Auch im AKW Cattenom an der Mosel bekommt EDF die Rostschäden nicht in den Griff. (Foto: Vingt-Deux Carats/​Pixabay)

Frankreichs Atomkraftwerke kommen aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. In der letzten Woche des Jahres 2022 lag die Verfügbarkeit der Reaktoren weit unter den Erwartungen, und die Reparatur mehrerer stillgelegter Anlagen verzögert sich erneut.

Zudem lässt die Inbetriebnahme des einzigen neuen Reaktors, Flamanville 3 in der Normandie, nach bereits zehn Jahren Bauzeit-Verzögerung weiter auf sich warten. Sie soll nun nicht mehr 2023, sondern erst 2024 erfolgen.

Das Nachbarland betreibt insgesamt 56 AKW-Blöcke, von denen aber eine ganze Reihe nicht am Netz ist, weil Korrosionsschäden beseitigt werden müssen und weil Wartungsarbeiten nötig sind. Vorige Woche betrug die Verfügbarkeit des Kernkraft-Parks nur 31,4 Gigawatt oder 51 Prozent der installierten Gesamtleistung.

Dabei spielte auch eine Rolle, dass der staatliche Stromkonzern Électricité de France (EDF) mehrere eigentlich betriebsbereite Reaktoren stoppte, um Uran-Brennstoff einzusparen und damit für kältere Tage gerüstet zu sein. Möglich wurde das, weil dank der milden Temperaturen weniger Strom verbraucht wurde. In Frankreich heizt rund ein Drittel der Haushalte mit Elektrizität.

Laut EDF soll die verfügbare AKW-Kapazität im Januar und Februar wieder bei gut zwei Dritteln liegen, der Anstieg verläuft allerdings langsamer als erhofft. So musste EDF die Wiederinbetriebnahme mehrerer Reaktoren verschieben.

Dazu zählen ausgerechnet die beiden Reaktoren in Penly in der Normandie, wo der seit November amtierende Konzernchef Luc Rémont und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire im Dezember Hoffnungen auf eine zügige Beendigung der Arbeiten gemacht hatten. Dort gibt es Hinweise auf zusätzliche Korrosionsschäden an den Schweißnähten eines weiteren Rohrleitungsabschnitts. Penly 1 soll nun statt Mitte Februar erst in der zweiten Märzhälfte wieder als Netz, Penly 2 sogar statt Ende Januar erst Mitte Juni.

Stromabschaltungen noch nicht vom Tisch

Ob die aktuelle nukleare Erzeugungskapazität von gut 45 Gigawatt ausreicht, um die kontrollierten stundenweisen Stromabschaltungen abzuwenden, die mit dem Ende der französischen Winterferien drohen, ist noch offen. Hier kommt es vor allem auf die Wetterentwicklung an. In der jüngsten Kältewelle Anfang und Mitte Dezember stieg der Elektrizitätsverbrauch in der Spitze auf bis zu 80 Gigawatt.

Rekordjahr beim Stromexport

Im Stromhandel mit Frankreich hat Deutschland im Jahr 2022 einen Überschuss von rund 15 Terawattstunden erzielt. Das ergab die Energy-Charts-Jahresbilanz des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Demnach wurden 20,5 Terawattstunden nach Frankreich verkauft, aber von dort nur 5,2 Terawattstunden eingekauft. Zum Vergleich: Große Atom- oder Braunkohlekraftwerke können elf bis zwölf Terawattstunden jährlich erzeugen. Deutschland betrieb so gesehen ständig ein bis zwei große Kraftwerke allein für den Export nach Frankreich.

Europaweit erzielten die deutschen Stromhändler 2022 einen Exportüberschuss von 26,3 Terawattstunden. Weil sich das Stromnetz letztlich nicht nach Handelsverträgen, sondern nach physikalischen Gegebenheiten richtet, ergibt sich laut der bereinigten Außenhandelsstatistik für Deutschland am Ende ein Stromexportüberschuss von rund 20 Terawattstunden. Importiert wurden 44, exportiert 64 Terawattstunden.

Der Überschuss bescherte den Stromexporteuren bereits bis Ende Oktober einen positiven Rekordsaldo von rund 3,8 Milliarden Euro – im ganzen Jahr 2021 waren es nur 2,2 Milliarden gewesen. Zuvor hatte dieser Saldo nur einmal – 2015 – die Zwei-Milliarden-Schwelle übertroffen.

Die Gas- und Wasserkraftwerke sowie die beiden letzten Kohlekraftwerke des Landes liefen zu dieser Zeit mit voller Leistung, außerdem führte Frankreich große Mengen Elektrizität aus den Nachbarländern ein, unter anderem aus Deutschland, wo deswegen zusätzlich Erdgas verstromt wurde. Noch schlimmer wäre die Lage gewesen, wenn die Stromspar-Appelle der Regierung nicht gefruchtet hätten. In der Adventszeit lag der Verbrauch um rund neun Prozent unter dem Schnitt der Vorjahre.

Fachleute befürchten, dass die Probleme mit Frankreichs Stromversorgung auch bis zum nächsten Winter nicht behoben werden können. Es sei fraglich, ob die Probleme in der AKW-Flotte dann beseitigt seien und genügend Erdgas für die Gaskraftwerke verfügbar sei, sagte Nicolas Goldberg vom Institut Colombus Consulting in Paris. "Das Risiko von Stromausfällen im Winter 2023/​2024 könnte höher sein als in diesem Winter."

AKW-Neubau noch teurer

Mit Strom aus dem neuen Reaktor Flamanville 3 jedenfalls kann Frankreich im nächsten Winter nicht rechnen. Statt wie zuletzt angekündigt Ende 2023 wird das AKW der Serie EPR (European Pressurized Reactor) erst im Laufe des ersten Quartals 2024 in Betrieb gehen und erneut 500 Millionen Euro teurer werden, wie EDF unlängst bekannt gab.

Begründung waren Schwierigkeiten bei der Reparatur von Schweißnähten am Sekundärkreislauf des Reaktors, die die Atomaufsichtsbehörde in Paris angeordnet hatte. Der Reaktor hatte ursprünglich bereits 2012 fertig sein sollen, dies verzögerte sich jedoch immer wieder. Auch die Baukosten explodierten, statt anfangs kalkulierter 3,4 Milliarden Euro werden nun 13,2 Milliarden erwartet.

Trotz der vielen negativen Erfahrungen setzt Paris weiter auf die Atomkraft zur Lösung der Energieversorgungs- und Klimaprobleme. Präsident Macron hat angekündigt, Frankreich werde sechs neue Reaktoren bauen, zudem werde die Errichtung von acht weiteren Kraftwerken bis 2050 geprüft.

 

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