Arbeiter montieren ein Windrad
Der Vorschlag für ein EU-Klimagesetz hat den Umweltausschuss des Europäischen Parlaments passiert. Im Bild: Montage eines Windrades. (Foto: Enercon)

Klimagesetze zu machen ist eine komplexe Sache und echte "Handarbeit". Sie reicht von der europäischen Ebene bis hinunter zu den Kommunen. Das Prinzip ist: Gemeinsam legen wir in Europa die langfristigen CO2-Minderungsziele fest, die dann auf allen Ebenen eingehalten werden.

Nun ist es wieder so weit: Nach der Europawahl 2019 und den großen Ankündigungen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für einen Green Deal wird erneut ein gemeinsames Klimaziel für Europa gesucht.

Bisher dachten die Staats- und Regierungschef:innen, sie könnten das unter sich ausmachen. Aber das Europaparlament hat ein Wörtchen mitzureden – und von dort kommt Gutes und Innovatives fürs Klima.

Mit 46 Ja-, 18 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen hat in dieser Woche der Umweltausschuss den Vorschlag der EU-Kommission für das Europäische Klimaschutzgesetz im Wesentlichen abgesegnet – und damit zum ersten Mal ein Klimaziel für 2030, das eine 60-prozentige CO2-Reduktion vorsieht, verglichen mit 1990.

Das sind 20 Prozentpunkte mehr Ambition als das bisherige 40-Prozent-Ziel, aber immer noch nicht genug, um das 1,5-Grad-Ziel wirklich einzuhalten.

Dennoch macht das EU-Klimagesetz Hoffnung, denn mit ihm kommt ein ganzer Werkzeugkoffer voller Instrumente und Messgeräte, damit Europa die Ziele auch erreichen und einhalten kann.

Dazu gehören ein CO2-Budget, ein Klimarat, das Recht auf Klimaschutz für die Bürger:innen sowie das Verbot von Subventionen für Fossile. Das sind Meilensteine in der Klimapolitik. Damit lässt sich das europäische Haus reparieren.

Wissenschaftlich, transparent, verbindlich

Schauen wir auf das CO2-Budget: Dieses soll beschreiben, wie viel Tonnen CO2 in der EU bis zum Jahr 2050 insgesamt noch ausgestoßen werden dürfen, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Grundlage dafür wird der kommende Bericht des Weltklimarats sein.

Der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen hat errechnet, dass die EU-Länder noch ein Budget von etwa 47 Milliarden Tonnen CO2 zur Verfügung haben.

Damit könnte aller Wahrscheinlichkeit nach die Erderwärmung auf 1,65 Grad begrenzt werden. Die EU stößt derzeit im Jahr rund 3,75 Milliarden Tonnen CO2 aus. Klimawissenschaftler:innen und auch Fridays for Future fordern so ein Budget schon lange.

Spannend ist dabei auch, dass bisherige Klimaschutzinstrumente, wie das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) für CO2-Zertifikate und auch die Klimagesetze auf EU-Ebene im Nicht-ETS-Bereich, schon ein CO2-Budget beinhalten. Ein EU-weites CO2-Budget könnte diese Budgets zusammenfassen und Transparenz schaffen.

In vielen Mitgliedsstaaten der EU gibt es schon wissenschaftliche Klimaräte. Jetzt soll mit dem im Klimagesetz vorgeschlagenen Europäischen Klimarat (ECCC) ein Gremium geschaffen werden, das konkrete Vorschläge für die EU-Klimapolitik unterbreitet. 

15 unabhängige Wissenschaftler:innen sollen im Rat sitzen. Von ihnen erhofft sich das Parlament eine Versachlichung der Debatte.

Großbritannien hat es vorgemacht. Die britische Regierung führte bereits 2008 das unabhängige Committee on Climate Change (CCC) ein.

Die acht Mitglieder kommen aus Politik und Wissenschaft und reichen jedes Jahr einen Bericht zum Stand der Treibhausgasemissionen ein. Den kann die Regierung nicht einfach übergehen. Folgt sie den Empfehlungen des Rates nicht, muss die Regierung das begründen.

