Sitz der EU-Kommission mit einem dreisprachigen Banner:
Als die EU-Kommission von Ursula von der Leyen ihr Amt antrat, wurde an ihrem Sitz in Brüssel ein neues Banner angebracht: "Für eine Union, die die Messlatte höher legt". (Foto: Łukasz Kobus/EU)

Um den Pariser Klimavertrag einzuhalten, laut dem die Erderwärmung zwischen 1,5 und zwei Grad gestoppt werden soll, reicht das bisherige Klimaziel der EU nicht aus. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 sinken – das würde Europa auf einen Drei-bis-vier-Grad-Pfad führen.

Mit Spannung wird daher erwartet, wie stark die EU-Kommission das Ziel anheben will.

Offenbar hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen sich nun auf 55 Prozent festgelegt. Industrielobbys halten das für zu anspruchsvoll, Klimaforscher hingegen für nicht ausreichend, gemessen an der Paris-Messlatte. Das EU-Parlament könnte für 65 Prozent plädieren.

Die offizielle Verkündung des neuen Ziels wird für den Mittwoch nächster Woche erwartet, anlässlich der Rede von der Leyens "Zur Lage der Europäischen Union". Nach Informationen der FAZ, die sich auf Angaben aus der Kommission beruft, ist die Entscheidung allerdings bereits gefallen.

Die Kommissionspräsidentin hatte bei Amtsübernahme 2019 eine Spannbreite von 50 bis 55 Prozent genannt, die Entscheidung sollte nach einer detaillierten Folgenabschätzung erfolgen.

Offiziell gab es am Dienstag keine Bestätigung für die Festlegung. In Kommissionskreisen hieß es, die 55 Prozent seien eine Zahl von vielen, die in Brüssel kursierten. Vor dem kommenden Mittwoch werde man keine Angaben dazu machen.

Das erhöhte 2030er-Ziel soll in das geplante EU-Klimaschutzgesetz aufgenommen werden, mit dem die "Klimaneutralität" des Staatenbundes bis 2050 angestrebt wird.

Selbst der Industrieausschuss des EU-Parlaments will 55 Prozent

Das von der Kommission vorgeschlagene Ziel ist dabei nur der erste Aufschlag im gesetzgeberischen Prozess. Mitzureden haben noch das Europaparlament und die Regierungen der EU-Staaten.

Im Parlament gibt es Signale für ein höheres Ziel: Im Umweltausschuss, der hier federführend ist, wird ein Votum für 60 oder 65 Prozent erwartet, und selbst der eher konservative Industrieausschuss hat bereits mindestens 55 Prozent gefordert.

Bei den EU-Ländern, die in Brüssel durch den Ministerrat vertreten sind, stehen sich Befürworter eines ambitionierten Ziels und Bremser gegenüber. Die Regierungen von Deutschland und Frankreich zum Beispiel hatten sich im Mai gemeinsam offiziell für 50 bis 55 Prozent ausgesprochen, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) plädiert für 55 Prozent.

Eine Gruppe osteuropäischer Ländern hingegen warnte im Juli in einem Brief an die Kommission mit Verweis auf die Coronakrise vor zusätzlichen Kosten, gerade für die Regionen, die stark von der Kohleindustrie abhängig sind.

"Wir erleben eine globale Pandemie, die nicht so bald enden wird", schrieben die Umweltminister von Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Daher müsse auch die Folgenabschätzung verändert werden.

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