Berg aus Stoffen und Kleidung, aus dem verschränkte Arme herausluken.
Mehr Kleidung, als man tragen kann? Auch die Textilindustrie trägt zu Umweltzerstörung und Klimakrise bei. (Foto: Shutterstock)

Klamotten sind ein Umweltproblem, besonders, seitdem "Fast Fashion" Mode geworden ist. Billig-Kleidung, die allenfalls ein paarmal getragen wird und dann im Müll oder Altkleidercontainer landet.

Ein neuer Report der Europäischen Umweltagentur EEA in Kopenhagen zeigt jetzt, dass die Textilbranche in der EU inzwischen zu den vier umwelt- und klimaschädlichsten Sektoren der Wirtschaft zählt.

Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger kauft pro Jahr im Schnitt 14,8 Kilogramm Textilien und Schuhwerk. Im Einzelnen: 6,1 Kilo Kleidung, sechs Kilo Haushaltstextilien wie Bettwäsche oder Handtücher sowie 2,7 Kilo Schuhe.

Die Angaben stammen aus dem Jahr 2020, also aus dem Jahr, in dem wegen Corona weniger geshoppt wurde, auch bei Klamotten. 2019 hatte die Gesamtmenge sogar bei rund 17 Kilo gelegen.

Seit 1996 stieg der Textilkonsum laut EU-Kommission um 40 Prozent. Für Deutschland ergab eine Greenpeace-Studie 2015, dass die Verbraucher im Schnitt 60 Textilien pro Jahr kaufen, sie allerdings nur noch halb so lange wie im Jahr 2000 tragen. Ein Fünftel des Gekauften wird sogar niemals angezogen.

Pro Kopf gerechnet verbraucht der Textilkonsum laut EEA neben den festen Rohstoffen (391 Kilogramm) rund neun Kubikmeter Wasser und 400 Quadratmeter Fläche, etwa für den Anbau von Faserpflanzen wie Baumwolle. Zudem entsteht ein CO2-Fußabdruck von etwa 270 Kilo.

Freilich findet der überwiegende Teil des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen außerhalb von Europa statt. Grund: Der Großteil der Textilien wird im fernen Ausland, vor allem in Asien, produziert. Dort werden übrigens auch die Treibhausgasemissionen angerechnet.

Die Umweltagentur befasst sich auch mit der Frage, wie die Umwelt- und Klimabelastung des Bereichs gesenkt werden können. Stichworte sind hier mehr Einsatz von Stoffen aus Recyclingmaterial sowie ein besseres Produktdesign, das Recycling überhaupt erst in großem Stil ermöglicht.

Hinzu kommen ein "zeitloser Look" und die "Multifunktionalität" von Kleidungsstücken. Ziel ist hier, dass die Textilien länger genutzt werden, "Slow Fashion" statt Fast Fashion sozusagen.

Ärmere Staaten wehren sich gegen Altkleiderflut

Wie dringlich ein Umbau des Textilsektors auch in Deutschland ist, zeigen Daten aus der aktuellen "Textilstudie" des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE). Gerade wegen des Fast-Fashion-Trends ist die Altkleidermenge in den letzten Jahren deutlich gewachsen – 15,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr ist die jüngste verfügbare Angabe von 2018.

Insgesamt landen jedes Jahr knapp 1,3 Millionen Tonnen in den Altkleidercontainern oder bei der Straßensammlung. Zwar werden den Angaben zufolge 88 Prozent davon "verwertet" und nur zwölf Prozent verbrannt. Von einer echten Kreislaufwirtschaft kann aber nicht die Rede sein.

Über die Hälfte der ausgemusterten Sachen (62 Prozent) wird als Secondhand-Ware vor allem nach Osteuropa, Afrika und Asien verfrachtet. Der Rest wird etwa zu Putzlappen umgearbeitet oder geschreddert und dann zu Isolier- und Füllstoffen verarbeitet. Dieses "Downcycling" verlängert zwar die Nutzungszeit noch einmal, letztlich werden die Textilien aber doch zu Abfall.