Mit dem jetzigen Vorschlag für einen Europäischen Klimarat folgt das Parlament dem Ruf "Listen to Science" – "Hört auf die Wissenschaft!".

Ende der fossilen Subventionen

Mit dem Klimagesetz wird auch der Weg frei gemacht für das Recht auf Klimaschutz. Die Bürger:innen erhalten damit das Recht, die Regierungen vor nationalen Gerichten zu verklagen.

Dabei können sie sich auf die von den Regierungen beschlossenen Klimaziele und Pläne berufen, wenn diese nicht eingehalten werden. Das ist ein Schritt, um das Menschenrecht auf ein gesundes Klima zu verwirklichen.

Michael Bloss

2019 wurde Michael Bloss ins Europa­parlament gewählt und gehört dort der Grünen-Fraktion an. Sein Feld ist die Klimapolitik, unter anderem als Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie.

Das stellt auch eine Umsetzung der Aarhus-Konvention von 1998 dar, die von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde und uns als Bürger:innen den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten garantiert.

137 Milliarden Euro Subventionen fließen jedes Jahr in der Europäischen Union in Kohle, Öl und Gas. Deutschland allein lässt sich dieses Milliardenfeuerwerk auf Kosten des Klimas jedes Jahr 37,5 Milliarden Euro kosten.

Gelder, die fehlen, um massiv in die erneuerbaren Energien oder in neue Mobilität zu investieren. Das Klimagesetz schiebt dem jetzt einen Riegel vor.

Bis 2025 sollen die indirekten und direkten Subventionen für fossile Brennstoffe abgeschafft werden. Der Skandal, dass zum Beispiel Kerosin gar nicht oder Diesel nur gering besteuert wird, wäre beendet. Darüber hinaus muss die EU-Kommission offenlegen, ob ihre Ausgaben mit den Klimazielen übereinstimmen.

Noch nicht beschlossen

Wo ein Werkzeugkoffer ist, da ist eine Baustelle. Die Klimarealität zeigt sich gerade in ihrer vollen Wucht. Die massiven Brände in Kalifornien, die Dürreperioden in Europa oder eine fast eisfreie Arktis sind Anzeichen einer Erderhitzung, die massive Folgen für alle haben wird.

Erst vor einigen Tagen veröffentlichte das Institute for Economics and Peace (IEP) in Sydney eine Studie, die es kurz und knapp aufzeigt: Im Jahr 2050 kann der Lebensraum von mehr als einer Milliarde Menschen massiv bedroht sein.

In 31 Staaten werden Stürme und Überflutungen, aber auch Wasserknappheit und eine unsichere Versorgung mit Lebensmitteln regelmäßig auftreten.

Was weit weg erscheint, trifft aber auch hierzulande zu. Auch in Deutschland ist zu sehen, wie die Wälder sterben und Felder vertrocknen.

Es gilt also zuzupacken, damit diese von der Wissenschaft skizzierte Zukunft nicht eintritt und wir einen lebenswerten Planeten haben.

Das vom Umweltausschuss beschlossene Klimagesetz kommt in der ersten Oktoberwoche zur Abstimmung ins Plenum des Europaparlaments.

Die Konservativen unter Manfred Weber (CSU) haben schon jetzt ihren Widerstand gegen ein Klimaziel von 60 Prozent angekündigt. Sie sträuben sich gegen die Handarbeit, obwohl wir alle im selben Haus sitzen, das von Grund auf umgebaut werden muss.

Nach dem Parlament müssen sich die Umweltminister:innen der Mitgliedsstaaten über das Gesetz einigen. Es gilt also noch Hürden zu nehmen, damit das Haus krisenfest wird.

Aber wir brauchen diese neuen Standards, die das Klimagesetz liefern wird. Um die Dimension klarzumachen: Wir gestalten gerade den größten Wirtschaftsraum der Welt neu. Das Klimagesetz ist dafür das Fundament.

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