, heißt es in der Antwort weiter, da die Durchsetzung des EU-Rechts Aufgabe der EU-Kommission sei. 

Die Kommission hat jedoch festgelegt, dass die Staaten selbst die Holzkontrollen vornehmen, indem sie eine eigene Kontrollbehörde damit beauftragen. Wenn also beispielsweise ein deutsches Unternehmen Holz auf den Markt bringt, dann ist hierzulande die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) dafür verantwortlich, dessen Legalität zu prüfen.

"Für Rumänien, also einen EU-Mitgliedsstaat, sind allerdings die dortigen Behörden selbst zuständig", sagt eine Sprecherin des deutschen Landwirtschaftsministeriums auf Nachfrage. Anders ausgedrückt: Was in Rumänien passiert, bleibt auch in Rumänien.

Korruption als Ursache für illegale Abholzung

Für den rumänischen Umweltaktivisten Gabriel Păun liegt der Ursprung des illegalen Holzeinschlags in der Politik seines Staates: "Die Regierung ist der Hauptgrund für die illegale Abholzung und die Unternehmen sind Komplizen. Sie wussten, dass es Korruption gibt, und sie kamen trotzdem nach Rumänien."

Im weltweiten Korruptionsindex liegt Rumänien auf Platz 61, auf einer Stufe mit Malaysia und Kuba. Im Jahr 2003, als die österreichische Holzfirma Schweighofer ihr erstes Werk in Rumänien eröffnete, belegte das Land einen noch schlechteren Platz im Korruptionsranking.

Schweighofer ist ein Name, der im Zusammenhang mit illegaler Abholzung immer wieder fällt. Heute ist das Unternehmen einer der größten Holzverarbeiter in Rumänien. Vor vier Jahren veröffentlichte die internationale Umweltorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) ein Undercover-Video, das zeigt, wie der Holzgigant wissentlich illegal geschlagenes Holz akzeptiert. 

Nach weiteren Beschwerden und Untersuchungen verlor Schweighofer das FSC-Siegel, ein Zertifikat für nachhaltigere Forstwirtschaft. Das Unternehmen führt jedoch bis heute das schwächere PEFC-Siegel. 

Als Antwort auf die Kritik hat Schweighofer seine Kontrollen für Holzprodukte verschärft. Kernstück ist das unternehmenseigene GPS-Trackingssystem Timflow. Es zeichnet die Routen der Holzlieferanten auf und kann von jedem Bürger eingesehen werden. Werden Unregelmäßigkeiten in der Lieferkette festgestellt, verzichtet Schweighofer auf weitere Geschäfte mit dem betroffenen Lieferanten.  

Können Unternehmen nur legales Holz verarbeiten?

Trotzdem haben Umweltschützer wie Gabriel Păun von Agent Green Zweifel am legalen Holz bei Schweighofer: "In Wahrheit ist es für Schweighofer unmöglich, illegales Holz auszuschließen, denn sie haben keine Ahnung, woher es kommt." 

Tatsächlich verarbeitete Schweighofer nach jüngsten Zahlen von 2017 rund 2,4 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr in rumänischen Werken. Nur etwa die Hälfte dieses Holzes stammt aus rumänischen Wäldern. Der Rest wird importiert und wird somit nicht vom unternehmenseigenen Trackingsystem erfasst.

Michael Proschek-Hauptmann, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Schweighofer, ist dennoch überzeugt, dass die Sicherheitskontrollen des eigenen Unternehmens und die "strengen Kontrollen" der Holzlagerplätze ausreichen, um die Legalität des eigenen Holzes zu gewährleisten. "Wir haben eine Sicherheitsarchitektur in Kraft gesetzt, die dafür sorgt, dass das Holz, das zu uns kommt, sauber ist", sagt Proschek-Hauptmann auf Nachfrage. 

Trotzdem bleibt Umweltaktivist Păun bei seiner Kritik. Denn das Trackingsystem Timflow verfolgt nur den Weg des Holzes vom Verladepunkt bis zum Holzwerk, es zeigt nicht den Ort, wo das Holz geschlagen wurde. "Die Hälfte des Holzes stammt von Holzlagerplätzen, was bedeutet, dass hier Holz aus verschiedenen Quellen zusammenkommt. Das kann legales oder illegales Holz sein", kritisiert Păun. Schweighofer müsse demnach auf die Einschlagsgenehmigungen der Holzlagerplätze vertrauen, "aber das bedeutet nicht, dass die Quellen legal sind".

Schweighofer hat sich vor zwei Wochen in "HS Timber Group" umbenannt. Der Name "soll international verständlich und gut aussprechbar sein", teilte das Unternehmen mit.

Rumänen protestieren gegen illegale Abholzung

Schweighofer/HS Timber teilt sich Rumäniens Wälder mit anderen Unternehmen, aber auch mit der Bevölkerung. Denn in Rumänien heizt fast jeder zweite Haushalt mit Feuerholz. Holz ist nicht nur für Unternehmen wertvoll, sondern hat für die Bevölkerung einen großen, für viele überlebenswichtigen und auch kulturellen Wert.

Vor etwa acht Wochen demonstrierten 5.000 Rumänen gegen die illegale Abholzung in ihrem Land. Der von Greenpeace organisierte Protestmarsch forderte die Modernisierung des Holzverfolgungssystems Sumal. 

Sumal ist eine im Jahr 2016 von der Regierung initiierte Datenbank, mit der die gesamte rumänische Bevölkerung die Legalität von Holztransporten verfolgen konnte. Erst dadurch wurde das Ausmaß der illegalen Rodungen bekannt. Doch bereits ein Jahr später hat die damals neu gewählte linkspopulistische Regierung das Sumal in seiner Funktion eingeschränkt. "Das System war zu gut", kommentiert Umweltaktivist Gabriel Păun rückblickend. 

Jetzt, mit Rumäniens neuer bürgerlicher Regierung, erhofft sich Păun ein Ende der illegalen Abholzung. Der neue Umweltminister Alexe Costel versprach zu Beginn seiner Amtszeit, das Holztrackingsystem wieder ins Leben zu rufen. "Wir glauben, dass damit der Großteil der illegalen Abholzung beendet wird, wahrscheinlich 90 Prozent", schätzt Păun. Dennoch: "Ich glaube nur, was ich sehe. Versprechungen sind schön, aber wir werden sehen."

Auch Deutschland kann nur auf die korrekte Umsetzung des EU-Rechts in Rumänien hoffen, damit allein legales Holz importiert wird. Denn obwohl Deutschland eine größere Forstfläche besitzt als Rumänien, fordern deutsche Umweltschützer, mehr Wälder sich selbst zu überlassen, mehr Mischwälder wachsen zu lassen. Die sind nämlich stabiler gegenüber Klimaveränderungen, als es reine Nadelwälder sind.

Im Prinzip bedeutet das, die deutsche auf Nadelholz basierende Forstwirtschaft auf ein verträgliches Maß zurückzufahren. Und das heißt: entweder mehr Holz importieren oder den eigenen Holzkonsum herunterschrauben. Der Wald ist der Spiegel eines Staates. 

Ergänzung am 17. Februar: Die EU schaut nicht mehr weg

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