Secondhand-Exporte zum Beispiel wandern nach dem Gebrauch durch die Zweitbesitzer doch in den Müll, nur dann nicht mehr in Deutschland, sondern zum Beispiel in einem Entwicklungsland. Die Altkleiderflut schafft dort mehr Probleme, als sie löst.

Zum Schutz der eigenen Textilproduktion hat eine ganze Reihe Länder, überwiegend in Afrika, Asien und Südamerika, den Import beschränkt oder ganz verboten.

Ein Faser-zu-Faser-Recycling, also die Umwandlung der Altkleider in brauchbare Garne oder Stoffe für neue Kleidung, findet kaum statt. Der Anteil von Recyclingmaterial bei der Neuproduktion von Stoffen und Kleidungsstücken liegt bei nur einem Prozent.

Heutige Baumwolltextilien schwer recycelbar

Der öffentliche Druck auf die Modeketten, die Motoren der Fast-Fashion-Mode sind, ist groß. Inzwischen versuchen praktisch alle Ketten, sich ein grüneres Image zu geben. Etwa, indem sie seit einigen Jahren Kollektionen mit biologisch oder "nachhaltig" produzierter Baumwolle anbieten oder – wie Trigema und C&A – Textilien nach dem Cradle-to-Cradle-Design, die völlig schadstofffrei und sogar kompostierbar sein sollen.

Recyclingverfahren

Zumeist landen Altkleider nach einer Second-Hand-Schleife im Müll oder in der Verbrennung. Doch es gibt bessere Möglichkeiten, die allerdings noch wenig genutzt werden.

Upcycling: Gut erhaltene Stoffe von Altkleidern und Stoffreste werden zu neuen Kleidungsstücken umgeschneidert. Das erfordert viel Handarbeit, wird nur von Nischen-Anbietern gemacht.  

Baumwoll-Recycling: Zumeist werden sortenreine Produktionsreste oder Schnittreste aus der Textilindustrie genutzt, teils aber auch Altkleider, die aber zu fast 100 Prozent aus Baumwolle bestehen müssen. Die recycelten Fasern sind kürzer als neue, für stabiles Garn müssen sie deshalb immer mit neuen Fasern gemischt werden.

Polyester-Recycling: Reine Polyester-Kleidung kann grundsätzlich recycelt werden, zumeist wird der Rohstoff jedoch als alten PET-Flaschen gewonnen. Für ein T-Shirt zum Beispiel sind rund fünf Flaschen nötig. Das Material wird gehäckselt, dann geschmolzen, und aus der Masse wird ein neuer Faden gezogen.

Seit einigen Jahren gibt es etwa bei C&A, H&M, Esprit und Zara auch Produkte, die mit einem Anteil recycelter Fasern – Polyester, Baumwolle, Wolle – gefertigt sind. Jüngst vermeldete der Hamburger Kaffeeröster Tchibo, der in seinem Non-Food-Bereich rund die Hälfte des Umsatzes mit Kleidung macht, dass die dabei eingesetzte Baumwolle zu 97 Prozent Bioqualität habe.

Tchibo bietet unter anderem Jeanskeidung an, deren Stoffe eine Beimischung von 20 Prozent Recycling-Baumwolle haben. Tchibo wirbt: Dies vermindere den ökologischen Fußabdruck der Produkte.

Grundsätzlich habe Recycling-Baumwolle die gleichen guten Trageeigenschaften wie neue Baumwolle, erläutert Cristina Graack, Faser-Expertin bei Tchibo.

Allerdings seien die Fasern durch den Recyclingprozess kürzer und hätten eine unregelmäßigere Oberfläche, etwa so, wie man sie vom "Used Look" kennt. "Momentan werden in der Textilindustrie meist neue und wieder aufbereitete Baumwollfasern gemischt – auch wir machen das so", sagt Graack.

