LNG-Terminal in Katar. Gasfackeln prägen bis heute den Erdgas- und Erdöl-Sektor. (Bild: Matthew Smith/​Wikimedia Commons)
 

Vor allem zwei Treibhausgase treiben den Klimawandel an: Kohlendioxid und Methan. Letzteres ist für etwa 30 Prozent des globalen Temperaturanstiegs seit der Industrialisierung verantwortlich. Doch beim Kampf gegen die Klimakrise ging es bislang vor allem um CO2. Das soll sich nun ändern.

Am heutigen Dienstag hat das EU-Parlament seine Position zur geplanten Methanverordnung festgelegt und ist dabei den Empfehlungen des Umwelt- und des Industrieausschusses gefolgt. Die Verordnung nimmt fossile Energiekonzerne in die Pflicht, den Methanschlupf bei der Förderung von Kohle, Gas und Öl sowie beim Gas- und Öltransport zu verringern.

Das EU-Parlament will Energieunternehmen dazu verpflichten, ein Programm zum Aufspüren und Reparieren von Methanlecks in Gasinfrastrukturen vorzulegen. Solche Lecks sollen innerhalb von fünf Tagen nach Entdeckung repariert oder leckende Komponenten ausgetauscht werden.

Lange Zeit gab es nur grobe Schätzungen, wie hoch die europäischen Methanemissionen aus Bohrungen, Pipelines, Verdichterstationen, Schiffen oder Kraftwerken tatsächlich sind. Stichproben haben gezeigt, dass weitaus mehr Methan in die Atmosphäre entweicht als angenommen.

Ab 2025 soll auch das Abfackeln und Ablassen des Gases verboten werden. "Das Ablassen und Abfackeln von Methan ist eine umweltschädliche Praxis und eine absolute Verschwendung", sagte die EU-Abgeordnete Jutta Paulus von den Grünen vor der Abstimmung im Parlament. Es gebe keinen Grund, routinemäßig Methan abzulassen, nur weil Konzerne keine Lust hätten, ihre Anlagen zu modernisieren.

Vor allem an Bohrlöchern ist das Ablassen und Abfackeln gängige Praxis. Weil die EU aber über 80 Prozent ihres Öl- und Gasbedarfs importiert, will das Parlament die neuen Regeln ab 2026 auch auf Importe ausweiten. Importeure müssten dann etwa durch Zertifizierung nachweisen, dass sie die EU-Vorgaben einhalten.

Nigeria hat bereits ein Methanziel

Eine Reihe von Ländern hat die Methanemissionen bereits im Blick und macht ihren Gas- und Ölunternehmen Vorgaben. Vorreiter Norwegen konnte mit Gesetzen und Steuern die Methanintensität seiner Produktion, also den Methanausstoß in Relation zur Erdgasproduktion, auf 0,02 Prozent senken. Der EU-Durchschnitt liegt mit 0,2 Prozent deutlich höher.

Nigeria, das neben den USA, Norwegen, Russland, Katar, Algerien und einigen anderen Ländern zu den Gas-Lieferanten Europas gehört, hat 2021 in seinem nationalen Klimaziel auch ein Methanziel für die Öl- und Gasindustrie festgelegt, das eine Senkung der Emissionen des Öl- und Gassektors um 61 Prozent vorsieht. Unternehmen müssen etwa Lecks in der Öl- und der Gasinfrastruktur reparieren und den Methanaustritt vermeiden oder verringern.

"Es gibt schon etliche Länder weltweit, die Regeln getroffen haben, um die Methanemissionen zu senken", sagte Paulus. Die EU müsse nun mitziehen, schließlich habe sie 2021 den "Global Methane Pledge" mitinitiiert. Auf Initiative der EU und der USA haben sich mittlerweile 150 Länder dazu verpflichtet, ihren Methanausstoß innerhalb dieses Jahrzehnts um 30 Prozent zu senken.

Würde die EU die geplanten Regeln auch auf Importe ausdehnen, könnte das den Ausstoß von jährlich 400 Millionen Tonnen CO2‑Äquivalent vermeiden. Das entspricht etwa zwei Dritteln der Gesamtemissionen Deutschlands.

Etliche weitere Länder müssten dann vergleichbare Maßnahmen vorschreiben. Damit hätte die Verordnung das Zeug, um weitreichendsten Klimagesetz im EU-Green-Deal zu werden. Ob sich das EU-Parlament mit dem Vorstoß durchsetzen kann, ist allerdings fraglich.

Forderungen der Branche fast wörtlich übernommen

Der Ministerrat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, hatte schon im vergangenen Dezember seine Position zur Methanverordnung festgelegt. Die EU-Staaten hatten dabei die Vorgaben der EU-Kommission so weit abgeschwächt, dass sich selbst die Kommission beschwerte: Das Methan-Minderungsziel könne so nicht schnell genug erreicht werden.

Die Änderungswünsche einiger Mitgliedsstaaten entsprachen dabei fast wörtlich den Forderungen fossiler Energiekonzerne, wie eine Recherche der österreichischen Zeitung Der Standard belegte. Zuvor hatte die Erdgasindustrie vor zu strengen Vorgaben gewarnt und seltenere Messzyklen gefordert.

 

Die Deutsche Umwelthilfe forderte jetzt die Bundesregierung auf, dem EU-Parlament in den kommenden Trilog-Verhandlungen gegenüber dem Ministerrat den Rücken zu stärken.

Die Begrenzung der Methanemissionen ist ein wirksamer Hebel, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Über 20 Jahre betrachtet ist Methan etwa 80-mal so klimaschädlich wie CO2. Auch der Weltklimarat fordert in seinem aktuellen Sachstandsbericht, die Methanemissionen schnell und umfassend zu senken, wenn das 1,5‑Grad-Limit nicht gerissen werden soll.

Mehrere Sektoren bleiben außen vor

Die Methanverordnung bezieht sich nur auf die Energiewirtschaft, die für fast ein Fünftel der Methanemissionen verantwortlich ist. Die geplante EU-Industrieemissionsrichtlinie soll die Methanemissionen der Industrie, des Bergbaus und der Intensivtierhaltung großer Betriebe verringern. Nahezu ungeregelt sind die Methanemissionen in der Landwirtschaft und der Abfallwirtschaft.

Bezahlbar sind die geplanten Maßnahmen auch. Laut der Internationalen Energieagentur IEA reichen weniger als drei Prozent der Jahresgewinne von Öl- und Gasunternehmen, um die Methanemissionen mit bereits vorhandenen Technologien um 75 Prozent zu senken.

Beim Kohleabbau ist das Parlament hinter dem Kommissionsvorschlag zurückgeblieben. Im Energiesektor der EU sind Kohlegruben der größte Verursacher von Methanemissionen, wobei zwei Drittel aus polnischen Bergwerken stammen. 

Darüber hinaus forderten die Abgeordneten die EU-Kommission auf, bis 2025 ein Methanziel für alle Sektoren zu vorzuschlagen.

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