Der Vollmond steht am Nachthimmel.
Scheint der Mond in der Nacht, ist es ein bisschen heller. (Foto: Robert Karkowski/​Pixabay)

Das war er also. Der "Mann auf dem Mond"-Moment. Mit diesen Worten hatte die damals neu ins Amt gekommene EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 ihren "Green Deal" angekündigt, jenes gewaltige Gesetzespaket, mit dem die EU auf den Pfad zur Klimaneutralität 2050 gelangen will.

Es geht um die erste Etappe bei diesem Projekt bis 2030. Zwölf Richtlinien und Verordnungen sollen so angepasst und erweitert werden, dass damit das neue, verschärfte Klimaziel erreicht werden kann: mindestens 55 Prozent weniger CO2-Emissionen, verglichen mit 1990.

Um im Bild zu bleiben: Nun steht die Rakete auf der Startrampe, die die EU in neue Klimaschutz-Sphären befördern soll.

Hebt sie nach weiteren, garantiert schwierigen Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament tatsächlich ab, kommt Europa deutlich näher an den vom Pariser Klimavertrag vorgegebenen Orbit als mit dem alten 2030er Ziel von minus 40 Prozent CO2. Das hätte nicht einmal für das Zwei-Grad-Erwärmungslimit gereicht, das Paris als Minimalziel fixiert.

Doch klar ist auch: Ginge es nach der Wissenschaft, müsste die EU nicht nur 55, sondern 60 oder 65 Prozent CO2-Reduktion anpeilen, um 1,5 Grad einhalten zu können. Nur dieses Ziel schützt einigermaßen davor, dass Kippelemente im Klimasystem ausgelöst werden, deren Folgen unkalkulierbar sind.

Ein schärfere CO2-Reduktion, wie auch vom EU-Parlament gewünscht, war nicht durchsetzbar. Doch bereits der in den letzten Monaten in der Kommission ausgetragene Kampf um von der Leyens "Fit for 55"-Paket zeigt: Die Widerstände gegen den in jedem Fall nötigen Umbau der Ökonomien sind noch immer groß.

Vor allem Wirtschaftslobbys, die ihre bisherigen Geschäftsmodelle gefährdet sehen, und die ärmeren osteuropäischen Staaten, die vor sozialen Verwerfungen warnen, brachten sich in Stellung. Dass von der Leyen und ihr für Klimaschutz zuständiger Vize Frans Timmermans das Paket halbwegs ungeschmälert durchbekamen, ist da schon eine Leistung.

Viele Pluspunkte im Paket

Das 55er Paket betrifft praktisch alle Bereiche von Europas Wirtschaft und verändert das Leben seiner Bürger, also, wie geheizt, gefahren und konsumiert wird. Das zeigt, wie ernsthaft die Kommission das Thema angeht.

Damit könnte der Green Deal durchaus Vorbild für parallele Projekte zum grünen Umbau in anderen Industriestaaten sein, wie etwa den USA, die Klimaneutralität ebenfalls für 2050 anpeilen. Das heißt freilich nicht, dass alles sinnvoll ist, was von der Leyens Truppe plant.

Den Emissionshandel für die Bereiche Kraftwerke, Industrie und Flugverkehr zu stärken und die Menge der CO2-Zertifikate weiter zu verknappen, wie die Kommission vorschlägt, ist richtig. Dieses Instrument hat sich, nach langer Anlaufphase, bewährt.

Die Tonne CO2 kostet inzwischen rund 50 Euro, und das macht die Ökoenergien konkurrenzfähiger gegenüber Kohle. Ein noch etwas höherer Preis würde den Kohleausstieg beschleunigen. Das wäre in vielen EU-Staaten, darunter Deutschland, schon fast die halbe Miete. 

Weitere Pluspunkte im Paket: Die Ausbauziele für die Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse sowie für Energieeffizienz sollen weiter angehoben werden. Das ist nur logisch. Ohne mehr Tempo hier ist das Ergrünen des EU-Energiesektors undenkbar.

Und dass die Kommission eine Abgabe für Importe aus Drittländern einführen will, die klimaschädlicher produzieren, ist zwar schwierig durchzusetzen, weil es international viel Widerstand gibt. Sinnvoll ist es trotzdem.

Neuer Emissionshandel dauert zu lange

Das gilt nicht für das andere zentrale Projekt der Kommission, die Einführung eines Emissionshandels auch in den Sektoren Verkehr und Gebäude. Das hier endlich etwas passieren muss, ist unumstritten. Die Bereiche sind die beiden größten Ausfälle beim Klimaschutz, unter anderem ein steigender CO2-Preis wäre hier vonnöten.

Dafür ist ein neuer CO2-Markt jedoch, zumindest kurzfristig, nicht das richtige Mittel. Ihn EU-weit einzurichten dauert nach Einschätzung von Experten locker fünf Jahre, also bis 2026 – Zeit, die man nicht hat. Zudem sind die Bedenken aus Osteuropa, aber auch von der französischen Regierung, der die Gelbwesten-Proteste von 2019 noch in den Kleidern stecken, so groß, dass dieses Projekt voraussichtlich scheitern wird.

Von anderem Kaliber sind weitere Vorschläge für den Verkehrssektor. So die geplanten strikten Emissionsgrenzen für Autos – die faktisch ein Verkaufsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2035 bedeuten –, die Einführung einer Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge und das Einbeziehen der Seeschifffahrt in den Emissionshandel.

Die Gesetzesinitiativen zeigen, dass die Kommission beim Verkehr endlich Ernst machen will. Hier ist sie gegen heftigen Lobbydruck, auch aus Deutschland, hart geblieben. Die überfällige Verkehrswende ist damit zumindest wahrscheinlicher geworden – nicht auf dem Weg zum Mond, aber in der EU.

Anzeige