Modernes Gas-und-Dampfturbinenkraftwerk.
Mehrere tausend Megawatt Gaskraftwerke sollen in den nächsten Jahren in Deutschland neu gebaut werden. Dank EU-Taxonomie würden sie als "grüne" Investition gelten. (Foto: Poss/​Wikimedia Commons)

Ziel der EU-Taxonomie ist es, privaten und öffentlichen Investoren etwa an den Aktienmärkten Leitlinien für umwelt- und klimafreundliche Investitionsentscheidungen zu geben.

Doch neben Solar- und Windkraft gab die Europäische Kommission im vergangenen Jahr nach heftigen Debatten auch den umstrittenen Energieträgern Erdgas und Atomkraft das Öko-Siegel. Für Erdgas hatte sich unter anderem die deutsche Regierung starkgemacht, für die Atomkraft die französische.

Europäische Umweltverbände haben jetzt beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zwei Klagen gegen die Einstufung von Erdgas und Atomkraft in der EU-Taxonomie als "nachhaltige" Energieformen eingereicht.

Die Umweltschützer kritisieren, dass die EU-Kommission eine Revision ihrer Entscheidung trotz anhaltender Kritik ablehnt. Daher solle die "irreführende Taxonomie-Einstufung" gerichtlich überprüft werden.

Eine Gruppe von Verbänden, darunter der BUND, der WWF und die Juristenvereinigung Client Earth, konzentriert sich in ihrer Klage aufs Erdgas, die Umweltorganisation Greenpeace greift hingegen sowohl Erdgas als auch Atomkraft an.

Nach Einschätzung der Verbände verstößt die EU-Kommission sowohl gegen ihr eigenes Klimagesetz als auch gegen die Taxonomie-Verordnung. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte dazu: "Wir ziehen vor den Europäischen Gerichtshof, um diese dreiste Form des Greenwashings rechtlich überprüfen zu lassen."

Nachhaltigkeitslabel für Erdgas "klar rechtswidrig"

Echten Klimaschutz, so Bandt, gebe es nur mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien und Energiesparen im großen Stil. Dringend notwendige Investitionen in vermeintliche Brückentechnologien umzuleiten, leiste der Energiewende einen Bärendienst.

Client-Earth-Juristin Marta Toporek bezeichnete die Einstufung von Erdgas als nachhaltig "klar rechtswidrig". Sie erinnerte daran, dass die Kommission dabei die Einschätzung ihres eigenen wissenschaftlichen Expertenrates missachtet habe.

Die Umweltschützer beziehen sich dabei unter anderem auf Bewertungen der Internationalen Energieagentur IEA und des Weltklimarats IPCC, wonach keine neuen Öl- und Gasförderungsprojekte begonnen werden dürfen, wenn das 1,5-Grad-Limit der globalen Erwärmung eingehalten werden soll.

Zudem habe eine jüngst durchgeführte Analyse ergeben, dass fast die Hälfte der bestehenden Produktionsstätten für fossile Brennstoffe frühzeitig geschlossen werden müsste, um im 1,5-Grad-Rahmen zu bleiben.

Mit einer ersten mündlichen Anhörung vor dem EU-Gericht rechnen die Beschwerdeführer für die zweite Hälfte des kommenden Jahres, mit einem Urteil Anfang 2025.

Taxonomie hilft Frankreichs Atombetreibern

Greenpeace kritisiert, die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die Taxonomie eröffne fossilen Gas- sowie Atomkraftwerken den Zugang zu Geldern, die sonst in erneuerbare Energien fließen würden. Die Organisation verweist auf das Beispiel des französischen Stromkonzerns Électricité de France (EDF).

Dieser habe kurz nach der Aufnahme von Atomkraft in der EU-Taxonomie im Juli 2022 bekannt gegeben, durch die Ausgabe von Taxonomie-konformen Anleihen die Instandhaltung seiner Atomreaktoren finanzieren zu wollen.

EDF hat seit Längerem große Probleme mit der Verfügbarkeit seiner im Schnitt mehr als 30 Jahre alten AKW, da vermehrt Wartungsarbeiten und Reparaturen nötig sind.

Die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu, warnte: "Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein."

"Grünes Geld" dürfe nicht in Industrien fließen, die die Umwelt- und Klimakrise verursacht hätten, sagte Treu. Es müsse in erneuerbare Energien und den zukunftsfähigen Umbau zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft gehen.

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