Weiß gekleidete Person hält ein großes Stück Kohle in den geschwärzten Händen, auf dem T-Shirt ist auf Polnisch die Aufschrift: Das dunkle Geheimnis lüften – PZU.
"Das schwarze Geheimnis lüften": Umweltprotest am vergangenen Mittwoch bei der PZU-Hauptversammlung. (Fotos: Fundacja RT-ON)

Der Tagebau und das zugehörige Kraftwerk Turów im äußersten Südwesten Polens ist ein Zankapfel zwischen der polnischen und der tschechischen Regierung. Vor anderthalb Jahren genehmigte Polen den Weiterbetrieb des Kraftwerks und den Ausbau der Braunkohlegrube im Dreiländereck mit Tschechien und Deutschland, ohne die Nachbarländer zu konsultieren und ohne eine gemeinsame Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Tschechien sieht die Trinkwasserversorgung in der Region Liberec bedroht, die an den Tagebau angrenzt. Denn für den Kohleabbau muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden und Untersuchungen zeigen, dass dies zum Verlust von Trinkwasser in Liberec führt.

Anfang des Jahres zog die tschechische Regierung deswegen vor den Europäischen Gerichtshof. Dieser urteilte Ende Mai, dass der Kohleabbau sofort einzustellen sei. Was die polnische Regierung nicht beeindruckte: Sie erklärte, sich nicht an das Urteil halten zu wollen. Tschechien fordert eine Strafe von fünf Millionen Euro pro Tag, wenn der Tagebaubetrieb fortgesetzt wird.

Nun schaltet sich die Europäische Kommission ein und schließt sich der tschechischen Klage gegen Polen an, um zu zeigen, dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht einfach von einem Mitgliedsstaat ignoriert werden darf.

PZU, eine tragende Säule der polnischen Kohleindustrie

Die Kohle-Affinität der Regierung und vieler Unternehmen in Polen ist nichts Neues. Die polnische Energiestrategie läuft den EU-Zielen – Klimaneutralität bis 2050 und 55 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 – zuwider.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und der neue Bericht der Internationalen Energieagentur IEA zur Klimaneutralität 2050 machen klar, dass dieses Ziel für die Europäische Union einen Kohleausstieg bis 2030 erfordert.

Die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und der lokale Widerstand zum Beispiel rund um den Tagebau Turów sind wichtige Bausteine, um die polnische Regierungspolitik zu beeinflussen. Gleichzeitig ist Druck von verschiedenen Seiten wichtig – denn der Betrieb von Turów wird auch durch Unterstützung aus Deutschland möglich.

Der neue Kohleblock im Kraftwerk Turów, der Mitte Mai in Betrieb gegangen ist, wird ebenso wie der zugehörige Braunkohletagebau vom polnischen Versicherer PZU abgesichert – wie über 85 Prozent des Kohlebergbaus und die Mehrheit der Kohlekraftwerke in Polen. PZU ist mit einem Anlagevermögen von fast 85 Milliarden Euro die größte Finanzgruppe in Mittel- und Osteuropa mit Niederlassungen in Polen, der Ukraine und dem Baltikum.

Damit ist PZU der größte europäische Versicherer ohne Beschränkungen bei Kohleinvestitionen oder -versicherungen. Auch die im März veröffentlichte neue PZU-Strategie für die Jahre bis 2024 sieht keine Einschränkungen in diesem Bereich vor. Die Hauptversammlung von PZU am 16. Juni hat daran nichts geändert.

Mit Unterstützung aus Deutschland 

Erstversicherer wie PZU verringern ihr Risiko, indem sie sich ihrerseits versichern – bei sogenannten Rückversicherern. Dabei kann das gesamte Portfolio des Erstversicherers rückversichert werden, also alle Risiken, die das Unternehmen in seinen Büchern hat – die sogenannte Vertragsrückversicherung. Oder es werden einzelne Risiken versichert, die dann etwa einem Projekt entsprechen – die fakultative Rückversicherung. Im Schnitt machen die Vertragsrückversicherungen einen größeren Anteil des Geschäfts der Rückversicherer aus.

Junge Frauen tanzen bei einer Protestaktion vor der Zentrale der Versicherung PZU in Warschau.
Tanzen und Demonstrieren für eine "gerechte Transformation" am letzten Mittwoch vor der Warschauer PZU-Zentrale.

Die dürftige Klimabilanz von PZU hindert bedeutende Rückversicherer mit Klimaprofil allerdings nicht daran, PZU rückzuversichern. Im Jahr 2020 waren dies Münchener Rück, Hannover Rück und Swiss Re.

Alle drei Rückversicherer haben – mit wenigen Ausnahmen – Kohlekraftwerke von der Rückversicherung ausgeschlossen. Münchener Rück und Hannover Rück schließen jedoch nur einzelne, identifizierbare Kohlekraftwerksprojekte aus, keine Vertragsrückversicherungen. Das heißt, sie können weiter gesamte Portfolios von Erstversicherern rückversichern, auch wenn darin Kohlerisiken stecken, wie im Fall von PZU.

Swiss Re hat im März dieses Jahres einen Plan vorgelegt, wie auch die Vertragsrückversicherung von Kohle bereinigt werden soll. 2023 will die Schweizer Rückversicherung Grenzen für Kohlerisiken in Rückversicherungen festlegen, die kontinuierlich gesenkt werden sollen. Dazu würden bereits jetzt Gespräche mit den Erstversicherern geführt.

Auf den Hauptversammlungen von Münchener Rück und Hannover Rück erklärten beide Unternehmen auf Nachfrage, dass auch sie Gespräche mit den Erstversicherern führen, um bei Vertragsrückversicherungen mittelfristig Kohle auszuschließen.

Dazu passt jedenfalls nicht die Rückversicherung von PZU, der wichtigen Stütze für die polnische Kohleindustrie. Wenn die drei Rückversicherer als Klimavorreiter ernst genommen werden wollen, müssen sie sich von ihrem Kunden PZU trennen – noch bevor sie sich neue Richtlinien zu Vertragsrückversicherungen geben. Die neuen Regeln müssen sie natürlich unabhängig davon zügig erarbeiten und veröffentlichen.

Jakub "Kuba" Gogolewski

Kuba Gogolewski ist Projektkoordinator und Chef­campaigner bei der polnischen Stiftung Rozwój Tak – Odkrywki Nie (für Entwicklung – gegen Tagebaue). Die Organisation versucht die Finanzierung der klimaschädlichsten fossilen Projekte in Polen zu verhindern und wendet sich dabei an Aktionäre, private und öffentliche Banken, Versicherer und institutionelle Investoren. Gogolewski studierte Wirtschaftswissenschaften und arbeitete zuvor bei den Umweltorganisationen CEE Bankwatch Network und Greenpeace Polen.

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