Gebäude der EU-Kommission in Brüssel
Sitz der EU-Kommission in Brüssel: Auch sinnvolle Vorschläge werden hier erdacht. (Foto: Fred Romero/​Flickr)

Mit ihrem bisherigen Klimaziel für 2030 ist die Europäische Union noch nicht in der Paris-Spur – die Anforderungen des Zwei-Grad-Limits, die das Pariser Klimaabkommen vorgibt, werden so nicht erfüllt. Die EU-Kommission will das Ziel nun etwas erhöhen – die CO2-Emissionen sollen um 45 Prozent statt nur 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 abgesenkt werden. Umweltschützer halten hingegen ein Minus von 55 Prozent für notwendig.

EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete sagte jetzt in Brüssel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA, er wolle die Frage "demnächst den Mitgliedsstaaten vorlegen". Der Spanier will dazu im Oktober einen offiziellen Beschluss der EU-Staaten erreichen. Im Juni hatte er die 45-Prozent-Marke erstmals ins Gespräch gebracht.

Es wäre auch ein Signal an die nächste UN-Klimakonferenz, die im Dezember im polnischen Katowice stattfinden wird. Dort soll Bilanz gezogen werden, inwieweit die bisherigen nationalen CO2-Ziele der Paris-Unterzeichnerländer nachgeschärft werden müssen.

Bisher reichen die Selbstverpflichtungen zusammengenommen bestenfalls aus, um die Erderwärmung auf drei Grad zu begrenzen. Laut Paris-Vertrag liegt das Limit aber bei deutlich unter zwei Grad, besser noch 1,5 Grad.

Dem Kommissar zufolge kann die Europäische Union das höhere Ziel erreichen, wenn die neuen EU-Beschlüsse zum Ausbau der Öko-Energien und zum Energiesparen umgesetzt werden. Die Kommission, die EU-Mitgliedsstaaten und das Europaparlament haben die Ziele in diesen beiden Sektoren im Frühsommer im Konsens angehoben.

So soll der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Bedarf auf 32 statt auf 27 Prozent anwachsen und die Energieeffizienz um 32,5 statt um 30 Prozent steigen. "Auf Grundlage unserer Rechenmodelle würden wir de facto eine Reduzierung der Treibhausgase um 45 Prozent in der EU erreichen", sagte Arias Cañete. Er sieht die EU damit "in einer starken Position, sich an der politischen Diskussion über ehrgeizigere Ziele bei der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Katowice zu beteiligen."

Beim Katowice-Gipfel, im Klimadiplomatenjargon COP 24, sollen entscheidende Zusatzvereinbarungen zum Paris-Gipfel von 2015 getroffen werden. Damals einigte sich die Weltgemeinschaft, die globale Erwärmung bei maximal zwei Grad, besser aber bei 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen, um katastrophale Folgen für das Weltklima wie das Abschmelzen des Grönland-Eisschildes oder das Austrocknen des Amazonas-Regenwaldes abzuwenden.

Beim Klimaziel für 2020 – CO2-Reduktion um 20 Prozent – ist die EU auf gutem Kurs. Das Ziel wurde bereits vorzeitig erfüllt. Die Emissionen liegen derzeit um rund 23 Prozent unter denen im Basisjahr 1990.

Der frühere Vorreiter Deutschland hingegen wird sein nationales CO2-Ziel von minus 40 Prozent deutlich verfehlen, derzeit sind erst minus 27 Prozent erreicht.

Für 2030 peilt die Bundesregierung indes ein noch höheres Ziel als die EU an, nämlich eine Reduktion um 55 Prozent. Diese Marke soll nun garantiert erreicht werden, heißt es im Koalitionsvertrag der großen Koalition.

Bei den EU-Verhandlungen zu Ökoenergie und Energieeffizienz im Frühjahr allerdings, die nun den positive EU-Move vor Katowice begründen, hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) noch gebremst. In beiden Fällen hatte er nur eine Anhebung auf 30 Prozent befürwortet.

"Das reicht noch nicht fürs Zwei-Grad-Ziel"

Klimaschützer monieren indes, dass auch ein 45-Prozent-Ziel der EU für die CO2-Redaktion zu wenig sei. Es reiche noch nicht einmal für das Zwei-Grad-Limit, hieß es beim NGO-Bündnis Climate Action Network (CAN). Nötig sei eine Anhebung auf minus 55 Prozent. Unlängst plädierte auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte dafür, auf dieses Niveau zu gehen.

Der Industrieverband BDI hingegen kommentierte in Berlin: "Schärfere EU-Klimaziele bringen nichts." Alleingänge der EU lehne der Verband ab. Statt über immer ambitioniertere Ziele zu reden, müsse es jetzt unbedingt um die Instrumente gehen, mit denen sich die bestehenden Ziele überhaupt erreichen lassen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze begrüßte hingegen den Vorstoß von Arias Cañete. Es sei wichtig, dass auch die EU ihre Bereitschaft erkennen lasse, ihr Klimaziel zu überprüfen. "Denn wir erwarten ja auch von anderen Staaten, dass sie künftig mehr tun", sagte die SPD-Politikerin.

"Wenn die Berechnungen der EU-Kommission uns zeigen, dass wir mehr als die in Paris zugesagten mindestens 40 Prozent schaffen, ist das ein ermutigendes Signal für die internationale Klimapolitik", so Schulze. "Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Aus Sicht des Klimaexperten der Linksfraktion im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, wäre das neue EU-2030-Ziel zwar ein Fortschritt, jedoch immer noch zu schwach. Auch das Langfristziel der EU müsse "deutlich nachgeschärft" werden, forderte Beutin und schlug als "Sofort-Maßnahme" einen Kohleausstieg für Europa vor.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Und sie bewegt sich doch – ein wenig

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