Blick auf das Rohrgewirr einer Gas-Verdichterstation
Zur aufwendigen Gasinfrastruktur gehören große Verdichterstationen, die sich ihre Energie meist aus dem Gas abzweigen, dass sie durch die Leitungen jagen. (Foto: Open Grid Europe)

Jedes Jahr geben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Milliarden aus, um fossile Energien zu subventionieren. Etwa 50 Milliarden Euro pumpten die EU-Staaten 2018 in Kohle, Erdöl und Erdgas.

Auf dem Klimagipfel, der gerade im schottischen Glasgow dem Ende entgegengeht, geben sich etliche Staaten fortschrittlich. Die USA und 30 weitere Länder haben sich verpflichtet, die Finanzierung von Kohle-, Öl- und Gasprojekten im Ausland bis Ende kommenden Jahres zu stoppen – mit einigem Zögern auch Deutschland.

Die Selbstverpflichtung enthält eine pikante Ausnahme. Eine Finanzierung ist weiter möglich "unter begrenzten und klar definierten Umständen, die mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad und den Zielen des Paris-Abkommens vereinbar sind".

Wenn also fossile Energieprojekte im Ausland mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind – wie das erreicht werden kann, wird nicht näher ausgeführt –, wollen die Länder sie auch nach 2022 weiter finanzieren.

Während die Staaten auf der Klimakonferenz darüber streiten, ob und wann die Subventionen für fossile Brennstoffe gestoppt werden sollen, arbeitet die EU-Kommission an einer Liste für grenzüberschreitende Energie-Infrastruktur. 74 Erdgasprojekte haben sich für diese Liste beworben, davon wurden 30 vorausgewählt – mit Gesamtkosten von 13 Milliarden Euro.

Projekte, die es auf die EU-Liste schaffen, gelten als "Vorhaben von gemeinsamem Interesse" (Projects of Common Interest, PCI). Solche Projekte erhalten dann Zugang zu EU-Fördermitteln und können beschleunigt genehmigt werden.

Bei der jetzt bekannt gewordenen Liste handelt es sich um die fünfte PCI-Liste. Es wird erwartet, dass die Kommission die Liste in der kommenden Woche vorstellen wird. Sie enthält auch Projekte, die schon auf der vierten PCI-Liste von vor zwei Jahren standen.

Grüne fordern Ablehnung der Liste

Um die Klimaziele von Paris einhalten zu können, muss der Verbrauch von Erdgas in der EU mittelfristig sinken. Fachleute empfehlen einen Erdgasausstieg bis spätestens 2050 oder besser schon 2035. Das heißt: In weniger als 15 Jahren könnten die jetzt geplanten Erdgas-Anlagen nichts mehr wert sein.

Jetzt mit öffentlichen Förderprogrammen Infrastrukturprojekte zu finanzieren und zu bauen, die in einigen Jahren wahrscheinlich nutzlos sind, hat keinen Sinn. Ihr Wert könnte in den kommenden Jahren drastisch sinken und die Steuergelder wären in den Sand gesetzt.

Doch auch für den Treibhausgasausstoß der EU sind die geplanten Gasprojekte schlecht, warnt die Nichtregierungsorganisation Global Witness. Die geplanten Erdgasprojekte könnten bei einer vollständigen Realisierung mehr Treibhausgasemissionen freisetzen als Österreich und Dänemark zusammen.

"Wir wissen ganz genau, dass wir die Produktion von fossilem Gas stoppen müssen, wenn wir unsere Klimavereinbarungen erfüllen wollen", sagt die EU-Abgeordnete Marie Toussaint von den Grünen. Die EU müsse im Einklang mit ihren Klimazielen handeln – und das bedeute, die Finanzierung von Erdgasprojekten einzustellen.

Grüne EU-Abgeordnete fordern nun, die neue PCI-Liste abzulehnen. Sie wollen alle Erdgasprojekte durch regenerative Technologien ersetzen. Wenn die EU-Kommission die Liste annimmt, bleiben den EU-Ländern und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments zwei Monate Zeit, den Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen.

Ein Projekt, das es auf die PCI-Liste der Kommission geschafft hat, ist eine neue Gaspipeline im östlichen Mittelmeer. Eastmed soll Erdgas von einem Meeresgebiet vor Israel über Zypern und Kreta nach Griechenland transportieren. Die Türkei sieht sich von dem Vorhaben brüskiert und in ihren Erdgas-Förderrechten im östlichen Mittelmeer beeinträchtigt.

Eastmed wäre mit 1.900 Kilometern Europas längste Pipeline – und außerdem die tiefste der Welt, sie soll bis zu drei Kilometern unter dem Meeresspiegel verlaufen. Die Pipeline soll 2025 fertig sein, zwischen fünf und zehn Milliarden Euro könnte der Bau verschlingen. Die EU-Kommission treibt das Projekt politisch voran, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu vermindern.

"Öffentliche Mittel müssen in Erneuerbare fließen"

Selbst konventionelle Organisationen wie die Internationale Energieagentur IEA sprechen sich mittlerweile gegen neue fossile Infrastrukturen aus. "Wenn wir bis 2050 netto null Emissionen erreichen wollen, brauchen wir keine weiteren Investitionen in neue Öl-, Gas- und Kohleprojekte", sagte IEA-Chef Fatih Birol im Frühjahr.

Erdgas galt lange als Brückentechnologie zu 100 Prozent erneuerbaren Energien, weil es bei der Verbrennung weniger CO2-Emissionen verursacht als Kohle und Öl. Doch der fossile Energieträger gerät jetzt zunehmend unter Druck – auch weil klar wird, wie viel Methan durch Lecks an Pipelines freigesetzt wird.

Das Treibhausgas Methan ist weitaus klimaschädlicher als CO2. Und so feuert die Nutzung von Erdgas die Klimakrise sprichwörtlich an.

Die EU hatte vor dem diesjährigen Klimagipfel gemeinsam mit den USA einen Methan-Pakt ins Leben gerufen. Die inzwischen mehr als 100 teilnehmenden Länder haben sich verständigt, ihre Methanemissionen in diesem Jahrzehnt um mindestens 30 Prozent zu reduzieren.

"Dass dennoch weitere Erdgasprojekte durch die PCI-Liste gefördert werden, steht im Widerspruch zu diesen Vereinbarungen und zu den Klimaschutzzielen der EU", sagt die Wirtschaftsingenieurin Hanna Brauers von der Universität Flensburg. Während einzelne Länder den Ausstieg aus dem fossilen Energieträger aktiv vorantrieben, erhöhe die EU weiter ihre Abhängigkeit vom Erdgas.

"Neue fossile Infrastrukturprojekte bergen hohe finanzielle Risiken", warnt Brauers. Die EU-Pläne würden den Einstieg in die Reduktion der Erdgasnutzung erschweren. Öffentliche Gelder sollten stattdessen in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen, so Brauers.

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