Der Recyclingstoff stammt auch nicht aus der Altkleidersammlung. Genutzt werden vielmehr Produktionsreste. Sie werden nach Farben sortiert, gereinigt und anschließend weiterverarbeitet.

Der Grund, warum man nicht auf die ausgedienten Klamotten zurückgreift: Hosen, Hemden und andere Kleidungsstücke bestehen zumeist aus Mischgewebe, und es ist kaum möglich, die miteinander verwobenen Fasern zu trennen. Eine Jeans zum Beispiel ist heutzutage meist nicht nur aus Baumwolle, sondern enthält auch einen Anteil an Chemiefasern wie Polyester oder Elastan, was den Tragekomfort erhöht.

EU will Textilstrategie im März vorlegen

Einige Hersteller und Forschungsinstitute arbeiten jedoch daran, die Recyclingmöglichkeiten auch für die Altkleidung zu verbessern. In der Praxis am weitesten ist dabei das niederländische Kleidungslabel "Mud Jeans", das einen Kreislauf für die eigenen Produkte geschaffen hat.

Der Hersteller nimmt alte Jeans oder solche, die nicht mehr passen, zurück. Voraussetzung: 96 Prozent Baumwollanteil. Gut erhaltene Produkte werden aufgepeppt und wieder verkauft, der Stoff von zerschlissenen Hosen aber zu Recycling-Denimgarn verarbeitet. In neuen Jeans der Marke beträgt der Recycling-Anteil immerhin bis zu 40 Prozent, Ziel seien 100 Prozent, so das Unternehmen.

Was tun gegen Mikroplastik?

Synthetik-Textilien sind laut der Europäischen Umweltagentur EEA eine der Hauptquellen für die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik, unter anderem in Flüssen und den Weltmeeren. Sie gelangen dorthin vor allem durch Abwässer aus Waschmaschinen, aber auch durch die Herstellung, das Tragen und die Entsorgung von Kleidungsstücken am Ende ihrer Lebensdauer. Als Mikroplastik werden Kunststoffe bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter und nicht biologisch abbaubar sind.

Die EEA empfiehlt veränderte Produktionsverfahren und das Vorwaschen von Kleidungsstücken nach der Herstellung mit entsprechender Filterung des Abwassers. Helfen könne auch der Einbau von Filtern in Haushalts-Waschmaschinen, die Entwicklung milderer Waschmittel und allgemein eine bessere Pflege von Kleidungsstücken.

Dass grundsätzlich mehr Recycling drin ist, zeigt zum Beispiel eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam. Dort ist es einem Forschungsteam vor zwei Jahren gelungen, Synthetikfasern aus einem Baumwollgemisch herauszulösen und die Alt-Baumwolle dann zu Viskosefasern aus reiner Zellulose weiterzuverarbeiten, die für die Neuproduktion von Stoffen taugen.

"Die Faser eignet sich durchaus für die Fertigung in Großserie", sagt IAP-Experte André Lehmann. Inzwischen plant immerhin der deutsche Viskosefaser-Hersteller Kelheim Fibres hier den Einstieg.

Mehr Fahrt aufnehmen dürfte der Umbau, wenn die EU-Kommission mit ihrem Konzept für eine grünere Textilwirtschaft durchdringt, das sie in diesem Monat vorlegen will. Die Behörde plant, nachhaltige Investitionen zu fördern. Dabei geht es unter anderem um kreislauffähige Materialien, umweltfreundliche Produktion ohne gefährliche Chemikalien – und eben um mehr Recycling.

Freilich: Um von der Fast-Fashion-Manie wegzukommen, müssen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher umdenken. Schon wenn sie auf Spontankäufe von Klamotten verzichteten, die sie nachher gar nicht anziehen, wäre viel gewonnen.

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