Kugeln eines Abakus
Klimaschutz auf dem Papier mindert noch lange keine Treibhausgas-Emissionen. (Foto: Rudy und Peter Skitterian/​Pixabay)

Klimaschutz ist eine der Prioritäten der Europäischen Union. Das spiegelt sich auch im Budget wider: Ein nicht unerheblicher Teil der EU-Ausgaben soll in Klimaschutzmaßnahmen fließen. Während die EU-Kommission ihr Ziel für die Jahre 2014 bis 2020 als erfüllt ansieht, meldet der Europäische Rechnungshof jetzt Zweifel an den Berechnungen an.

Aus Sicht der Prüfer:innen dienten nicht alle Ausgaben, die die EU den Klimamaßnahmen zugerechnet hat, auch wirklich dem Klimaschutz. Mindestens 72 Milliarden Euro zu viel wurden gemeldet, heißt es in einem Sonderbericht, den der Rechnungshof zu Beginn der Woche vorlegte.

Die Kommission hatte sich für den Zeitraum von 2014 bis 2020 vorgenommen, 20 Prozent aller Ausgaben in den Klimaschutz zu stecken. Laut dem Rechnungshofbericht landeten aber nur 13 Prozent aller EU-Ausgaben tatsächlich beim Klimaschutz – rund 144 Milliarden Euro.

"Diese durch den Europäischen Rechnungshof offengelegte klimapolitische Blamage ist in mehrfacher Hinsicht verheerend", sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. "Zum einen werden die selbst gesteckten Ziele für Klimaschutzausgaben im EU-Budget eklatant verfehlt." Zum anderen sei die Methode zur Überprüfung und Bewertung des Geldflusses extrem lückenhaft.

Grund für die Fehlannahmen der Kommission: Es gibt kein System, das die Wirkung der EU-Ausgaben für den Klimaschutz überwacht. Bei der Auswertung wird also nicht geprüft, wie viel Klimaschutz eine Ausgabe tatsächlich bringt.

Stattdessen weist die Kommission ihren Ausgaben einen bestimmten Wert zu, der dem erwarteten Beitrag zum Klimaschutz entspricht. So werden in einigen Fällen Ausgaben selbst dann als klimawirksam angesehen, wenn die damit geförderten Projekte und Programme kaum oder gar keine Auswirkungen auf das Klima haben.

"Agrar-Ausgaben zu oft als Klimaschutz gelabelt"

Deshalb fordern Haushaltsexpert:innen, das Reporting für Klimaausgaben zu verbessern. "Es müssen endlich Indikatoren zur verlässlichen Messung der Relevanz der Ausgaben für den Klimaschutz festgelegt werden", sagt der EU-Abgeordnete Rasmus Andresen von den Grünen. "Zu oft sind EU-Ausgaben zum Beispiel im Bereich Landwirtschaft oder regionale Entwicklung von der Kommission pauschal als Klimaschutz-Ausgaben gelabelt worden."

Die Mittel für die Landwirtschaft zählen zu den größten Posten im EU-Haushalt. Zwischen 2014 und 2020 flossen fast 38 Prozent der Ausgaben über das Agrarbudget. Einem Teil der geförderten Programme wurde nun ein Klimanutzen zugeschrieben, obwohl dieser nicht nachweisbar oder überprüfbar ist.

"Die Hälfte der von der EU gemeldeten Klimaausgaben entfällt auf den Bereich Landwirtschaft. Der Haken: Viel Geld, welches hier für das Erreichen von Klimaschutzzielen verbucht wurde, hat gar keinen Effekt", sagt der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling. "Dadurch wurden im Bereich der Agrarförderung fast 60 Milliarden Euro zu Unrecht als klimaschutzdienlich verbucht – so viel wie in keinem anderen Bereich."

Als Beispiel führt Häusling Prämien für das sogenannte Greening an – Maßnahmen zum Erhalt von Grünland oder zum Bereitstellen ökologischer Vorrangflächen. Diese Prämie, die etwa 30 Prozent der EU-Direktzahlungen an Landwirte ausmachen, soll dazu beitragen, dass auf den Agrarflächen umweltfreundlicher und weniger intensiv gewirtschaftet wird.

"Die Greening-Bezüge werden von der EU-Kommission komplett als klimarelevant verbucht", kritisiert Häusling. Dabei habe eine Evaluierungsstudie der Kommission ergeben, dass der Nutzen des Greenings für den Klimaschutz "höchst unsicher und wahrscheinlich gering" sei.

"Finanzierung bleibt klimapolitische Achillesferse der EU"

Im Haushalt für die kommenden Jahre soll der Anteil der Klimagelder noch weiter steigen. Fast ein Drittel des Budgets soll auch dem Klimaschutz zugutekommen, so sieht es die EU für die Jahre 2021 bis 2027 vor.

"Für den aktuellen Haushalt bedeutet das, dass die Ausgabenpolitik der Kommission nochmal auf den Klimaschutz-Prüfstand gehört", fordert Haushaltspolitiker Andresen. Die Kommission müsse ihre Anstrengungen bei den Klimaausgaben mehr als verdoppeln, um die neue Klimaquote von 30 Prozent zu erreichen.

Innerhalb weniger Jahre sollen viele Bereiche wie Wohnen und Mobilität und auch die Industrie klimaneutral werden. Um die notwendigen Transformationsprozesse anzustoßen, braucht es Investition in großem Stil. Ob das mit dem jetzigen Ziel erreicht werden kann, bezweifeln Fachleute. "Die aktuellen Klimaquoten in den EU-Haushaltsprogrammen bis 2027 sind unzureichend", meint Christoph Bals.

Allein bis 2030 braucht es Schätzungen der EU zufolge 3.000 Milliarden Euro, um Wirtschaft und Gesellschaft in der EU zu dekarbonisieren. Nur ein Bruchteil der Summe soll aber aus direkten Ausgaben oder EU-Förderprogrammen stammen. Auch Investitionen privater Akteure sollen helfen, die Transformation zu stemmen. Ob die notwendigen Gelder aber zusammenkommen, ist keineswegs gewiss.

"Insgesamt bleibt die Finanzierung des European Green Deal in der Dekade der Klimaschutzumsetzung die klimapolitische Achillesferse der Europäischen Union", sagt Bals. "Eine dünne finanzielle Decke in den Haushaltsprogrammen für Klimaschutz, die schleppende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie die Einfallslosigkeit bei der notwendigen Finanzierung des Fit-for-55-Pakets sowie des Repower-EU-Plans wecken ernsthafte Zweifel, ob die ebenso notwendigen wie ehrgeizigen Ziele erreicht werden."

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